"Es zeigt sich immer wieder, wie wichtig eine gute Vernetzung ist“
Petra Bentkämper ist in Bielefeld geboren und aufgewachsen. Nach einer Ausbildung zur Industriekauffrau arbeitete sie zunächst in diesem Beruf. Seit knapp 30 Jahren bewirtschaftet sie mit ihrem Ehemann einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb mit Milchviehhaltung. Sie ist Mutter von vier Kindern. In den 1990er Jahren bildete sie sich als Gästeführerin und Agrarbürofachfrau weiter. Bentkämper ist seit 2019 Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes. Außerdem arbeitet sie im Sachverständigenrat Ländliche Entwicklung des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und im DLG-Gesamtausschuss und DLG-Ausschuss Entwicklung ländlicher Räume. Seit 2020 vertritt sie den Deutschen LandFrauenverband in der von der Bundesregierung eingesetzten Zukunftskommission Landwirtschaft.
Frau Bentkämper, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Petra Bentkämper: Ich selbst komme ursprünglich nicht aus der Landwirtschaft. Seit 1992 bewirtschaften mein Mann und ich unseren Milchviehbetrieb. Hier leben wir mit vier Generationen auf dem Betrieb. Seit 25 Jahren bin ich aktive LandFrau, im LandFrauenverband bin ich seit 2003 ehrenamtlich tätig. Zurzeit bin ich Vizepräsidentin im Westfälisch-Lippischen LandFrauenverband und seit Juli 2019 Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes.
Das klingt sehr vielseitig und umfangreich. Haben Sie denn noch Zeit, sich auf dem landwirtschaftlichen Betrieb einzubringen?
Bentkämper: Die ehrenamtliche Präsidentschaft ist ein Fulltime-Job, was meine Verfügbarkeit und Mitarbeit auf dem eigenen Betrieb stark reduziert. Üblicherweise ist mein Ehrenamt mit einer großen Reisetätigkeit verbunden, seit Corona spielt sich fast alles in meinem heimischen Büro ab. Allerdings nicht weniger zeitaufwändig, daher sind meine Ressourcen für Familie, Hobby und Freizeit durchaus begrenzt.
Umso mehr genieße ich diese Momente, ob die familiären Treffen mit den Kindern und der großen Enkelkinderschar, die Fahrradtouren im Freundeskreis oder Kulturveranstaltungen. Auch bei der Gartenarbeit kann ich gut abschalten. Vieles davon ist pandemiebedingt momentan nicht machbar, aber ich bin zuversichtlich, dass wir Stück für Stück wieder dahin kommen werden.
Was fasziniert Sie an der LandFrauenarbeit?
Bentkämper: Am LandFrauenverband habe ich von Anfang an die tolle Gemeinschaft, das breit gefächerte Veranstaltungsprogramm und vor allem die hervorragenden Bildungsmöglichkeiten geschätzt. Ob Persönlichkeitsbildung, Agrarbürofachfrauenlehrgang oder später dann auch die Qualifizierungsschulungen für die ehrenamtlichen Tätigkeiten, all diese Chancen habe ich mit Freude genutzt.
Daraus entstand dann auch der Wunsch, sich aktiv ins Verbandsleben einzubringen und das soziale und politische Leben in unseren ländlichen Räumen mitzugestalten. Gemeinsam im Vorstand Ideen zu entwickeln und neue Wege zu gehen, sich stark zu machen für Belange von Frauen und ihren Familien - das ist es, was mich bis heute antreibt.
Was sind denn aktuelle Schwerpunkte in der LandFrauenarbeit?
Bentkämper: LandFrauen gestalten aktiv die Gegenwart, holen sich Anregungen aus der Vergangenheit und machen sich stark für zukünftige Generationen. Das zeigt, dass sich die LandFrauenarbeit in einem stetigen Wandel befindet.
Die Covid-19-Pandemie hat unser Verbandsleben komplett auf den Kopf gestellt. Wir machen erhebliche Schritte im Bereich der Digitalisierung, was ohne die Coronakrise ehrlich gesagt sehr viel weniger dynamisch vonstatten gehen würde. Dazu bedarf es der entsprechenden digitalen Infrastruktur, aber auch der notwendigen Bildung, damit wir alle Menschen mitnehmen.
Viele Themen, die uns vor 30 Jahren schon umgetrieben haben, stehen noch immer auf unserer Agenda. Es gibt leider noch immer viel zu wenige Frauen in politischen und gesellschaftlichen Gremien. Wir ermutigen unsere LandFrauen vehement, hier Verantwortung zu übernehmen, denn wir können uns nicht darauf verlassen, dass Männer unsere Interessen vertreten.
Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit gilt dem Schutz und der Förderung unserer Demokratie. Die Grenzen des Sagbaren haben sich im realen und digitalen Leben deutlich verschoben. Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Religion herabgewürdigt. Das bedarf eines entschlossenen Vorgehens und einer klaren Haltung.
Mit ganz vielfältigen Maßnahmen sind wir hier unterwegs, ob online Schulungen im Umgang mit Populismus, Argumentationsratgeber oder Haltung und „Gesicht zeigen“ in den sozialen Medien. Es kommt auf jede und jeden von uns an. Allerdings ist auch die Politik gefordert, mit Rahmenbedingungen wie zum Beispiel der Errichtung eines Demokratiefördergesetzes zur Stärkung unserer Demokratie beizutragen.
Ist LandFrauen-Arbeit denn auch international?
Bentkämper: Die Wurzeln unseres Verbandes liegen in der Landwirtschaft, ihr Stellenwert in unserer Arbeit ist hoch. Aber wir engagieren uns nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international wie zum Beispiel in Ghana. Die Stärkung der Frauen in diesem westafrikanischen Land in den Bereichen Ernährungsbildung, wirtschaftliche Förderung, Verbandsentwicklung und Interessenvertretung sind die Schwerpunkte. Ziel des Projektes ist es, eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft voranzubringen. Dieses Ziel verfolgen wir auch in Deutschland.
Sie arbeiten in der Zukunftskommission Landwirtschaft mit: Welche Ziele und Inhalte sollten Ihrer Meinung nach im Gesellschaftsvertrag stehen?
Bentkämper: Landwirtinnen und Landwirte brauchen verlässliche politische Rahmenbedingungen sowie ökonomische Stabilität, um ihre Betriebe auf die Ansprüche der Zukunft ausrichten zu können. Für eine gesellschaftlich akzeptierte Landwirtschaft müssen konkrete, langfristige Zielbilder entwickelt werden. Ein dauerhafter und transparenter Erzeuger-Verbraucher-Dialog gehört unbedingt dazu. Erstrebenswert ist eine Landwirtschaft, deren Vielfalt und Diversifizierung es ermöglicht, ohne ständigen Wachstumsdruck zu wirtschaften.
Politische Auflagen gilt es fundiert wissenschaftlich in den Folgen abzuschätzen. Der Ausbau der Agrarforschung und der Einsatz neuester Technologien kann sicherlich ein Beitrag zur Bewältigung aktueller ökologischer Herausforderungen sein.
In der Zukunftskommission muss es uns gelingen, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen als gleichwertig anzuerkennen, um gemeinsame Empfehlungen und Vorschläge für die zukünftige Landwirtschaft zu entwickeln.
Was hat Sie dazu bewogen, Mitglied in der DLG zu werden?
Bentkämper: Mein Kontakt zur DLG entstand über die Wahl in den Ausschuss „Entwicklung ländlicher Räume“. Hier gibt es viele Parallelen zu den Themen in unserer Verbandsarbeit und auch der Austausch mit den Ausschussmitgliedern ist bereichernd. Es zeigt sich immer wieder, wie wichtig eine gute Vernetzung ist. Danach folgte sehr schnell der Schritt zur Mitgliedschaft in der DLG.
Sie haben ja an der DLG-Veranstaltung EuroTier digital teilgenommen, die gerade stattfand. Wie haben Sie die Messe erlebt?
Bentkämper: Mit einer großen Wanderausstellung wollten wir mit unserem dlv-Projekt „LandFrauenGuides-Verbraucherinfos aufs Land gebracht" 2020 und 2021 auf allen großen Messen in Deutschland unterwegs sein. Leider kam das pandemiebedingt nicht zustande, digitale Beteiligungsmöglichkeiten wurden meist nicht angeboten.
Dass es digital funktionieren kann, hat die DLG mit der EuroTier aber beeindruckend gezeigt. Information, Austausch und Vernetzung wurden mit einer großen Vielzahl und Vielfalt von Fachveranstaltungen ermöglicht. Die fehlenden persönlichen Kontakte können wir hoffentlich bei der nächsten EuroTier nachholen.
Wie ist Ihre sonstige Erfahrung mit der DLG?
Bentkämper: Die Zusammenarbeit mit der DLG erlebe ich als wertschätzend und kooperativ. Ich habe mich sehr über die Unterstützung gefreut, die der Deutsche LandFrauenverband unlängst erfahren hat, als es um die Mithilfe bei der Bewerbung unserer Online-Befragung zur Studie der Situation von Frauen in der Landwirtschaft ging. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank und der Link zur Umfrage: www.frauenlebenlandwirtschaft.de/uc/2020
Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin, Winsen (Aller).