Schwarzsehen ist nicht angebracht
Peter Seeger über die Schweineproduktion in Deutschland
Die Schweinehaltung ist durch viele schwere Monate gegangen. Der Schweinestau durch Corona und die Auswirkungen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) haben den Schweinemarkt stark belastet. Viele Betriebe haben die Tierhaltung eingestellt, sodass nun die Schweine wieder knapp werden könnten. Das wirkliche Ausmaß der Bestandsreduktionen wird man erst in den Viehzählungen im Mai abschätzen können.
Nach dem Boom der Schweinehaltung der letzten 20 Jahre mit immer effizienterer Produktion – auch für den Weltmarkt – verändert sich gegenwärtig das Selbstverständnis der deutschen Schweinehalter, auch verstärkt durch die ASP. Es ist ihnen bewusst, dass die von der Gesellschaft geforderten Haltungsstandards auf dem Weltmarkt kaum einen Abnehmer finden werden. Selbst im Inland ist die Bereitschaft freiwillig mehr Geld für Fleisch auszugeben eher gering.
Deswegen ist besonders die Initiative Tierwohl zu erwähnen, die es geschafft hat, in der gesamten Breite der deutschen Tierhaltung mehr Tierwohl in den Ställen umzusetzen. Ab diesem Sommer werden bei über einem Drittel der deutschen Schweineproduktion leicht höhere Standards erreicht als es der Gesetzgeber verlangt. Hierbei hat sich gezeigt, dass ein großer Teil Schweinehalter bereit sind, mehr Tierwohl schon in bestehenden Ställen umzusetzen, wenn sie die Mehrkosten erstattet bekommen. Die Mehrkosten von langfristig 5,28 Euro werden vom Lebensmitteleinzelhandel (LEH) freiwillig getragen.
Doch auch eine Veränderung des Verbraucherverhaltens ist möglich. Beim „Männergrillen“ am Samstagabend ist ein gutes Stück Fleisch mittlerweile wichtig und darf gerne auch teuer sein. Immer mehr Lebensmitteleinzelhändler versuchen, sich mit regionalen Tierwohlprogrammen von den Konkurrenten abzuheben. Dies bietet die Chance für den unternehmerischen Landwirt, den Abnehmer nicht mehr als notwendiges Übel, sondern erstmals als Partner anzusehen. Nur durch eine aktive Platzierung im LEH kann sich mehr Tierwohl auf breiter Ebene etablieren. Der Vorteil der Landwirte liegt auf der Hand: Regionale Produkte kann man nicht importieren und somit ist man nicht austauschbar.
Parallel hat auch die Politik über die Borchert-Kommission einen langfristigen Umbau der Schweinehaltung hin zu mehr Tierwohl in den Fokus genommen. Diese, von breitem politischen Konsens getragene Initiative, zeigt zum ersten Mal neben den Anforderungen der Gesellschaft auch die entstehenden Kosten auf. Diese Mehrkosten sind, auch im europäischen Vergleich, enorm und es muss ein schlauer Weg gefunden werden, sie langfristig zu decken. Bei Investitionen in Stallgebäude sind Schweinehalter anders als im Ackerbau über 25 Jahre an ihre Gebäude gebunden. Wir können gespannt sein auf die Ergebnisse dieser Kommission.