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Autor:

Dr. Rüdiger Fuhrmann

Leiter Agrar-Banking NORD/LB,
Vorsitzender DLG-Arbeitsgruppe Banken und Versicherungen

Die Internationalisierung und Liberalisierung der Agrarmärkte hat die landwirtschaftlichen Unternehmen in den letzten 10 Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Preisveränderungen in Jahresfristen von 100 % und mehr sind mittlerweile keine Ausnahme mehr.

Alle Versuche, über Marktbeobachtungen und Analysen belastbare Zukunftseinschätzungen zu gewinnen, scheitern aufgrund vielfältiger, nicht kalkulierbarer Einflussfaktoren auf den globalen Märkten. Nicht nur unvorhersehbare Witterungsverläufe wirken auf die Märkte. Auch andere Rohstoffmärkte, Energiemärkte, Wechselkurse oder auch Politikentscheidungen haben direkten oder indirekten Einfluss auf die Agrarmärkte.

Langjährige Durchschnittspreise können zwar noch Maßstab für Investitionskalküle sein. Doch wenn ein Investitionsstart mit einem Preistief zusammenfällt, kann eine eigentlich rentierliche Investition schnell existenzgefährdende Ausmaße annehmen. Aktive Liquiditätssteuerung und entsprechende Vorplanungen sind das Gebot der Stunde. Hierbei gilt es, unter Einbeziehung von Risikoparametern wie Witterung und Preis die Liquiditäts­situation des Unternehmens so zu steuern, dass eine jederzeitige Zahlungsfähigkeit gegeben ist.

Dies ist insbesondere für milcherzeugende Betriebe eine besondere Herausforderung:

  1. Milcherzeugende Unternehmen haben nicht die Möglichkeit, ihr Hauptprodukt Milch temporär einzulagern und somit auf spezifische Marktlagen zu reagieren. Was produziert wird, muss kurzfristig vermarktet werden.
  2. Mengenreaktionen der Erzeuger auf veränderte Marktlagen sind in der Milchproduktion nur begrenzt möglich. Einen gut produzierenden Bestand in Zeiten von Preistiefs zu reduzieren, um ihn dann bei steigenden Preisen wieder aufzubauen dauert i.d.R. zu lange und ist zu teuer.
  3. Es werden (noch) kaum Vertragsmodelle von Molkereien angeboten, die Preisfestschreibungen oder vereinbarte Preiskorridore über Jahreszeiträume ermöglichen.

Gerade die letzten Jahre mit vergleichsweise starker Investitionstätigkeit in Milchviehbetrieben einerseits und einer lang anhaltenden Marktschwäche andererseits haben gezeigt, dass als Kernelement einer Risikominderung der Aufbau eines Liquiditätspuffers notwendig und sinnvoll ist, die reale Marktlage dem Unternehmer jedoch nicht immer genügend Zeit dafür gibt.  Nach der Preisbaisse der Jahre 2015 und 2016 sowie den zum Teil ungünstigen Witterungsverhältnissen 2017 und 2018 konnten die geschwächten Unternehmen ihre Liquiditätspuffer kaum regenerieren. Doch gerade unter solchen Rahmenbedingungen ist eine liquiditätsbezogene Risikostrategie überlebenswichtig. Hier bietet sich die Minderung des Preisrisikos über Warenterminbörsen als ergänzendes Instrument an.

Seit 2010 stehen an der Leipziger Börse EEX Butter- und Magermilchfutures zur Preisabsicherung zur Verfügung. Die Preisabsicherung über diese Kontrakte ist jedoch für die meisten landwirtschaftlichen Betriebe nicht sinnvoll, da die näherungsweise Nachbildung der Milchinhaltsstoffe über Butter- und Magermilchkontrakte zu große Mindestabsicherungsmengen erfordern und die Korrelation dieser Kontraktkombination zu dem eigenen Milchpreis für viele Betriebe zu gering ist. Seit August 2018 bietet die EEX nun zusätzlich einen Rohmilchfuture an, der mit 25.000 kg Mindestabsicherungsvolumen und einer hohen Korrelation zum realen Milchpreis ein gutes Produkt zur Milchpreissicherung für landwirtschaftliche Betriebe darstellt.

Die Implementierung im eigenen Unternehmen erfolgt auf Basis einer vorausschauenden Liquiditätsplanung, in der man unter Worst-Case-Szenarien abbilden kann, wie weit vorhandene Liquiditätspuffer und freie Kontokorrentlinien bei der Hausbank ausreichen, mögliche Preisschwächen ohne Gefährdung des Unternehmens zu überstehen. Sollten sich hierbei größere potentielle Liquiditätslücken zeigen, sind Maßnahmen zu etablieren, die geeignet sind, auch diese Risiken zu eliminieren, mindestens jedoch so weit wie möglich zu reduzieren. Hier bietet sich die Preissicherung über den Rohmilchfuture an. Die Betonung liegt hierbei auf Preissicherung, nicht auf Preismaximierung. 

Hier liegt eine psychologische Hürde, die man sich bewusst machen muss. Häufig wird der richtige Absicherungszeitpunkt verpasst, weil man die Befürchtung hegt, an möglichen Preissteigerungen nicht partizipieren zu können. Maßstab muss daher die in der aufgestellten Vorplanung erkannte potentielle Liquiditätslücke sein. Reicht das aktuell abzusichernde Preisniveau aus, um es zur Absicherung des Worst-Case-Szenarios zu nutzen? In der Regel wird man dafür nicht die gesamte Produktionsmenge preislich absichern, sondern nur einen Teil. So kann man die Minderung von Liquiditätsrisiken und die Chance auf positive Preisentwicklungen kombinieren. Aus Finanzierungssicht hat ein aktives Risikomanagement in der beschriebenen Form zwei entscheidende Vorteile:

  1. Die Konzeption und Anwendung einer vorausschauenden Liquiditätssicherungsstrategie zeugen von hoher unternehmerischer Kompetenz. Nicht reagieren, sondern aktiv vorausdenken sowie mögliche Probleme frühzeitig erkennen und lösen. Solche Unternehmereigenschaften werden in Ratingverfahren entsprechend positiv gewertet und schaffen Vertrauen in der Geschäftsbeziehung zur Bank. 
  2. Die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich in Liquiditätskrisen zu kommen, wird deutlich vermindert. Jede Liquiditätskrise ist – unabhängig vom auslösenden Grund – eine Störung der Vertragsbeziehung zwischen Kreditnehmer und Bank. Dies geht häufig einher mit einer Verschlechterung des Ratings und entsprechenden Hemmnissen/Kosten für die zukünftige Fremdkapitalbeschaffung. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren die aufsichtsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben für Banken im Umgang mit „Problemengagements“ deutlich verschärft wurden. Das schränkt ggf. hilfreiche pragmatische Lösungen, wie man sie vielleicht aus vergangenen Zeiten kennt, deutlich ein.

Man ist also gut beraten, der Liquiditätssteuerung und -sicherung viel Aufmerksamkeit zu widmen. Die Instrumente hierfür stehen zur Verfügung. Preissicherung über die Warenterminbörsen ist ein wichtiger Baustein hierfür. 

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Kontakt

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