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Zukunftsmusik oder Realität?

Biodiversität ohne Ertragsverluste

„Pflanzenbau Out of the Box“: Das war das Leitthema der DLG-Feldtage 2024 im Juni auf Gut Brockhof bei Erwitte (Kreis Soest, Nordrhein-Westfalen). Bei so genannten Pop-up Talks hatten die Besucher der Leitmesse für den Pflanzenbau Gelegenheit, sich mit Praktikern und Fachleuten direkt an den Parzellen über Neuheiten im Ackerbau auszutauschen. Mit dabei im Programm: Das ReNuWi-Projekt.

Siv Biada präsentierte im Rahmen der Pop-up-Talks als Leiterin des Internationalen DLG-Pflanzenbauzentrums (IPZ) das Verbundprojekt ReNuWi. ReNuWI steht für „Reihenbezogener Ackerbau mit reduziertem chemischen Pflanzenschutz und Förderung von Nützlingen und Ackerwildkräutern in der Fläche“. Das Projekt wird bereits seit drei Jahren in Kooperation mit der Hochschule Anhalt und Schmotzer Hacktechnik GmbH am IPZ durchgeführt.

Marienkäfer, Bandspritze und Anbau in weiten Reihen

Die Idee hinter dem Projekt: Ackerwildkräuter zusammen mit ackerbaulichen Kulturen anzubauen. Durch eine Kombination von moderner Technik, unterstützender Umwelt und einer veränderten Bestandsarchitektur soll die Biodiversität erhöht werden. Moderne Technik, die im ReNuWi-Projekt zum Einsatz kommt, ist beispielsweise die Bandspritze und reihenbezogene Messerwalze. Die unterstützende Wirkung der Umwelt kommt etwa durch die Förderung von Nützlingen wie dem Marienkäfer zum Tragen. Der Anbau in weiten Reihen wiederum soll ein besseres Mikroklima im Bestand erzeugen. Dadurch soll der Pilzbefall an den Kulturpflanzen reduziert werden.

Step by Step zum gewünschten Know how

Zunächst einmal wurden für das Projekt Kulturen wie die Ackerbohne, Mais und Getreide mit Hilfe des Strip-Till-Verfahrens angebaut, erläuterte IPZ-Leiterin Siv Biada auf den DLG-Feldtagen. Der Boden wird dabei nur im späteren Saatstreifen gelockert, während der übrige Teil unbearbeitet bleibt. Zwischen den Kulturartenreihen wurden dann insgesamt 25 verschiedene Ackerwildkräuter gesät. Neben Bonituren zum Schädlings- und Pilzbefall wird auch die Aktivität von Bodenmikroorganismen untersucht. Dazu werden unbenutzte Teebeutel mit grünem Tee im Boden vergraben. Die Nylonbeutel wurden zuvor einmal gewogen und anschließend nach dem Wiederausgraben nach genau 90 Tagen. Durch die Differenz im Gewicht des Teebeutels soll eine Aktivität von Organismen im Boden festgestellt werden.

Ackerwildkräuter: erwünscht, aber nicht zu dominant

Eine weitere zentrale Stellschraube beim ReNuWi-Projekt, so Biada: Eine schnelle Bodenbedeckung mit Ackerwildkräutern zwischen den Reihen ist in jedem Fall gewünscht, da somit unerwünschte Arten unterdrückt werden. Zudem schützen die Ackerwildkräuter vor Verdunstung und Erosion. Es sei jedoch gleichzeitig zu beachten, dass die Wildkräuter nicht zu dominant werden, sagte die Leiterin des IPZ während der Pop-up Talks auf den DLG-Feldtagen. Um ein Gleichgewicht zwischen den Kulturen aufrecht zu erhalten, kommt zwischenzeitlich die reihenbezogene Messerwalze zur Regulierung der Zwischenbegrünung zum Einsatz.

Am Beispiel der Ackerbohne wurde deutlich, dass dieses Verfahren sehr effektiv ist, aber auch ein gutes Zeitmanagement benötigt. Ein zu frühes Walzen hemmt das Wachstum der Wildkräuter, sodass der gewünschte Effekt im Boden verfehlt wird. Walzt man die Zwischenreihen der Wildkräuter jedoch zu spät, kann es passieren, dass die empfindliche Ackerbohne beschädigt wird.

Mit Learning by doing zum Wissensaufbau

In manchen Situationen im Projektverlauf wurde ganz nach dem Motto „Learning by doing“ gearbeitet: „Ich selber stelle fest, dass ich in den letzten drei Jahren unglaublich viel über Ackerwildkräuter gelernt habe“, teilte Siv Biada den Besucherinnen und Besuchern der Pop-up Talks mit einem Lächeln mit.

Impulsgeber für Pflanzenbauprofis

Mit spürbarem Interesse diskutierten die Teilnehmenden darüber, ob die im ReNuWi-Projekt erprobten Strategien bereits im großen Stil umsetzbar seien. Aktuell wäre die Methoden-Kombination zwar praktisch umsetzbar, so Biada, vor einer großflächigen Anwendung im ackerbaulichen Alltag fehlten jedoch noch gesicherte Daten zu den Ackerwildkräutern. Nach den drei Versuchsjahren komme nun die Phase der „Abrechnung“, führte die IPZ-Leiterin weiter aus. Die erhobenen Daten müssen gesichtet und eine Kosten-Nutzen-Bilanz für das Projekt gezogen werden.

Damit das Projekt jedoch auch bei einer positiven Bilanz in die finale Beratung gehen kann, ist es vor Allem für den Start wichtig derartige Forschungsprojekte mit der Landwirtschaft und dem Naturschutz gemeinsam durchzuführen und dabei in den Austausch zu kommen. Man muss bedenken, dass Ackerwildkräuter standortspezifisch sind und auch nicht in jeder Kultur gleich einfach zu etablieren.

Text: Lena Reichmeyer, DLG-Fachzentrum Landwirtschaft