DLG-Think Food: Ernährung der Zukunft
Im Rahmen der jährlich stattfindenden Produktentwicklertagung „DLG-Think Food“ werden unterschiedliche Zukunftsthemen der Ernährungsbranche beleuchtet, um Lebensmittel gemeinsam neu zu denken und Visionen für die Praxis zu entwickeln.
So zeigte sich Prof. Dr. Alexander Mathys, ETH Zürich (Schweiz), überzeugt, dass alternative Proteine aus Algen und Insekten die Proteinversorgung der wachsenden Weltbevölkerung signifikant verbessern können. Denn Schätzungen zufolge werden bis 2050 zusätzliche 265 Mio. t Proteine nötig sein, um den Bedarf zu decken. Die Kultivierbarkeit auf nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen ist für ihn der entscheidende Vorteil gegenüber anderen alternativen Proteinquellen, denn eine Konkurrenz zu Nutzpflanzen in der Lebensmittelwertschöpfungskette bleibt aus. Zudem könne eine hohe Biomasseproduktion pro Fläche erzielt werden.
Mikroverfahrenstechnische Prozesse und neue Methoden wie die Hochspannungsimpulstechnologie ermöglichen es laut Mathys, funktionale Proteine aus lebenden Zellen zu extrahieren oder spezifische Einzelzellen zum schnelleren Wachstum anzuregen. Zu den wichtigsten Herausforderungen bei Mikroalgen zählt seinen Worten zufolge das effiziente und schonende Verarbeiten der Biomasse. Prozessentwicklung und Kontrolle spielen hier eine zentrale Rolle, um künftig neuartige Ansätze, wie zum Beispiel die kontinuierliche Extraktion von Inhaltstoffen ohne kompletten Aufschluss der Algen, zu ermöglichen.
„Die Generierung kontrollierter Biomasse ist Voraussetzung für eine effiziente nachhaltige Verarbeitung“, berichtete Jörg Ullmann, Geschäftsführer von Roquette Klötze, einem deutschen Pionierunternehmen, das sich auf die Kultivierung von Mikroalgen spezialisiert hat. Wegen der vergleichsweise hohen Produktionskosten konnten diese zu Beginn nur im High-Value Bereich verkauft werden. Dank verschiedener Kultivierungsverfahren kommen Algen-Proteine heute als Futtermittel oder als Zusätze für Backwaren, Pasta beziehungsweise Snacks zum Einsatz. Die enthaltenen mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Farbpigmente finden ebenfalls Anwendung.
Dass nicht nur Süßwasser- (einzellige Mikroalgen), sondern auch Salzwasseralgen (maritime Makroalgen) ein großes Potenzial besitzen, verdeutlichte Dominic Wimmer, Fraunhofer IVV Freising, der das Projekt „SeaFeed“ vorstellte. Durch mechanische Vorbehandlung und Extraktion von Sekundärkomponenten ist es den Wissenschaftlern gelungen, geruchs- und geschmacksneutrale marine Algenproteine zu gewinnen. Sowohl für Süßwasser- als auch für Salzwasseralgen stellen geschlossene Kreislaufsysteme eine gute Möglichkeit dar, um Bedingungen optimal zu kontrollieren und negative Auswirkungen auf Ökosysteme zu minimieren. Eine kombinierte Produktion von Algen für Nahrungs- und Futtermittel sowie für andere Nutzungsrichtungen wie Biokraftstoff könnte die Effizienz der Produktion weiter erhöhen - jedoch gibt es hier noch großen Forschungsbedarf.
Nachhaltige innovative Enzymtechnologie
Insekten sind, solange sie auf hochwertigem Roggen- und Weizenmehl gezüchtet werden, (noch) nicht so nachhaltig, wie viele glauben. Wenn sie allerdings in den Lebensmittelkreislauf integriert werden, indem sie beispielsweise ausschließlich mit Abfällen aus der Lebensmittelindustrie gefüttert werden, könnte sich das schnell ändern.
Dass sie nicht nur als alternative Proteinquelle interessant sind, sondern auch eine hervorragende Quelle für neue Enzyme darstellen, darüber informierte Dr. Martin Gand, Justus-Liebig-Universität Gießen. Insekten haben ebenso wie Pilze im Verlauf der Evolution Enzyme erworben, mit denen sie heute effizient nahezu alle Nahrungsquellen nutzen können. Dies ließe sich laut Gand beispielsweise in der Käseherstellung nutzen, wodurch animalische Lipasen substituiert werden könnten. Aber auch in der Klärung von Getränken und beim Zartmachen von Fleisch könnten insektenassoziierte Peptidasen eingesetzt werden.
Ein reduzierter Salzkonsum senkt den Blutdruck und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dass die Minderung des Kochsalzgehaltes in Lebensmitteln erklärtes Ziel der aktuellen Gesundheitspolitik ist, verstärkt die Suche nach geeigneten Kochsalz-Substituten, die bislang fehlen. Mit welchen Methoden sich Arginyldipeptide generieren lassen, die den Salzgeschmack verstärken, erläuterte Sven Bordewick, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Neben der hydrolytischen Gewinnung aus argininreichen Proteinfraktionen stellte er auch die Isolierung und Nutzung arginylspezifischer Peptidylpeptidasen vor.
Eine weitere Option ist die innovative Synthese mit sequenzmodifizierten Ligasen. Durchgeführte Sensoriktests bei damit versetzten Lebensmitteln haben die biotechnologische und ökonomische Umsetzbarkeit in der Praxis bestätigt.
Dr. Ingo Klarholz vom ttz Bremerhaven präsentierte die Entwicklung eines neuartigen enzymatischen Lyse-Verfahrens für die fermentative Umwandlung von Restbroten. Ziel ist die Aufwertung beziehungsweise vollständige Rückführung von Restbrot (Kümmelroggenbrot) in den Produktionsprozess. Auf diese Weise entsteht eine Art „Brotsirup“, der vielfältig weiterverarbeitet werden kann. Erste backtechnologische Untersuchungen zeigen, dass durch den Einsatz des Brotsirups die bisher verwendete Menge an Hefe und Malz deutlich reduziert werden kann.
Außerdem konnten positive Effekte bezüglich einer Verbesserung des Geschmacks und einer verlängerten Frischhaltung beobachtet werden. Die bisher erreichte Einsparung von Backhilfsmitteln/Malz sowie Hefe soll noch weiter optimiert und auf andere Produkte erweitert werden.
Fazit
Im Hinblick auf die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung der Bundesregierung bietet das Feld der Enzymtechnologie und die Erforschung alternativer Proteine ein großes Feld an Lösungsansätzen, um die Ernährung der Zukunft nachhaltig zu gestalten.
DLG-Think Food
Im Rahmen der jährlich stattfindenden Produktentwicklertagung „DLG-Think Food“ werden unterschiedliche Zukunftsthemen der Ernährungsbranche beleuchtet, um Lebensmittel gemeinsam neu zu denken und Visionen für die Praxis zu entwickeln.