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„Die Herausforderung ist, bei allen Zielen die Ökonomie sicherzustellen“

Jan Große-Kleimann ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Steinfurt im Münsterland aufgewachsen. Der 27jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung absolvierte er ein Bachelorstudium Agrarwissenschaften mit Schwerpunkt Agribusiness in Göttingen und ist jetzt im Masterstudium Agricultural and Food Economics (AFECO) an der Uni Bonn. Zwischenzeitlich sammelte er einige Erfahrung im Ausland, wie zum Beispiel als Erntehelfer in Australien, als Aussaathelfer in Manitoba, Kanada und North Dakota, USA und auf einem Schweinebetrieb in der Bretagne. In absehbarer Zeit möchte der junge Vater den elterlichen Ackerbau- und Schweinemast-Betrieb übernehmen.


Herr Große-Kleimann, Sie waren schon viele Male im Ausland. Haben Sie die verschiedenen Aufenthalte persönlich und beruflich weitergebracht?

Jan Große-Kleimann: Ganz sicher! In Australien, Neuseeland und Kanada habe ich vor allem größere Betriebsstrukturen kennengelernt und der Schwerpunkt lag eher auf Ackerbau, in Frankreich deutlich mehr bei den Schweinen. Es war total spannend zu erleben, welche Unterschiede es in den Betriebsphilosophien - von sehr extensiv in Australien bis hochintensiv in Neuseeland - und dem Umweltbewusstsein gibt.

Als Schweinemäster ist es natürlich spannend zu sehen, wie eine vertikal integrierte Kooperation wie Cooperl in Frankreich funktioniert. Fleisch und Wurst der Kooperative im eigenen Hofladen preislich unter Supermarktniveau zu verkaufen, war für mich als Westfale schon eine bemerkenswerte Erfahrung.

Persönlich habe ich viele wertvolle Kontakte knüpfen können, die zum überwiegenden Teil auch noch bis heute bestehen. Am meisten zu schätzen wusste ich dabei, wenn mich die entsprechenden Familien aufnahmen. Da bekommt Gastfreundschaft noch einmal eine ganz andere Bedeutung. Außerdem hat es mich sprachlich voran gebracht.

Sie sind gerade dabei, den Master zu machen. Worauf gründet die Wahl Ihrer Studiengänge und Schwerpunkte?

Große-Kleimann: Ich wollte mich nicht zu sehr auf Pflanzen oder Tiere spezialisieren, da hat für mich „Agribusiness“ beim Bachelor-Studiengang am besten gepasst – zumal ich mit den Modulen aus der Perspektive eines späteren Betriebsleiters am meisten anfangen konnte. Die Uni Bonn war quasi durch den Job meiner Frau in Köln festgelegt, und von den angebotenen Masterstudiengängen war der AFECO (Agricultural and Food Economics) durch seinen ökonomischen Schwerpunkt am sinnvollsten für mich.

Grundsätzlich hätte ich mir aber einen „freien“ Master ohne Schwerpunkt gewünscht, wo man aus allen Fachbereichen die Module belegen kann, die einen interessieren. Am AFECO gefällt mir besonders der hohe Anteil internationaler Studierender, die noch mal ganz andere Perspektiven mit in die Kurse bringen.

Wie sind Sie zur DLG gekommen? Wie engagieren Sie sich dort?

Große-Kleimann: Mein Vater ist schon sehr lange DLG-Mitglied, weshalb ich schon früh mit der DLG in Kontakt gekommen bin. Außerdem kommt man als Kind nicht um die Agritechnica oder die EuroTier herum.

Richtig gelohnt hat sich das für mich bei der Wahl meiner Ausbildungsbetriebe, die ich unter anderem dem Netzwerk der DLG und dem meines Vaters zu verdanken habe. Seit dem Studium in Göttingen engagiere ich mich auch aktiv in der Jungen DLG. Zunächst war ich im Hochschulteam Göttingen, in dem ich auch über ein Jahr Teil des Leitungsteams war.

Dort haben wir verschieden Veranstaltungen und Exkursionen organisiert, die fachlich spannend waren, aber auch auf privater Ebene richtig Spaß gemacht haben. Jetzt bin ich als Gast im Arbeitskreis Junge DLG. Ich freue mich, dort mitwirken zu können, wie zum Beispiel bei der Moderation des Forums „Landwirtschaft auf Augenhöhe“ im Rahmen der EuroTier digital. Ich schätze den Austausch mit den anderen Mitgliedern, das ist wie eine große Familie – denn die Freude an der Landwirtschaft und die Bereitschaft zu diskutieren sind in der DLG sehr ausgeprägt.

Wie entstand denn das Thema „Landwirtschaft auf Augenhöhe“?

Große-Kleimann: Wir hatten innerhalb der OrgaGruppe diskutiert, welche Möglichkeiten es beim Young Farmers Day gibt, Praxisberichte mit einzubinden. Durch die digitale Form sind Beiträge aus dem Ausland natürlich noch einfacher umzusetzen, sodass die Idee mit Frankreich beziehungsweise auch mit Irland kam. Ich habe mich sehr über das rege Interesse an dem Forum und auch über die beiden sehr spannenden Vorträge gefreut.

Sie interessieren sich auch sehr für die Regenerative Landwirtschaft. Was sind Ihre Beweggründe?

Große-Kleimann: Die Regenerative Landwirtschaft bedeutet für mich, die Funktionen eines gesunden Bodens und Bodenlebens wieder herzustellen. Dafür ist es unter anderem notwendig, dass Pflanzenwurzeln möglichst das ganze Jahr über Wurzelexsudate in den Boden leiten, auf (Spuren-) Nährstoffgleichgewichte in der Pflanze und im Boden zu achten, die Bodenbearbeitung auf ein Minimum zu beschränken und Pflanzenbestände zu vitalisieren. Auch der Einbezug von Tieren mit angepasstem Rotations-Weidemanagement kann dazu gehören.

Die Regenerative Landwirtschaft bietet aus meiner Sicht sehr vielfältige Möglichkeiten. Zum einen sehe ich einen wesentlichen Vorteil darin, dass sich der Blickwinkel von der Symptombehandlung zu grundlegender Ursachenforschung ändert. Das betrifft sowohl die Pflanzengesundheit als auch das Auftreten von Pionierpflanzen oder die Widerstandskraft des Bodens gegenüber extremen Wetterereignissen.

Zum anderen fasziniert mich der Gedanke, im Einklang mit natürlichen biologischen Prozessen langfristig eine höhere Qualität zu erzeugen, denn ein vollintaktes Bodenleben kann der Pflanze Nährstoffe zur gewünschten Zeit so bereitstellen, dass es keine Überschuss- oder Mangelsymptome gibt und das, während wir Kohlenstoff im Boden binden, statt ihn freizusetzen. Die Schlüsselrolle des Bodenlebens in diesem Prozess zu verstehen und ernst zu nehmen, ist für mich eine sehr spannende Aufgabe. Es macht immer wieder Spaß, den Spaten und die Sonde in die Hand zu nehmen und mit allen Sinnen die Veränderungen im Boden zu beurteilen, denn letztlich müssen wir Landwirte den Bodenaufbau selber erleben, um die Begeisterung dafür entwickeln zu können.

Ich kann mir gut vorstellen, dass die Regenerative Landwirtschaft langfristig auch die effizientere Form der Produktion ist. Sie nutzt effektiv Synergien des natürlichen Ökosystems Boden, also das Zusammenspiel von Pflanzen und deren Wurzeln, Bakterien und Pilzen, anstatt sie mit viel energieintensiver Bodenbearbeitung oder chemischem Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen. Mit dieser Bewirtschaftungsweise sind ebenfalls sehr hohe Erträge möglich, aber eben mit deutlich reduziertem Input.

Eine Herausforderung sehe ich vor allem in der arbeitswirtschaftlichen Integration der Regenerativen Landwirtschaft in den laufenden Betrieb, da sich die Arbeitsabläufe und logistischen Anforderungen verändern, wenn zum Beispiel regelmäßig Fermente und Komposttee eingesetzt werden. Auch die Investitionskosten in das nötige Wissen und die alternativen Betriebsmittel sind nicht zu unterschätzen. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass man dort in die Zukunft investiert und nicht einzig in den Ertrag der nächsten Ernte. Wir müssen also in der Regenerativen Landwirtschaft unseren Planungshorizont um ein paar Jahre erweitern.

Was sind Ihre persönlichen und beruflichen Ziele in der kommenden Zeit?

Große-Kleimann: Wir haben gerade einen kleinen Sohn bekommen und wachsen als Familie zusammen. Beruflich ist mein nächstes Ziel die erfolgreiche Fertigstellung der Masterarbeit. Danach möchte ich einen guten Einstieg in den Betrieb finden. Schließlich ist der Generationswechsel für alle Beteiligten auch eine Herausforderung.

Derzeit umfasst der Betrieb 3.500 Schweinemastplätze an fünf Standorten, 190 ha Ackerbau mit den Kulturen Winterweizen, Wintertriticale, Wintergerste, Winterroggen, Winterraps und CCM. Außerdem haben wir in die Photovoltaik investiert und sind an einem Bürgerwindpark beteiligt. Ich möchte den Betrieb zu Hause so nach einem regenerativen Leitbild umgestalten, dass wir neben der Produktion hochwertiger Lebensmittel eben auch entschieden zur Lösung von Problemen wie dem Klimawandel, der schwindenden Artenvielfalt und dem Auseinanderdriften der Landwirtschaft und der übrigen Gesellschaft beitragen, zum Beispiel mit einem Agroforst-System. Dieses bietet bei sorgfältiger Planung eine erhöhte Flächenproduktivität, Rückzugsraum für Wildtiere und Insekten und ein ansprechendes Landschaftsbild.

Bei den Schweinen habe ich das Ziel, die bestehenden Ställe, dort wo es möglich ist, zu Offenfrontställen umzubauen und mittelfristig auch den Proteinbedarf durch den eigenen Anbau von zum Beispiel Erbsen oder Bohnen zu decken. Die Herausforderung ist natürlich, bei all diesen Zielen die Ökonomie sicherzustellen.

Da haben Sie ja noch einiges vor. Was machen Sie, wenn Sie sich mal gerade nicht mit der Landwirtschaft beschäftigen?

Große-Kleimann: Dann treibe ich Sport. Im Moment ist es leider nur das Laufen, sonst spiele auch gerne Fußball oder gehe Windsurfen. Zu meinen Hobbys zählt auch die Musik. Ich spiele Gitarre und Schlagzeug und möchte das langfristig auch wieder in einer Band machen. Wenn dann noch Zeit übrig ist, verreisen wir gerne in unserem Bulli zum Campen. Und zum Entspannen lese ich auch gerne mal ein gutes Buch.