Veränderte Vorzeichen
Bernhard Chilla zum Getreidemarkt 2021/22
Das Wirtschaftsjahr 2020/21 in der EU (inkl. dem Vereinigten Königreich) war zu einem Teil durch ein unterdurchschnittliches Weizen- und Maisangebot beeinflusst, das durch hohe witterungsbedingte Ertragsverluste in Frankreich, Rumänien, Bulgarien und England ausgelöst wurde.
Der andere Teil des Preisanstieges war der hohen internationalen Getreidenachfrage geschuldet. China stieg über Nacht zum größten Getreideimporteur der Welt auf und deckte einen größeren Teil seines Getreidebedarfs aus Frankreich; Deutschland darf weiterhin kein Getreide nach China exportieren, da kein phytosanitäres Abkommen vorliegt.
Somit schmolz der Exportüberschuss in Frankreich zusätzlich. Von dem knappen Getreideangebot in Frankreich profitierte insbesondere der deutsche Getreidemarkt. Die Ausfuhren von Weizen und Gerste in die Nachbarstaaten stiegen überdurchschnittlich stark an. England importierte so viel Weizen aus Deutschland wie zuletzt im Wirtschaftsjahr 2012/13. Auch die Benelux-Staaten führten deutlich mehr Getreide als in den Vorjahren ein.
Nun stellt sich die Frage, ob sich dieser Trend für den deutschen Getreidemarkt auch im kommenden Wirtschaftsjahr so fortsetzt. Die Vorzeichen haben sich im April 2021 im Vergleich zum Vorjahr etwas verändert. In Frankreich, in Rumänien, England oder auch in Deutschland wächst aktuell eine bessere Ernte als im Vorjahr heran. In der Ukraine und auch in Russland haben sich die Ernteaussichten in den vergangenen Wochen weiter verbessert. In Frankreich herrscht zwar eine relativ trockene Wetterlage vor, jedoch fehlt dem Getreidemarkt aktuell die richtige Wettergeschichte, die die Marktteilnehmer nervös macht.
Doch man darf nicht vergessen: Bis zur Ernte ist immer noch ein weiter Weg zu gehen. Hohe Ertragsverluste dürfen sich die Getreidemärkte in der EU und weltweit bei der derzeitigen Angebots- sowie der internationalen Nachfragesituation nicht erlauben.
Somit bleiben die Agrarbörsen sehr anfällig für Sorgen zu etwaigen Ertragsverlusten in der kommenden Ernte. Doch derzeit steht die internationale Nachfrage stärker im Blickfeld als das Angebot. Die hohe Getreideimportnachfrage Chinas im laufenden Wirtschaftsjahr führt in den USA zum stärksten Abbau der Inlandsbestände seit dem Wirtschaftsjahr 2013/14. Mais wird in den internationalen Futtermischungen immer teurer – aus relativer Sicht im Vergleich zum Weizen.
Somit ist ein kleiner Trend für das Jahr 2021/22 erkennbar. Der Weizeneinsatz in den internationalen Futterrationen dürfte im Vergleich zu den beiden Jahren davor wieder deutlich steigen. Doch dieser Trend gilt nur, solange China seine Getreideeinfuhren hochhält. Ohne die Nachfrage Chinas steht weltweit mehr als ausreichend Getreide zur Verfügung.
Von einer erwartet hohen Nachfrage Chinas dürfte auch wieder der deutsche Getreidemarkt profitieren können. Frankreich würde wie im Vorjahr größere Mengen Weizen und Gerste nach China exportieren. Die daraus entstehende Angebotslücke in anderen EU-Staaten kann dann teilweise deutsches Getreide füllen und den Export hierzulande hochhalten.
Im deutschen Mischfutter sollte der Weizeneinsatz wieder zulegen und Gerste teilweise ersetzen. Ein Grund für den erwartet niedrigeren Gersteneinsatz dürfte sein, dass 2021 ein Gerstenangebot in der EU (plus Großbritannien) unter Vorjahr erwartet wird. Der Einsatz von Roggen im Mischfutter dürfte dagegen hoch bleiben, da die diesjährigen Ernteaussichten auf dem hohen Vorjahresniveau liegen.
Doch der Mischfuttermarkt in Deutschland wird tendenziell nicht wachsen. Ein Wachstumsmarkt dürfte im kommenden Wirtschaftsjahr in Deutschland der Stärkemarkt werden, wo zusätzlich Weizen vermarket werden kann.
Somit kann festgehalten werden: Wenn die internationale Nachfrage hoch bleibt und nicht in allen Exportländern weltweit absolute Rekorderträge eingefahren werden, steht für den deutschen Getreidemarkt wieder ein interessantes Wirtschaftsjahr vor der Tür.