„Wir haben nie an Arbeitskräften gespart“
Oke und Eike Steensen führen einen landwirtschaftlichen Betrieb in Cismarfelde bei Grömitz, nahe der Ostseeküste in Schleswig-Holstein. Zusammen mit einigen Angestellten bewirtschaften sie einen Milchviehbetrieb mit 100 Kühen, 200 ha Ackerbau und eine Biogasanlage mit 500 kW. Der Strom wird ins Stromnetz eingespeist und mit der Prozesswärme werden die umliegenden Wohnhäuser, Schweineställe, das eigene Wohnhaus und das Gewächshaus sowie der Folientunnel beheizt.
Ein Drittel des Daches des Gewächshauses besteht aus Photovoltaikplatten. Dieser Strom wird bei Sonnenschein direkt verbraucht und die überschüssige Menge wird ins Netz des Energieversorgers eingespeist.
Im Gewächshaus werden Tomaten erzeugt. Sowohl die Milch als auch die Tomatenprodukte werden direkt vermarktet, ein Teil der Milch über eine Milchtankstelle, weitere Milchprodukte wie Käse und auch Tomatensugo und Tomatenchutney über den Regiomat, einen Selbstbedienungs-Verkaufsautomaten.
Oke Steensen ist gelernter Landwirt und hat danach die Höhere Landbauschule besucht. Seine Frau Eike hat zwei Ausbildungen zur Landwirtschaftlich-Technischen Assistentin und zur ländlichen Hauswirtschaftsleiterin absolviert.
Herr Steensen, Ihr Betrieb ist ja recht vielseitig. Welche Strategie verfolgen Sie?
Oke Steensen: Meine Philosophie aus unternehmerischer Sicht ist „Breit aufstellen, Chancen nutzen, in regenerative Energien einsteigen und allen Beteiligten den Raum für eigene Verwirklichung geben.“ Bei uns bedeutete das, dass meine Frau nach 15 Jahren der Familienzeit ihre Idee der Direktvermarktung verwirklichen konnte. Dieser Betriebszweig hat sich inzwischen so gut entwickelt, dass wir inzwischen andere Hofläden beliefern können.
Eine weitere Strategie von mir ist auch, dass ich Wert auf gute Nachbarschaft lege. Wir setzen zum Beispiel in der Biogas-Substratversorgung komplett auf den Zukauf und produzieren den Mais dafür nicht selber. Das hat den Grund, dass ich mit meinen Berufskollegen auch weiterhin gut auskommen möchte und nicht als „böser Biogasanlagenbetreiber“ die Pachtpreise hochtreibe.
Haben Sie denn die betriebliche Entwicklung streng nach Plan verfolgt?
Steensen: Wenn man es genau nimmt, haben wir noch nie einen Fünfjahresplan gehabt, meist bewegten sich die Planungen eher im Dreijahresbereich. So sind auch, ob man es glaubt oder nicht, der Solarpark, die Direktvermarktung und die Biogasanlage entstanden. Bei letzterer gab es durch das EEG allerdings noch gesicherte Einnahmen. Wir haben sozusagen öfter den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Das hat geklappt, weil wir mit der Bank gesprochen, die richtige Technik und die notwendige Portion Glück hatten.
Natürlich, es hätte auch mal etwas schief gehen können. Aber vielleicht ist auch einer der Gründe für den Erfolg, dass wir immer darauf geachtet haben, dass alle Betriebszweige so groß sind, dass ein Verantwortlicher eingestellt werden könnte. Wir haben von vorneherein nie an Fremd-Arbeitskräften gespart und haben zum Beispiel auch immer einen Melker gehabt. Sicherlich haben uns bei diesen betrieblichen Entscheidungen auch immer die bus-Kurse der Andreas-Hermes-Akademie beeinflusst, die meine Frau und ich belegt haben. Die haben uns weit gebracht.
Wie hat sich denn das vergangene Jahr mit der Corona-Pandemie auf die Direktvermarktung ausgewirkt?
Steensen: Ganz ehrlich, die Corona-Pandemie hat einen Schub in der Direktvermarktung gebracht. Wir haben ein Umsatzplus gemacht und das Interesse der Menschen an den Lebensmitteln aus der Region ist gestiegen. Ob das allerdings konstant so bleibt, das ist eine gute Frage. Ich befürchte eher, dass mit der Rückkehr zur „normalen Arbeit“ auch wieder das gewohnte Einkaufsverhalten im Supermarkt zunimmt. Sicher ist, wenn man Direktvermarktung betreibt, dann muss man es ordentlich machen. Wir haben schon einige Milchtankstellen-Anbieter wieder aufhören sehen. Man muss ein breites Sortiment haben und auch Spezialitäten anbieten.
Neben unserem Käse und unserer Milch bieten wir beispielsweise Eier und Kartoffeln von befreundeten Betrieben an. Wir produzieren acht verschiedene Snacktomaten von gelb über rot bis dunkel violett in der Farbe zum Naschen, drei bis vier verschieden Salattomaten, und wir veredeln die Tomaten zu Chutney und Pesto. Daneben bieten wir ein Zwiebel-Paprika Relish als Brotaufstrich oder zu Käse an, backen Kekse und Julebrot sowie unseren „Proteinboller“, ein Brötchen mit Leinmehl, pressen Raps und Leinsaat zu Raps- und Leinöl und demnächst produzieren wir noch Kürbiskernöl.
Wie geht es weiter auf Ihrem Betrieb, was bringt die Zukunft?
Steensen: Man muss als Landwirt immer schauen, dass man genügend Ausgleich zum Betrieb hat. Ich laufe zum Beispiel gern auf Volksläufen. Zehn Jahre lang war ich beim Maschinenring aktiv und eine Periode beim Kirchenvorstand. Meine Frau spielt Tennis, hat eine Kartenrunde und ist in der Gemeindepolitik aktiv. Wir bewirtschaften einen Teil unseres Betriebes als Pachtbetrieb, der in den nächsten Jahren auslaufen wird. Auf jeden Fall wollen wir zukünftig die Direktvermarktung weiter ausbauen.
Zwei unserer Kinder haben Landwirtschaft gelernt oder sind noch dabei, so dass es durchaus denkbar ist, dass sie in einer Form auf dem Betrieb einsteigen. Uns war es immer wichtig, den Kindern die Perspektiven zeigen und den Weg offen zu lassen. Sie mussten zwar auf dem Betrieb mithelfen und auch Stalldienst machen und Verantwortung übernehmen, aber es sollte auch immer Spaß machen. So musste der gemeinsame Urlaub immer sein, einmal im Jahr ging es gemeinsam zum Skifahren.
Wir stellen gerade schon wieder ein paar Weichen und bauen einen Resthof wieder zu einer Hofstelle um. Dort können zukünftig zum Beispiel Ferienwohnungen oder die Direktvermarktung ausgebaut werden. Es bleibt also spannend.
Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin aus Winsen (Aller)