Schutz vor Übergriffen
Uwe Feiler zum Wolfsmanagement
Deutschlands Wölfe sind in den sozialen Netzwerken mittlerweile fast täglich viral. Fast zur Normalität gehören Videos, in denen Wölfe am helllichten Tage durch Städte und Dörfer streifen. Ganz aktuell sorgt ein Video für Aufregung, in dem sich eine Spaziergängerin mit Hund und ein Wolf sehr nahekommen. Auf der anderen Seite wird mehr und mehr über durch den Straßenverkehr getötete Wölfe berichtet.
Wir wissen alle, welche Emotionen solche Bilder schüren. Genauso wie es Berichte über von Wölfen gerissene Tiere tun. Und wir wissen auch, wie zu dem Thema insbesondere in der Öffentlichkeit Stimmung gemacht wird. In die eine wie in die andere Richtung. Das wollen und sollten wir uns nicht zu eigen machen. Aber wir dürfen es auch nicht ignorieren. Denn dahinter stehen Unsicherheiten, oftmals Ängste – und viele offene Fragen, auf die wir Antworten brauchen.
Deshalb haben wir als Landwirtschaftsministerium Ende März in Eberswalde mit dem Bundeszentrum Weidetiere und Wolf eine Anlaufstelle zur Entschärfung der Konflikte insbesondere mit den Weidetierhaltern geschaffen. 300.000 Euro investieren wir in dieses Zentrum zur Lösungsfindung. Denn das ist der einzig gangbare Weg. Wir zählen in Deutschland zurzeit 128 Wolfsrudel. Zudem wurden 35 Wolfspaare und zehn territoriale Einzelwölfe registriert. Der Wolfsbestand unterliegt einer hohen Populationsdynamik: Er wächst um etwa 30 Prozent pro Jahr, er verdoppelt sich also alle drei bis vier Jahre.
Mit der Anzahl der Wölfe wächst die Zahl der gerissenen Weidetiere, wie Schafe, Ziegen, Kälber aber auch Fohlen. Wir können auch nicht verhindern, dass durch Wölfe Panik unter den Weidetieren ausbricht – mit allen damit einhergehenden Risiken: Ausbruch aus der Koppel und Gefährdung des Straßenverkehrs. Im Jahr 2019 wurden bei 887 Übergriffen rund 2.900 Nutztiere durch Wölfe gerissen oder verletzt. Mit technischen Maßnahmen zum Schutz vor Wolfsübergriffen können diese zwar vermindert, aber nicht immer verhindert werden. Übergriffe auf Schafe und Ziege überwiegen dabei deutlich. Diese Zahlen zeigen also den deutlichen Zielkonflikt zwischen Weidetierhaltung und Biodiversität.
Die Artenvielfalt ist ein hohes Gut. Zu der Artenvielfalt zählt in unserem Land auch wieder der Wolf. Dieses hohe Gut gilt es zu schützen. Aber genauso, wie der Wolf Anspruch auf Schutz hat, so haben es auch unsere Weidetiere. Wir brauchen sie für die Pflege und Erhalt unserer Kulturlandschaften. Sie erbringen damit wichtige öffentliche Leistungen. Darüber hinaus erfüllt die Weidetierhaltung zunehmend eine weitere Funktion: Sie ist unverzichtbar für eine nachhaltige und von der Gesellschaft akzeptierte Nutztierhaltung.
Das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf wird einen sehr wichtigen Beitrag dazu leisten, den Schutz von Weidetieren vor Wolfsübergriffen zu gewährleisten. Das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf wird an Punkten wie Präventionsmaßnahmen, dem Schadensausgleich, aber auch über die Entnahme als eine Maßnahme des Herdenschutzes arbeiten.
Wir haben, auch wenn hier vorrangig die Umweltseite gefordert ist, dafür zu sorgen, dass im ländlichen Raum die Akzeptanz für die Rückkehr des Wolfes nicht schwindet. Der Wolf darf seine Scheu vor Menschen nicht verlieren. Und er darf unsere Weiden nicht als einen reich gedeckten Tisch erleben. Wir sind sehr zuversichtlich, dass uns die Einrichtung unseres länderübergreifenden Zentrums hier einen großen Schritt voranbringt und insbesondere die Weidetierhalterinnen und -halter beim Herdenschutz unterstützt. Denn die Rückkehr des Wolfes darf nicht dazu führen, dass keine Weidetierhaltung in Deutschland mehr möglich ist.