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Kastration unter Isoflurannarkose: Ferkelerzeuger weiter begleiten!

Seit Januar 2021 gilt in Deutschland das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration. Aufgrund der Vermarktungsnachteile waren weder die Ebermast noch die Immunokastration eine wirkliche Option, und so haben sich viele Sauenhalter für die Kastration unter Betäubung mit dem Narkosegas Isofluran entschieden. Die staatliche Investitionsförderung für geprüfte und zertifizierte Narkosegeräte hat die Entscheidung für das Verfahren sicherlich beeinflusst.

Nachdem die Isoflurannarkose durch sachkundige Landwirte offiziell zugelassen war, gab es einen massiven Entwicklungsschub bei den Narkosegeräten. Der Zeitraum bis zum 1. Januar 2021 war für Prüfung, Zertifizierung sowie Fertigung und Auslieferung der Geräte kurz. Verschärfend zu der kurzen Fertigungs- und Auslieferungsfrist kamen pandemiebedingte Qualitätsprobleme und Lieferengpässe bei der Beschaffung hochwertiger Zulieferteile wie zum Beispiel der Verdampfer hinzu.

Demgegenüber waren die Anforderungen des DLG-Prüf- und Zertifizierungsprogramms hoch: Unter anderem wurde darauf geachtet, dass der weltweit niedrigste Grenzwert für Isofluran in der Umgebung von 15 mg/m³ nicht überschritten wurde und die Anforderungen an eine ausreichend sichere Betäubung der Ferkel eingehalten wurden. Keines der Narkosegeräte blieb im Prozess bis zur Zertifizierung unverändert. Letztlich konnte die DLG gemeinsam mit einer ehrenamtlichen Expertenkommission fünf Narkosegeräte in 12 Varianten zertifizieren.

Umfrage zu ersten Praxiserfahrungen

Wegen der befristeten staatlichen Förderung mussten die Ferkelerzeuger oft schon ein Narkosegerät bestellen und bezahlen, bevor sie die Geräte in der Praxis wirklich kennengelernt und die Sachkunde erlangt hatten. Inzwischen wird die Isoflurannarkose aber flächendeckend in den Betrieben praktiziert. Grund genug für die DLG, in einer Umfrage die ersten Erfahrungen mit den Narkosegeräten zu erfragen und ein Meinungsbild zum Verfahren einzuholen. Insgesamt 550 Landwirte haben sich an der Umfrage beteiligt. Ausgehend von bundesweit 2.685 bewilligten Förderanträgen für die Isoflurangeräte ist das eine gute Rücklaufquote von etwa 20 Prozent. Die regionale Beteiligung entsprach dabei annähernd der Verteilung der geförderten Geräte laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Grafik 1: Beteiligung nach Bundesländern

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Grafik 2: Verteilung der Narkosegeräte über alle Umfrage-Teilnehmer

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Bei den Umfrageergebnissen handelt es sich um die subjektiven Eindrücke der Teilnehmer, deren individuelle Meinungen hier nicht vollständig wiedergegeben werden können. Auch wenn die Daten so korrekt wie möglich statistisch aufbereitet wurden, erheben sie keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern sollen in erster Linie ein Bild der aktuellen Situation zeichnen.

Zufriedenheit mit der Isoflurannarkose

Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrheit der teilnehmenden Betriebe mit der Methode der Isoflurannarkose durchaus zufrieden ist. Besonders die Ruhe im Stall und die Fitness der Ferkel nach dem Erwachen aus der Narkose wurden vielfach positiv herausgestellt. Die Umfrageteilnehmer vergaben im Durchschnitt die Note 2,8 für das Verfahren der Isoflurannarkose insgesamt und für die Narkosegeräte die Note 2,3. Für die Beurteilung wurde die Schulnotenskala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) verwendet. Die Zufriedenheit mit dem Verfahren ist eng mit der Zufriedenheit mit dem jeweiligen Narkosegerät und mit der Unterstützung durch den Herstellerservice verknüpft. Die Betriebe, die eine technische Einführung durch den Gerätehersteller erhielten bzw. das Angebot einer Teilnahme wahrgenommen haben, waren insgesamt zufriedener als ihre Kollegen ohne Einführung, laut Umfrage immerhin 43 Prozent. Wer sich vorab mit seinem Narkosegerät intensiv auseinandergesetzt hat, vermeidet Anwenderfehler und kann Handlungsbedarf besser abschätzen. Solcher ist vor allem gegeben, wenn der Verdampfer als Herzstück des Gerätes betroffen ist. Hier kann nur der Herstellerservice mit geeignetem Messgerät helfen.

Gerade der Umgang der Herstellerfirmen mit technischen Problemen hat großen Einfluss auf die Zufriedenheit. Ein schnell und flexibel agierender Kundendienst ist unabdingbar, um empfindliche Störungen des Betriebsablaufs zu vermeiden. Dass sich die Herstellerfirmen in der Einführungsphase mit ihren Startschwierigkeiten an der ein oder anderen Stelle ins Zeug gelegt haben, belegt die von den Teilnehmern vergebene Durchschnittsnote von 2,3 für den Herstellerservice. Und dies, obwohl bereits bei gut 40 Prozent der Geräte Reparaturen oder ein Austausch von diversen Bauteilen erforderlich waren. Die Schwankungsbreite zwischen den Herstellern betrug dabei einen halben Notenpunkt nach oben und unten. Die individuellen Erfahrungen der Betriebe spiegeln sich in teilweise weit auseinanderliegenden Bewertungen für ein und dasselbe Gerät wider.

Tabelle 1: Zufriedenheit mit der Isoflurannarkose (Bewertung nach Schulnoten)

Werte in Klammern: Standardabweichung als Maß für die Spannweite der Einzelbewertungen; Beispiel Kundendienst: dieser kann u.a. auch von regionalen Bedingungen abhängen. Je größer der Wert, desto größer die Spannweite der Bewertungen.
  Zufriedenheit mit dem Verfahren Zufriedenheit mit dem Gerät Zufriedenheit mit dem Kundendienst
Anestacia mit Kompressor (GDO) 2,3 (1,0) 1,8 (0,8) 2,4 (1,1)
Anestacia O2 (GDO) 2,3 (1,0) 1,8 (0,5) 2,4 (1,1)
PigletSnoozer (Pro Agri / GFS) 3,2 (1,3) 3,0 (1,1) 2,5 (1,3)
PigNap 4.0 (BEG Schulze Bremer) 2,6 (1,1) 1,8 (0,7) 1,7 (0,6)
Pigsleeper Flexy (MS Schippers) 3,3 (1,4) 2,8 (1,3) 2,8 (1,3)
Pigsleeper 360° (MS Schippers) 3,3 (1,4) 2,0 (0,6) 2,8 (1,3)
PorcAnest 3000 (Promatec) 2,7 (1,3) 2,6 (1,3) 2,7 (1,2)
Durchschnitt aller 2,8 (1,3) 2,3 (1,1) 2,3 (1,1)

86 Prozent der Landwirte würden sich bei einem erneuten Kauf wieder für dasselbe Narkosegerät entscheiden. Bedenkt man, dass ein Gerätevergleich bei der Kaufentscheidung kaum möglich war, ist das ein erstaunlich positives Zeugnis für Hersteller und Narkosegeräte. Dennoch zeigte sich auch, dass eine gute Einführung in diese komplexe und auch sensible Gerätetechnik sowie ein schneller Service immens wichtig sind.

Wirksame Schmerzausschaltung sicherstellen

Ziel des Verbotes der betäubungslosen Kastration ist die Verbesserung des Tierschutzes für Eberferkel. Wenn laut Umfrage bei einigen Geräten ein vergleichsweise hoher Anteil von Ferkeln Schmerzreaktionen zeigte, ist dieses Ziel infrage gestellt. 12 Prozent der Betriebe beobachteten Schmerzreaktionen bei den Ferkeln, 60 Prozent von diesen wiederum an mehr als 10 Prozent der Tiere.

Tabelle 2: Anteil Ferkel mit Schmerzreaktionen

  Anestacia Kompr. Und O2 (GDO) PigletSnoozer (Pro Agri / GFS) PigNap 4.0 (Schulze Bremer) Pigsleeper Flexy und 360° Kompakt (Schippers) PorcAnest 3000 (Promatec) Durchschnitt aller
Schmerzreaktionen unter der Kastration 11 % 24 % 4 % 14 % 11 % 12 %

Hier gilt es sensibel das Zusammenspiel von Narkosetechnik und Management zu beobachten und bei Bedarf nachzujustieren. Treten bei mehr als 10 Prozent der Ferkel leichte (!) Schmerzreaktionen auf, besteht Handlungsbedarf. Am besten sieht beim nächsten Kastrationstermin erst einmal der Tierarzt über die Schulter. Wenn Anwender- und Managementfehler ausgeschlossen werden können, muss der Herstellerservice angefordert werden um nach technischen Ursachen zu forschen. Feuchtigkeit im gasführenden System hemmt zum Beispiel die Aufnahme von Isofluran ins Narkosegasgemisch. Das kommt vor, wenn das Gerät nach der Reinigung nicht vollständig abtrocknen konnte oder auch, wenn der Kompressor nicht regelmäßig entfeuchtet wird. Aber auch Schmutz in den Atemrohren und Dosiereinrichtungen für das Narkosegas beeinträchtigen den Gasfluss und führen zu verminderter Narkosetiefe.

Grafik 3: Häufigkeit von Schmerzreaktionen unter der Kastration in den 12 % betroffenen Betrieben

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In Bezug auf das Management sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass am Tag der Kastration auf weitere zootechnische Maßnahmen verzichtet werden sollte. Die Metacamgabe muss eine halbe Stunde vor der Kastration, nicht schon mehrere Stunden vorher und erst recht nicht erst unmittelbar vor der Kastration gegeben werden. Stress und Schmerzen beeinflussen die Narkosetiefe der Ferkel negativ, beispielsweise durch eine beschleunigte und flache Atmung, die eine zu geringe Aufnahme des Narkosegases zur Folge hat.

Zwei häufig genannte Kritikpunkte an der Isoflurannarkose seien hier noch genannt. Der eine betrifft den beim Einlegen der Ferkel in die Narkosemasken entstehenden Stress für die Tiere, der höher sei und länger dauere als bei der betäubungslosen Kastration. Die ungewohnte Haltung und der Isoflurangeruch lösen sicherlich Abwehrreaktionen bei den Ferkeln aus. Mit einem gut eingestellten Narkosegerät und zügigen, geübten Handgriffen lässt sich der Stress für die Tiere aber reduzieren. Der zweite Kritikpunkt bezog sich auf die erhöhte Nachblutung bei der Kastration unter Isofluran. Aufgrund der gefäßerweiternden Wirkung ist der Blutverlust tatsächlich etwas höher, aber nicht kritisch. Der Einsatz eines Emaskulators (Quetschzange) zur Abtrennung der Hoden kann gegenüber dem Skalpell die Blutung sichtlich reduzieren.

Ausreichende Sicherheit für den Anwender?

Die meisten Vorbehalte gegenüber der Isoflurannarkose rühren von gesundheitlichen Bedenken gegenüber dem Narkosegas Isofluran. Nun offenbart die Umfrage, dass doch überraschend viele Landwirte von Nebenwirkungen betroffen sind. Rund 30 Prozent der Teilnehmer gaben an, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Übelkeit, Abgeschlagenheit und andere Symptome zu empfinden. Bei immerhin 42 Prozent der Betroffenen treten die Symptome arbeitstäglich auf, und zwar weitgehend unabhängig vom Narkosegerätetyp. Dem muss auf jeden Fall nachgegangen werden, denn oft ist nicht klar, ob es an der komplexen Technik, der Handhabung der Geräte oder an der individuellen Empfindlichkeit der Anwender gegenüber dem Narkosegas liegt.

Das ist eine unerwartete Situation. Die Daten deuten darauf hin, dass Bedarf an kompetenter Beratung und auch an weiterer Forschung besteht. Gut wäre es, wenn schnell Anlaufstellen eingerichtet würden, an die sich betroffene Landwirte wenden können. Bis dahin sollte von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Nebenwirkungen beim Umgang mit Isofluran an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu melden (uaw@bvl.bund.de), damit gegebenenfalls Empfehlungen aktualisiert werden können.

Arbeitsaufwand

Dass der Arbeitsablauf im Betrieb für die Kastration mit Isofluran umorganisiert werden muss, dürfte bereits beim ersten Einsatz der Geräte klar geworden sein. Auch der Einsatz von Arbeitskräften muss angepasst werden: Um zügig und im Takt des Narkosegerätes arbeiten zu können, sind wenigstens zwei Personen notwendig. Dass sich der Arbeitsaufwand für die Isoflurannarkose erhöhen würde, war von vorneherein klar.

Aber nicht alle Betriebe empfinden den Mehraufwand als gleich belastend. Für immerhin 28 Prozent stellt sich die Situation nach den betrieblichen Anpassungen sogar besser dar als erwartet. Eine Mehrheit der Umfrageteilnehmer von 54 Prozent hat den Zusatzaufwand in etwa so eingeschätzt wie er nun ist und 18 Prozent sehen sich mit deutlich mehr Aufwand konfrontiert als sie erwartet haben. Hier schlagen nicht nur die längere Kastrationsdauer, sondern auch die Rüstarbeiten vor und nach der Kastration wie die Reinigung und Desinfektion des Narkosegerätes zu Buche. Je kleiner die Abferkelgruppen sind, umso stärker wirkt sich das aus. Dies sollte in Zukunft noch weiter untersucht werden.

Grafik 4: Arbeitsaufwand für die Kastration unter Isoflurannarkose

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Was sagen die Betriebe außerdem?

Viele Betriebe waren bei der Einführung der Methode sehr skeptisch und haben sich bei der Anschaffung der Geräte schwergetan. Einige konnten zwischenzeitlich ihre Meinung revidieren, andere wiederum sehen sich anhand ihrer Erfahrungen bestätigt. All dies spiegelt sich auch in den zahlreichen individuellen Kommentaren der Betriebe zur Isoflurannarkose wider.

Vielfach wurde die Kritik geäußert, dass es doch lange dauere, bis die Ferkel in Narkose liegen. Diese Phase verursache vor allem durch das Einspannen und Fixieren der Ferkel großen Stress. An dieser Stelle wurde oft geäußert, dass der Stress bei der Kastration ohne Betäubung für die Ferkel geringer und vor allem kürzer war. Übung, ein ruhiger Umgang mit den Tieren und ein gutes Kastrationsmanagement helfen aber, den Stress für die Tiere zu reduzieren.

Auf der anderen Seite wurde gelobt, dass die eigentliche Arbeit mit Ausnahme der Rüstzeiten für Inbetriebnahme und Reinigung angenehmer sei als zuvor. Besonders die Ruhe im Stall wird positiv bewertet. Die Sauen zeigen kaum Stressreaktionen und die Ferkel sind schnell wieder wach. Auch der zeitliche Mehraufwand ist vielfach nicht so hoch wie befürchtet.

Kritik wurde immer wieder am Kundendienst der Hersteller geübt. Die Einführung in die komplexe Gerätetechnik war nicht immer optimal. Reklamationen wurden nicht schnell genug abgearbeitet und trotz mehrmaliger Nachbesserungen funktionieren einige Geräte weiterhin nicht einwandfrei. Bei einem Teil der Geräte wurde die schlechte Verarbeitung bemängelt, wobei insbesondere scharfe Kanten oder undichte Schlauchverbindungen moniert wurden.

Sehr kritisch wird auch das Befüllen des Verdampfers mit Isofluran gesehen, dabei sei häufig Isofluran zu riechen. Diese Empfindung verstärkt natürlich die Angst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen. In einem Extremfall werden bei der Isoflurankastration jetzt Schutzmasken verwendet. Wichtig bleibt in jedem Fall die Forderung, dass dem Anwenderschutz weiterhin eine große Bedeutung beigemessen werden muss und die Betriebe bei Problemen Unterstützung finden können.

Fazit

Die Einführung der Isoflurannarkose ist ein Prozess und wird nicht von heute auf morgen reibungslos funktionieren. Sicherlich besteht in einigen Fällen weiterer Optimierungsbedarf an den Geräten, aber auch an den Arbeitsabläufen in den Betrieben. Der langfristige Einsatz dieser komplexen Narkosetechnik muss sorgfältig beobachtet, kontrolliert und stetig verbessert werden, damit das Verfahren auch langfristig Akzeptanz findet. Eine wichtige Rolle kommt dabei kompetenten Ansprechpartnern bei auftretenden Problemen zu. Dies gilt für den Herstellerservice genauso wie für staatliche Organe, die insbesondere beim Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz gefordert sind.

 

Autor/en: Susanne Gäckler, DLG e.V., Fachzentrum Landwirtschaft

mit Unterstützung durch die DLG-Expertenkommission für Isofluran-Narkosegeräte:

  • Dr. Sophie Gumbert, Klinik für Schweine, LMU München
  • Dr. Jürgen Harlizius, Schweinegesundheitsdienst NRW
  • Prof. Dr. Wilfried Hopp, Veterinärdienst Kreis Soest
  • Dr. Frederik Löwenstein, Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg