In die Zukunftsfähigkeit investieren
Hubertus Paetow zu den Lehren aus der Corona-Pandemie
Zu keinem Zeitpunkt in der Corona-Pandemie bestand die Gefahr, dass die global vernetzte Agrarwirtschaft ihr vornehmliches Ziel, nämlich die Herstellung und Verteilung von ausreichend gesunden Lebensmitteln, nicht mehr erfüllen konnte.
Landwirtschaft ist im besten Sinne systemrelevant, sie trägt unter allen Bedingungen ihren Teil zum Funktionieren unseres Zusammenlebens bei.
Wesentlich stärker haben die Einschränkungen durch die Pandemie unsere DLG getroffen. Während wir auf den Betrieben einigermaßen unbehelligt unserer Arbeit nachgehen konnten, ist der persönliche Austausch über Fortschritt und Wissen fast völlig zum Erliegen gekommen. Keine Ausschusstreffen, keine große Lebensmittelprüfung und auch kein Informationsaustausch mit den benachbarten Branchen auf Ausstellungen oder Feldtagen konnten in den letzten Monaten stattfinden.
Natürlich versuchen wir alle Möglichkeiten zu nutzen, trotzdem in Kontakt zu bleiben. Die Videokonferenz ist für viele der neue Arbeitsalltag, sei es für die Schüler oder eben auch unsere Fachcommunity.
Und sicher ist das digitale Format auch von Vorteil, wenn es darum geht, schnell und unkompliziert zusammenzukommen und gemeinsam ein Thema zu bearbeiten. Aber spätestens, wenn es in der Diskussion kompliziert und konfliktträchtig wird oder wenn bei der Information über eine Landmaschine auch der physische Eindruck eine Rolle spielt, stößt das Videoformat an seine Grenzen.
Eine Lehre aus den Beschränkungen der Pandemie können wir also schon einmal festhalten:
Digitale Werkzeuge und Kommunikationsformate werden in Zukunft die persönlichen Kontakte ergänzen und verbessern, aber in keinem Fall ersetzen können. Und dies gilt für Messen und Veranstaltungen ebenso wie für unseren Austausch im Fachnetzwerk DLG. Ein schnell einberufenes digitales Ausschusstreffen, um ein aktuelles Thema zu bearbeiten, das ist ein Fortschritt für unsere DLG-Arbeit.
Eine zweite Lehre können wir aus der Pandemie ziehen, und die betrifft unsere Gesellschaft und ihre Organisation:
Sicher haben wir die Krankheit im Vergleich zu anderen Ländern bisher halbwegs gut überstanden. Die Pandemie hat aber auch gezeigt, dass wir in unserer Gesellschaft bei der Fähigkeit, im Zusammenspiel von Politik und Administration Herausforderungen zu meistern, im besten Fall mittelmäßig sind.
Beschaffung und Organisation der Impfung, Lockdown, Bildung auf Distanz, Kulturförderung etc. Viel zu oft verheddern wir uns im Klein-Klein einer endlosen Diskussion über formale Prozesse.
Diese Erfahrung sollten wir auch berücksichtigen, wenn wir über die Weiterentwicklung unserer Land- und Lebensmittelwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit diskutieren.
Der Schutz von Umwelt und Artenvielfalt sind ohne Zweifel wichtige gesellschaftliche Ziele, denen sich die Landwirtschaft stellen muss. Aber bei der aktuellen Diskussion über das Insektenschutzgesetz fühlt man sich schon an die Impfstoffbeschaffung erinnert. Ob man tatsächlich die Bienen auf dem Verordnungswege retten kann oder ob die Tiere es doch lieber sehen würden, wenn sich ihr Landwirt vor Ort ganz konkrete Gedanken um passgenaue Maßnahmen zur Steigerung ihres Wohlbefindens macht, sei einmal dahingestellt.
Ich halte es jedenfalls für eine viel bessere Idee, wenn wir uns zusammen aufmachen, als Agrarsektor, allen zu zeigen, dass man im 21. Jahrhundert gesellschaftliche Herausforderungen auch anders angehen kann als durch Gesetze und Verordnungen. Wir sollten überall da, wo es machbar scheint, in die Zukunftsfähigkeit der Betriebe investieren.
Die Borchert-Kommission hat gezeigt, dass es zur Finanzierung der neuen Anforderungen an Tierwohlstandards sehr wohl einen Konsens über eine faire Lastenverteilung zwischen Gesellschaft und Landwirten geben kann.
Und auch die Zukunftskommission zur Landwirtschaft kann dazu beitragen, uns auf den Betrieben eine dringend erforderliche Perspektive zu geben, dass dieser Konsens über Aufgaben und Finanzierung unserer Zukunftsbetriebe breit und verlässlich besteht.