Zur Wiederzulassung tierischer Proteinquellen
Im Zuge der BSE-Krise wurden einige wichtige tierische Nebenprodukte der weiteren Nutzung als Futtermittel und damit dem Nährstoffkreislauf entzogen. Mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2021/1372 der Kommission vom 17. August 2021 zur Änderung des Anhangs IV der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich des Verbotes der Fütterung von anderen Nutztieren als Wiederkäuern (ausgenommen Pelztiere) mit tierischem Protein können diese nun wieder in der Fütterung von Schweinen und Geflügel eingesetzt werden.
Zum 7. September 2021 wird es danach möglich, verarbeitete tierische Proteine (VTP) wieder zu verfüttern. Dies beinhaltet die Verwendung von VTP von Schweinen für Geflügelfutter und von VTP von Geflügel für Schweinefutter. Dazu werden auf der Grundlage, dass Geflügel Insektenfresser und Schweine Allesfresser sind, VTP aus Insekten zur Fütterung von Geflügel und Schweinen zugelassen. Gleichzeitig wird das Verbot der Fütterung von anderen Nutztieren als Wiederkäuern mit Wiederkäuer-Kollagen und -Gelatine aufgehoben. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 bleibt die Verfütterung tierischer Proteine an Wiederkäuer aber weiterhin unzulässig.
Aktuell werden die fraglichen Futter vornehmlich im Heimtierfutter, in geringeren Anteilen aber auch als Düngemittel eingesetzt. Eine Verwendung bei Schweinen und Geflügel erfordert deshalb entsprechende Umstellungen im Futtermittelsektor sowie eine wirtschaftliche Neubewertung vor allem gegenüber dem Einsatz als Düngemittel. In der EU stehen zusätzlich jährlich annähernd 100.000 Tonnen ehemaliger Lebensmittel zur Verfügung, die Kollagen und/oder Gelatine von Wiederkäuern enthalten. Diese mussten bis dato entsorgt werden, da sie gemäß geltender Verfütterungsverbotsvorschriften nicht in der Fütterung von Nutztieren zum Einsatz kommen dürfen. Der Einsatz von Insektenprotein ist als Innovation zu betrachten.
Aus ernährungsphysiologischer Sicht stellen VTP hervorragende Einzelfuttermittel mit hohen Konzentrationen an hochverdaulichen Nährstoffen wie Aminosäuren und Phosphor und hohen Vitamingehalten dar. Mit der Zulassung soll dazu die Notwendigkeit unterstrichen werden, die Abhängigkeit der EU von Drittländern bei der Proteinversorgung aus pflanzlichen Quellen zu verringern. Der Anteil der VTP gegenüber dem derzeitigen Verbrauch an importierten Sojaextraktionsschrot ist allerdings als relativ gering zu bezeichnen.
Dennoch trägt die Verwendung von VTP maßgeblich zu einer besseren Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft bei, die auch im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsweise als unverzichtbar anzusehen ist. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Wiedereinführung von VTP größere Anstrengungen zur Schaffung und zur Verbesserung der Akzeptanz der breiten Öffentlichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich machen wird.
Ausgangspunkt für die Änderungen sind neue wissenschaftliche Gutachten zur Überarbeitung der quantitativen Risikobewertung des von VTP ausgehenden BSE-Risikos und zum potenziellen BSE-Risiko für Rinder durch die Verwendung von Wiederkäuer-Kollagen und -Gelatine in Futtermitteln für andere Nutztiere als Wiederkäuer. Diese kommen zu dem Schluss, dass das Risiko der Übertragung von BSE von Nichtwiederkäuern auf Nichtwiederkäuer vernachlässigbar ist, solange eine Rückführung innerhalb derselben Tierart vermieden wird.
Eine weitere Grundvoraussetzung für die Verwendung von verarbeitetem tierischem Nichtwiederkäuer-Protein in Futtermitteln für andere Nichtwiederkäuer sind wirksame und validierte Analysemethoden, mit denen die aus verschiedenen Tierarten gewonnene VTP voneinander unterschieden werden können. Mit DNA-basierten Untersuchungen (PCR) wird Wiederkäuermaterial in Futtermitteln nachgewiesen. Mit neuen PCR-Methoden kann von Schweinen oder Geflügel stammendes Material in Futtermitteln nachgewiesen werden, womit die Kontrolle der ordnungsgemäßen Anwendung des Verbotes der Rückführung innerhalb derselben Tierart bei Schweinen und Geflügel möglich ist.
Für die Sammlung, den Transport und die Verarbeitung der VTP gelten strenge Anforderungen, wie regelmäßige Probenahmen und die Durchführung von Analysen. Damit soll jegliches Risiko vermieden und eine Kreuzkontamination mit nicht zulässigem Wiederkäuer-Protein sowie eine Rückführung innerhalb derselben Tierart ausgeschlossen werden. Zur Absicherung der Rückverfolgbarkeit und der Transparenz des Einsatzes von VTP führen die Mitgliedstaaten aktuelle und öffentlich zugängliche Listen über Schlachthöfe, Zerlegungsbetriebe, sonstige Lebensmittelbetriebe und Betriebe für tierische Nebenprodukte sowie Verarbeitungsanlagen, zugelassene Mischfuttermittelbetriebe, Lagerbetriebe und Selbstmischer.
Auf dem Etikett von Mischfuttermitteln, die VTP enthalten, das von Nutzinsekten, Schweinen oder Geflügel stammt, muss zukünftig deutlich sichtbar der folgende Vermerk angebracht werden: ‚Enthält verarbeitetes tierisches Protein von z.B. Geflügel – darf nicht an Nutztiere, ausgenommen Tiere in Aquakultur, Pelztiere und z.B. Schweine, verfüttert werden‘. Weitere Informationen sind den Verordnungen (EU) 2021/1372 und (EG) Nr. 999/2001 zu entnehmen.