Agrifuture Insights: Innovationen für die Landwirtschaft
von Achim Schaffner und Erik Guttulsröd
Innovationen sind die Basis für die Weiterentwicklung der Verfahren in Ackerbau und Tierhaltung. In einer Mitgliederbefragung haben rund 2.000 Mitglieder der DLG ihre Schwerpunkte benannt. Landwirte, Berater und Experten aus Handel und Industrie setzen unterschiedliche Schwerpunkte.
Die an der Befragung Teilnehmenden haben die Bedeutung verschiedener Innovationsbereiche auf einer Skala zwischen 1 (= sehr wichtig) und 4 (= unbedeutend) bewertet.
Ackerbau
Im Bereich Ackerbau wurden die Schwerpunkte bodenschonende Bereifung, Robotik im mechanischen Pflanzenschutz, NIR-Sensorik bei der Gülleapplikation und Direkteinarbeitung flüssiger Wirtschaftsdünger als die wichtigsten Innovationen genannt (siehe Abb. 1).
Bodenschonende Bereifung
Eine bodenschonende Bereifung ist für die antwortenden Landwirte wichtig. Bodenschutz bzw. die Vermeidung von Bodenverdichtungen hat generell eine hohe Priorität, um die Durchwurzelbarkeit der Böden, deren Wasserhaltefähigkeit und ein vitales Bodenleben zu erhalten.
Hinzu kommt, dass sich aufgrund der sich ändernden klimatischen Verhältnisse – und damit auch der Witterungsverhältnisse – die Zeitfenster für die optimale Befahrbarkeit der Böden tendenziell verengen. Bodenschonender Bereifung kommt unter diesen Bedingungen eine wichtige Funktion für den Bodenschutz und die zeitgerechte Bearbeitung der Flächen zu. Die Befragungsteilnehmer aus Industrie und Handel räumen bodenschonender Bereifung eine noch größere Bedeutung ein als die Praktiker selbst. Denn insbesondere für Technikhersteller sind bodenschonende Bereifungen Voraussetzung für die Einsatzmöglichkeiten der hergestellten Maschinen und damit für die Akzeptanz bei den Betrieben.
Robotik im mechanischen Pflanzenschutz
Robotik im mechanischen Pflanzenschutz sehen die Teilnehmenden aus Beratung/Wissenschaft und Industrie/Handel als ein wichtiges Innovationsfeld an. Im Ökolandbau ruht auf der Robotik die Hoffnung, den hohen Arbeitsaufwand für die Beikrautregulierung reduzieren zu können. In konventionell wirtschaftenden Betrieben kann mit Robotik der Instrumentenkasten der Beikrautregulierung um ein wichtiges Werkzeug erweitert werden. Industrie und Handel forschen und entwickeln auf dem Feld der Robotik mit dem Ziel, praxistaugliche Lösungen anzubieten – ein weiterer Grund, weshalb diese ein wichtiges Entwicklungsfeld darstellt.
In der Praxis ist die Robotik derzeit noch kein Selbstläufer. Denn die Vorarbeiten für den Einsatz von Robotern sind umfangreich: Notwendig ist die exakte Einmessung der Schläge, um den Aktionsradius der Roboter klar festzulegen ebenso wie die Schaffung eines ebenen und feinen Saatbettes. Denn dieses ist die Voraussetzung für die reibungslose Funktion der autonomen Maschinen. Dazu kommen notwendige, für den Einsatz der Roboter unverzichtbare Spezialkenntnisse für den Einsatz der Maschinen. Denn deren Einstellung auf die jeweiligen Standortverhältnisse ist die Voraussetzung dafür, eine hohe Arbeitsqualität zu erreichen. Während der Arbeiten ist die Überwachung der Maschinen notwendig, um je nach Arbeitsqualität die Einstellungen zu korrigieren. Dies erfordert spezielle Kenntnisse im Betrieb, um den bestmöglichen Regulierungserfolg zu erreichen. Denn „Plug & Play“, die einmalige Einstellung der Roboter ohne kontinuierliche Überwachung und Justierung der Einstellungen, ist nicht möglich.
Diese Rahmenbedingungen führen dazu, dass der Durchschnitt der an der Befragung teilnehmenden Praktiker die Robotik insgesamt als eher weniger wichtig beurteilt als Beratung und Industrie. Darüber hinaus ist in vielen Regionen der Breitbandausbau noch nicht ausreichend weit vorangeschritten. Das schränkt die Datenübertragungsraten und damit den Einsatz der Robotik ein. Mit zunehmendem Breitbandausbau werden sich die Anwendungsmöglichkeiten der Robotik erweitern.
Kameragesteuerte Hacktechnik
Eine ähnliche Bewertung nehmen die Teilnehmenden bei der kameragesteuerten Hacktechnik vor. Industrie und Beratung arbeiten intensiv an breit anwendbarer Technik und bewerten die Entwicklungen als wichtig, während die Praktiker im Durchschnitt etwas verhaltener sind. Dennoch schreitet hier die Entwicklung insbesondere im Ökolandbau auch in der Praxis voran, denn Pioniere testen neue Entwicklungen und geben den Entwicklern Hinweise für die Maschinenentwicklung.
Technik für die direkte Einarbeitung flüssiger Wirtschaftsdünger
Die Düngegesetzgebung hat die Regelungen zur Ausbringung von organischen Düngern neu geregelt. Um die Vorgaben zu erfüllen, brauchen Landwirte Neuerungen in der Ausbringungstechnik. Technik für die direkte Einarbeitung flüssiger Wirtschaftsdünger beurteilen die an der Befragung teilnehmenden Landwirte als wichtig. Zum einen entfällt ein weiterer Arbeitsgang zur Einarbeitung der Wirtschaftsdünger. Zum anderen vermeiden Anwender der Technik Nährstoffverluste durch die direkte Einbringung in den Boden – ein wichtiger Aspekt insbesondere im Ökolandbau, in dem die Nährstoffe knapp sind.
Ein weiterer Schritt bei der verlustarmen Ausbringung von flüssigen Wirtschaftsdüngern ist die Nutzung der NIR-Sensorik. Denn diese Technik ist eine wichtige Neuentwicklung, um die Nährstoffe passgenauer ausbringen zu können. Diese Technik bewerten die Teilnehmenden aus Handel und Industrie wichtiger als die Praktiker. Denn die Anwendung in der Praxis hat weiteren Optimierungsbedarf.
Milchviehhaltung
In der Milchviehhaltung bewerteten die Teilnehmenden der Befragung die Wichtigkeit der Digitalisierung im Stall, des Kuhkomforts und der Automatisierung täglicher Routinearbeiten (siehe Abb. 2 und Abb. 3).
Digitalisierung im Stall
Die Digitalisierung im Stall hat hohe Bedeutung für die Weiterentwicklung der Haltungsverfahren, wie die Ergebnisse der DLG-Mitgliederbefragung zeigen. So halten die teilnehmenden Milchviehhalter die Nutzung von Sensoren für das Herdenmanagement und für die Überwachung der Tiergesundheit für wichtig bis sehr wichtig. Sensoren überwachen das Tierverhalten rund um die Uhr, und bei Abweichungen eines Tieres vom Herdenverhalten erhalten Landwirte eine Meldung. Die Herde ist mit dem „digitalen Hirten“ umfassend überwacht, somit bringen Sensoren einen echten Mehrwert für das Management der Tiergesundheit und für die Brunsterkennung.
Zudem sind die von den Sensoren erfassten Daten wichtiger Bestandteil für die Entscheidungsunterstützung in der Herdenführung. Gerade die direkte Einspeisung und Auswertung der Sensordaten in einer Herdenmanagementsoftware werden deshalb in der Praxis als wichtig bewertet.
Kuhkomfort
Auch der Kuhkomfort ist in der Praxis wichtig, insbesondere können innovative Boxentrennungen und Komfortmatratzen den Kuhkomfort erhöhen. Eine abweichende Beurteilung zwischen Landwirten und Teilnehmenden aus der Industrie zeigt sich bei der Bewertung der Bedeutung von Gummibelägen auf Laufflächen als Teilmaßnahme zur Steigerung des Kuhkomforts. Während die Befragten aus Industrie und Handel die Gummibeläge auf Laufflächen als wichtig bis sehr wichtig beurteilen, bewerten die Umfrageteilnehmer aus Beratung und Praxis diesen Ansatz als vergleichsweise weniger wichtig.
Automatisierung täglicher Routinearbeiten
Neben der Unterstützung der Herdenführung durch Sensortechnik spielt die Automatisierung täglicher Routinearbeiten eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der Haltungsverfahren in der Milcherzeugung. Den an der Befragung teilnehmenden DLG-Mitgliedern ist insbesondere das automatische Melken und das automatische Futteranschieben wichtig. Automatisches Melken setzt Arbeitskapazität frei, die für die Tierbeobachtung und Nachkontrollen eingesetzt werden kann. Gleichzeitig werden die Betriebsleiter bei der Suche nach kompetentem Personal entlastet, was angesichts der zunehmenden Knappheit an Arbeitskräften ein wichtiger Faktor ist.
Auch das automatische Futteranschieben bewerten die Befragten als wichtig. Denn diese Automatisierung schafft Spielräume für andere Tätigkeiten im Betrieb. Zudem lässt sich per Automatisierung ein regelmäßigeres Futteranschieben umsetzen, was zu einer höheren Futterverwertung führt. Insbesondere in der Ökomilchviehhaltung mit reduziertem Einsatz von Milchleistungsfutter ist dies ein wichtiger Aspekt.
Schweinehaltung
Im Bereich der Schweinehaltung wurde in der DLG-Mitgliederbefragung die Wichtigkeit von Außenklimareizen, Tiergerechtheit, Herdenmanagement und Tierbeobachtung bewertet (siehe Abb. 4).
Außenklimareize
Die Nutztierhaltung muss sich an den Bedürfnissen der Tiere orientieren – das ist eine zentrale gesellschaftliche Forderung an Tierhalterinnen und Tierhalter. Darauf hat sich die Ökoschweinehaltung mit Ausläufen, mehr Platz und mit Stroheinstreu für die Beschäftigung der Schweine sowie Futter weitgehend aus dem eigenen Betrieb bzw. aus Kooperationsbetrieben eingestellt. Den in der Ökoschweinehaltung zentralen Stellenwert der Außenklimareize für die Schweine bewerten die Praktiker, die an der DLG-Mitgliederbefragung teilgenommen haben, mit wichtig bis eher weniger wichtig. Oftmals sind Altgebäude nicht oder nur mit hohem Aufwand umzugestalten, sodass Außenbereiche für Umstellungsinteressierte mitunter nicht realisierbar sind.
Außenklimareize sind jedoch zentrale Faktoren für die tiergerechte Schweinehaltung. Deshalb ist der Auslauf in der Ökoschweinehaltung zentraler Funktionsbereich, ohne den das Stallsystem nicht funktioniert. Im Gegensatz zu den Schweinehaltern, die an der Befragung teilgenommen haben, gewichten die Befragten aus Industrie und Handel sowie aus Beratung und Wissenschaft Außenklimareize höher. Darin zeigt sich, dass beide Gruppen daran arbeiten, die Auslaufhaltung weiter zu etablieren.
Günstige Bedingungen für den Einstieg in die Ökoschweinehaltung
Für umstellungsinteressierte Schweinehalter sind die Bedingungen für den Einstieg in die Ökoschweinehaltung aufgrund der steigenden Nachfrage nach Bioschweinefleisch günstig. Interessierte sollten die betrieblichen Voraussetzungen aus den Perspektiven Markt und Erzeugung sowie bauliche Voraussetzungen intensiv mit spezialisierten Beratern analysieren. Dies gilt auch für die Vermarktung und den Abschluss von Vermarktungsverträgen. Denn diese werden oftmals für längere Zeiträume abgeschlossen und sollten deshalb intensiv vorbereitet sein.
Tiergerechtheit, Herdenmanagement und Tierbeobachtung
Die Tiergerechtheit der Haltungssysteme bewerten die befragten DLG-Mitglieder mit Schweinehaltung als wichtig bis sehr wichtig. Darin zeigt sich, dass die Tiergerechtheit der Haltungsverfahren ein Hauptfaktor in der Weiterentwicklung der Schweinehaltung ist, für den in der Praxis umsetzbare Lösungen gesucht werden. Nicht zuletzt deshalb beurteilen Entwickler aus der Industrie und Berater das Thema sogar als wichtiger, als dies Praktiker tun.
Nahezu gleich bewerten die an der Befragung Teilnehmenden die Bedeutung des Herdenmanagements und der Tierbeobachtung – alle Antwortenden halten das Thema für wichtig. Denn das frühzeitige Erkennen von etwaigen Erkrankungen ist unverzichtbar, um Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Dabei werden die verschiedenen Funktionskreise Ruhe- und Schlafverhalten, Fortbewegungsverhalten, Futteraufnahmeverhalten, Fortpflanzungsverhalten, Sozialverhalten, Komfort- und Erkundungsverhalten und Ausscheidungsverhalten beobachtet, um die Vitalität der Herden zu beurteilen. Innerhalb dieser Funktionskreise können die Schweinehalter anhand von Verhaltensindikatoren den Status der Tiere beurteilen.
Kurz zusammengefasst
Die Ergebnisse der DLG-Mitgliederbefragung zeigen: Die Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugung in Richtung Nachhaltigkeit ist in vollem Gange. Zentrale Innovationsfelder sind die mechanische Beikrautregulierung, die digitale Unterstützung des Herdenmanagements in der Milchviehhaltung und die tiergerechte Weiterentwicklung der Haltungsverfahren in der Schweinehaltung. Ökolandwirte sind hier wichtige Entwicklungspartner, denn sie bringen ihre Praxiserfahrungen aus der langjährigen Anwendung von Technik in diesen Bereichen ein. Die Antworten der DLG-Mitglieder aus Industrie/Handel und Beratung/Wissenschaft zeigen, dass die Experten insbesondere an den Bereichen mechanische Beikrautregulierung und tiergerechte Schweinehaltung arbeiten. Dies lässt für die Zukunft relevante Ergebnisse für die Praxis erwarten.
Dr. Achim Schaffner und Erik Guttulsröd
DLG-Fachzentrum Landwirtschaft
a.schaffner@DLG.org
e.guttulsroed@DLG.org
Der Artikel ist zuerst erschienen in BioTopp, Ausgabe 3/2021.