Selbstbewusst, selbstkritisch und unverzichtbar!
Jörg Claus zur Zukunft der konventionellen Landwirtschaft
Vor wenigen Wochen entwarf Gunther Lötzke, der Vorsitzende des DLG-Ausschusses für Ökolandbau an dieser Stelle eine zutreffende Einordnung zur Entwicklung des Ökolandbaus und beschreibt seine positive Zukunftserwartung für dieses Landwirtschaftssegment.
Als bekennender konventioneller Landwirt frage ich mich, ob ich irgendwas verpasst habe. Übersehe ich einen wichtigen Trend, gibt es nur diesen Weg und bin ich als einer der 90 Prozent konventionellen Landwirte in einer Sackgasse unterwegs?
Nein, das bin ich nicht. Das sehe ich, wenn ich den Fragenraum etwas ausdehne. Warum wurde der Ökologische Landbau bislang so massiv aus öffentlicher Hand gefördert? Lässt sich dieses Subventionsniveau, das deutlich höher ist als im konventionellen Landbau, auch in nachpandemischen Zeiten, bei knapperen Haushalten durchhalten? Warum stellt die öffentliche Hand dem Ökolandbau so viel Geld zur Verfügung? Mit 20 Prozent Ökolandbau soll in erster Linie der Artenverlust gestoppt und die Feldfluren wieder bunter werden.
Es ist unstrittig, dass wir Landwirte, insbesondere wir konventionellen, bei der Biodiversität eine Baustelle haben. Hier müssen wir zügig besser werden und das auch aus eigenem Antrieb. Es mangelt manchmal an der Umsetzung. Einerseits ist bei vielen von uns die innere Bereitschaft für mehr Arten- und Umweltschutz vorhanden, aber hier können wir noch deutlich zulegen. Das würde unterstützt durch eine ökonomische Anreizkomponente für Umweltleistungen, die über den Verlustausgleich hinausgeht und zwar systemübergreifend.
Der Instrumentenkoffer ist reich bestückt, die Herausforderung besteht darin, die richtigen Instrumente auszuwählen und in die bestehenden Anbauverfahren einzupassen. Je nach Agrarraum heißen die Lösungen: Blühstreifen, Bienenweide, Kiebitzfenster, Biotopvernetzung, produktionsintegrierte Verfahren etc. Das Zauberwort heißt auch hier: Machen! Die Erfolge solcher Maßnahmen lassen sich dokumentieren, sie sind wissenschaftlich erprobt und sie können - neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend - leicht im Betrieb angepasst werden.
Ich bin überzeugt, dass zielgerichtete Umweltmaßnahmen auf beispielsweise 5 Prozent der Flächen einen sichtbaren Beitrag zur Verbesserung der ökologischen Situation bewirken, und wir uns damit als konventionelle Landwirte auch in der gesamtgesellschaftlichen Debatte ein anderes „Standing“ erarbeiten.
Wir haben viele weitere Baustellen. Wie ersetzen wir Glyphosat und die anderen Wirkstoffe, die eher über kurz als lang ihre Zulassung verlieren? Welche Chancen bieten uns neue Züchtungsmethoden, und wie kommunizieren wir das in die Gesellschaft? Wie bekommen wir beim Rechts- und Auflagenrahmen, mit dem wir uns mit anschwellender Intensität plagen müssen eine bessere Orientierung an wissenschaftlichen Fakten hin? Die Ausweisung der „Roten Gebiete“, in ihrer Logik mitunter schwer nachvollziehbar, stellt uns vor erhebliche pflanzenbauliche Herausforderungen.
Wir bemerken aber auch, Druck erzeugt Kreativität, und daraus entstehen Innovationen. Sie entstehen in den Betrieben in Form erweiterter Fruchtfolgen, wiederentdeckter und neu eingeführter Kulturen. Sie entstehen in neuen Wertschöpfungsketten über den Handel bis zum Lebensmitteleinzelhandel, besser noch bis zum Verbraucher.
Die Digitalisierung und die KI bieten neue Chancen, ressourceneffizienter zu wirtschaften und Betriebsmittel sparsamer einzusetzen. Dieser Veränderungsprozess ist sicherlich die größte Herausforderung der letzten Jahrzehnte.
Wir sind die Handelnden, das dürfen wir uns von niemandem abnehmen lassen. Wir müssen den Veränderungsprozess mit guten Fragen begleiten, unser Tun immer wieder erklären und neue Allianzen eingehen.
In diesem Sinne verstehe ich den Ansatz von Gunther Lötzke. Der Ökolandbau hat viel richtig gemacht, gut das wir ihn als wachsendes Segment haben. Und umso besser, dass wir konventionellen unserem Namen immer mehr Ehre machen und eine Konvention formieren. Eine Konvention, eine gesellschaftliche Übereinkunft über die Organisation und Durchführung einer selbstbewussten, selbstkritischen und unverzichtbaren Landwirtschaft!