„Seitdem sind wir eine eingeschworene Truppe“
Lena Johanna Hennig (34) hat eine Ausbildung zur Agrarbetriebswirtin absolviert. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann Andreas und dem gemeinsamen Sohn Ole auf dem Ritzelshof im Landkreis Fulda. Der landwirtschaftliche Betrieb umfasst Schweinemast, Ackerbau und Lohnarbeiten. Lena Johanna Hennig arbeitet beim Landwirtschaftsamt Main-Kinzig-Kreis in Teilzeit und beschäftigt sich schon länger mit der Öffentlichkeitsarbeit in und für die Landwirtschaft.
Frau Hennig, warum ist Ihnen das Thema landwirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit so wichtig?
Lena Johanna Hennig: Ich stamme nicht aus der Landwirtschaft, bin aber in einem landwirtschaftlich geprägten Umfeld groß geworden und habe durch die Liebe zur Natur die Leidenschaft zur Landwirtschaft für mich entdeckt. Am liebsten verbringe ich meine Zeit draußen auf unserem Hof und im Grünen. Seit 2015 beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema landwirtschaftliche Öffentlichkeitsarbeit. So kam es, dass ich Mitglied im Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit des Kreisbauernverbandes Fulda e.V. wurde und mich auch im Ausschuss Öffentlichkeitsarbeit der DLG engagiere.
Welche Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit setzen Sie auf Ihrem landwirtschaftlichen Betrieb ein?
Hennig: Schauen Sie gern ein einmal auf unsere Website www.baumgarten-ritzelshof.de! Das ist eines der Projekte, die ich zusammen mit meinem Mann umgesetzt habe. Er hatte schon sehr früh erkannt, dass Landwirtschaft heute weitaus mehr bedeutet, als sich nur um seine Tiere zu kümmern und aufs Feld zu fahren.
Mit der Aufgabe, dem Betrieb eine professionelle Außendarstellung zu verleihen, begann unser gemeinsamer Weg. Neben der Website und dem Logo verwenden wir ein typisches Geschäftspapier sowie Visitenkarten und entsprechend eine eigene Arbeitskleidung mit unserem Logo für uns und unsere Mitarbeiter. Die Website habe ich erstellt und dafür einige Fotos gemacht. Die Texte stammen aus der Feder meines Mannes und wurden von mir teilweise in einfach verständliche Sprache umformuliert. Bei der Erstellung des Logos haben wir uns professionelle Unterstützung geholt.
Die Website ist sehr informativ und umfangreich, kommuniziert aber nur in eine Richtung. Setzen Sie sich auch im Dialog in den sozialen Medien mit den Verbrauchern auseinander?
Hennig: Da haben wir uns bewusst dagegen entschieden. Wir sind mit unserem Betrieb nicht in den sozialen Medien unterwegs. Das war eine persönliche Entscheidung, und die muss jeder Betriebsleiter und jede Betriebsleiterin ganz individuell für sich treffen. Mit der Website geben wir nur das von uns und unserer Arbeit preis, was wir selbst bestimmen können und worüber wir den Überblick behalten. Für uns ist es wichtig, in unserem Umfeld einen „guten“ Eindruck zu hinterlassen, und dies tun wir auch mit ganz alltäglichen Benimmregeln, wie zum Beispiel sonntags nicht zu düngen oder zu spritzen und Anwohner rechtzeitig in Kenntnis über anstehende Maßnahmen zu setzen.
Ein weiteres interessantes Projekt von Ihnen ist die „Natur & Bauernhof KITA“. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Hennig: Auf unserem Hof entsteht in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ebersburg eine der hessenweit ersten „Natur & Bauernhof KITA“. Der Kitabetrieb startet ab Frühjahr 2022 für eine Gruppe im Alter von 3 bis 6 Jahren. Das Leben in der Natur und auf einem Bauernhof empfinden wir als Privileg. Kinder daran teilhaben zu lassen ist das Fundament unserer Idee. Sie sollen hier die Möglichkeit bekommen, ökologische Kreisläufe praktisch zu erlernen sowie die Lebensmittelerzeugung und in Teilen deren Verarbeitung zu erfahren. Die Umsorgung kleiner Nutztiere, wie zum Beispiel Hühner, rundet das Konzept ab.
Mit unserer Idee haben wir versucht, gleich mehrere Aspekte miteinander zu kombinieren. Zum einen sollte das ehemalige Auszugshäuschen auf unserem Hof nicht länger leer stehen und, zum anderen glauben wir fest daran, dass Kinder durch den täglichen Kontakt mit der Landwirtschaft mehr Verständnis dafür bekommen und diese wieder ein Stück weit zu ihrer „Normalität“ machen.
Die Gestaltung des Kindergartens findet in Kooperation mit der Gemeinde statt, die auch Träger sein wird. Momentan befinden wir uns in zahlreichen Abstimmungsprozessen mit Ämtern und Behörden, um das Projekt bis Frühjahr 2022 umsetzen zu können. Wir merken gerade jeden Tag, dass die Bürokratie sich in Vollendung zeigt, wenn es um das Wohl und die Sicherheit von Kindern geht. Wie auch bei der Öffentlichkeitsarbeit brauch es Mut, Motivation und einen langen Atem.
Sie engagieren sich ja auch in der DLG. Was hat Sie dazu bewogen, Mitglied zu werden?
Hennig: Das ist eine witzige Geschichte. Bis 2017 hatte ich mit der DLG keinerlei Berührungspunkte. Eines Morgens klingelte mein Telefon, und Stefan Luther - damals im Hauptamt zuständig für die Junge DLG und jetzt mein Stellvertreter im Ausschuss Öffentlichkeitsarbeit - fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, die Gründungsphase der einstigen Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit - AG Öff - zu begleiten, die seinerzeit noch bei der Jungen DLG angesiedelt war. Ich sagte zu und fuhr einige Monate später zu unserem ersten Treffen nach Berlin. Ich erinnere mich gerne daran zurück.
Seitdem sind wir eine eingeschworene Truppe aus versierten Persönlichkeiten, deren Weiterentwicklung ich mit Spannung verfolge. Da ich mich schon einige Jahre zuvor intensiv mit dem Thema beschäftigt habe, bestand für mich nie die Frage, nicht mitzumachen. Ich bin offen für Neues und habe sehr schnell festgestellt, dass Öffentlichkeitsarbeit nur mit einem großen Netzwerk funktionieren kann. Und ich war neugierig auf die Arbeit der DLG, da ich diese bis dahin noch nicht kannte. Heute darf ich ein Teil davon sein und freue mich über die Zusammenarbeit durch mein Ehrenamt.
Wie beurteilen Sie die Arbeit und die Ziele des DLG-Ausschusses Öffentlichkeitsarbeit?
Hennig: Wir sind wie gesagt aus der Jungen DLG entstanden. 2020 sind wir von einer Arbeitsgruppe zu einem festen Ausschuss der DLG „aufgestiegen“. Das empfinde ich als Wertschätzung gegenüber uns und unserer Arbeit, besonders da wir ein sehr aktiver Ausschuss sind. Die Zielsetzung des Ausschusses besteht nicht darin, außenwirksame Öffentlichkeitsarbeit für die Landwirtschaft zu machen, sondern intern zu kommunizieren. Das wird manchmal noch falsch verstanden. Für die Außendarstellung haben wir etablierte Organisationen. Der Ausschuss reicht das Handwerkszeug, mit dem Landwirte eine eigene Öffentlichkeitsarbeit für ihren Betrieb aufbauen können. Dabei bedienen wir uns eines großen Netzwerkes und vieler kreativer eigener Ideen.
Was sind die/Ihre derzeitigen Projekte?
Hennig: Der Ausschuss trifft sich mehrmals im Jahr zu Besprechungen und Planungstreffen und überdies einmal im Jahr zu einem speziellen Workshop. Dort erarbeiten wir die Themen und Kampagnen für das nächste Jahr. Dieses Jahr haben wir gleich drei Aktionen zum Thema „Eine Frage der (inneren) Haltung“ umgesetzt. Darunter eine Webinar-Reihe, eine Postkartenaktion und eine #hofmomente-Challenge. Mehr dazu gibt es auch auf der Internetseite der DLG. Für nächstes Jahr haben wir noch nichts geplant. Unser Workshop findet erst im Oktober statt.
Was ist Ihnen derzeit wichtig?
Hennig: Ich wünsche mir mehr Entschleunigung. Unsere Welt ist so schnelllebig, und nichts hat mehr Bestand. Die Flut an Informationen, sei es per Mail, Newsletter oder über all die anderen Kanäle, hat so zugenommen, dass wesentliche Inhalte kaum bis gar nicht mehr wahrgenommen werden können. Manchmal ist weniger doch mehr.
Politisch würde ich mir wünschen, dass man nach all den jahrelangen Studien zum Einkaufsverhalten der Gesellschaft ein Resümee zieht und erkennt, dass die Wünsche der Gesellschaft von derselbigen nicht honoriert werden, man das zur Kenntnis nimmt und seine politische Ausrichtung auf dieser Grundlage überdenkt und neu ausrichtet. Das soll heißen, dass man den Landwirten in den nächsten Jahren mehr Luft zum Atmen lässt.
Generell werden meiner Meinung nach heute viel zu wenige Entscheidungen getroffen, und noch weniger wird zu diesen gestanden. Niemand möchte mehr Fehler machen, um daraus zu lernen. Das werte ich als gesamtgesellschaftliches Problem, dessen Tragweite sich in unserem Handeln bemerkbar macht. Und privat darf alles einfach einmal so weiter gehen, mit der Hoffnung, dass die Steine, die uns in den Weg gelegt werden, nur so groß sind, dass wir sie auch wieder wegräumen können.
Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin aus Winsen (Aller).