Schlacht- und Antibiotikadatenbank: Was kommt auf Milchviehbetriebe zu?
Im Forum Milchviehhaltung auf den DLG-Unternehmertagen 2021 digital berichtete Dr. Matthias Link, praktizierender Tierarzt aus Varrel (Niedersachsen) und Vertreter der Bundestierärztekammer im Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung zum Thema „Schlacht- und Antibiotikadatenbank: Was kommt auf Milchviehbetriebe zu?“
Der Status quo bei Tierwohl und Tiergesundheit in der Milchviehhaltung habe sich von 2011 bis 2020 verschlechtert, dies zeigten verschiedene wissenschaftlich durchgeführte Studien (Brinkmann et al., „PraeRi-Studie“ TiHo Hannover). Selbst im Ökobereich lassen sich bei Lahmheiten, Euterverschmutzungen, Mastitis und anderen Indikatoren keine besseren Werte als in konventionellen Betrieben feststellen.
Welche Indikatoren gelten?
Neben Tierwohlindikatoren „mit dem Zollstock“, wie zum Beispiel die Anzahl und Größe der Liegeplätze, Abmessungen der Laufgänge oder Form und Größe der Tränken, stehen derzeit weitere Indikatoren in der Diskussion, die nähere Informationen im Betrieb und an den Tieren erfassen. In der gesetzlich verpflichtenden Eigenkontrolle im Bestand stehen zudem Indikatoren wie Verschmutzungsgrad, Verletzungen, Schwellungen, Lahmheiten, Mastitiden und die Remontierungsrate zur Verfügung.
Indikatoren wie die Anzahl der Tierverluste, Schlachtbefunde, der Einsatz von Antibiotika und weiteren Arzneimitteln oder auch der Zustand der Falltiere in der TKBA (Tierkörperbeseitigungsanlage) wird derzeit wissenschaftlich untersucht, um damit Tierwohl und Tiergesundheit noch genauer zu bewerten.
Änderungen am Horizont
Am Beispiel der Erfassung der Antibiotikagaben im Rahmen der Resistenzminimierungsstrategie könnte zukünftig die Antibiotika-Dokumentation auch auf Zuchtbestände ausgeweitet werden. Auch Hühner, Zuchtsauen sowie die Milchkühe werden vermutlich früher oder später erfasst. Noch sei die verpflichtende Erfassung dieser Daten jedoch bis zum Inkrafttreten des EU-Tierarzneimittelgesetzes zurückgestellt.
Befunde von Schlachttieren könnten auf Rinder ausgeweitet werden, doch noch hält jeder Schlachthof hierzu eigene Datenerfassungen und -systeme vor, die erst noch vereinheitlicht werden müssten.
Die Mortalitätsraten im Bestand, wie zum Beispiel Kälbersterblichkeit oder Kuhverluste werden jetzt schon über die HIT-Datenbank inkl. deren Ursachen erfasst, dürfen aber nicht zum Zwecke der Beurteilung von Tierwohl genutzt werden. Ursprünglich diente die Erfassung der Mortalitätsrate zum Monitoring von Tierseuchen. Für weitere Nutzungszwecke müsse laut Dr. Link der Gesetzgeber erst die rechtliche Basis schaffen.
Dr. Link stellte zwei Pilotprojekte der QS GmbH vor, die derzeit für QS-Betriebe die Machbarkeit und Erfassung verschiedener Indikatoren in der Rinderhaltung sowie Milchproduktion prüfen. Im Rahmen des Projektes „Befunddatenbank Rinderschlachtung“ werden mit dem Start der Pilotphase ab 1. Juli 2021 Schlachtbefunde von Schlachtkühen, Färsen, Jungbullen und Kälbern erfasst, als auch Beobachtungen von Verschmutzungen, Schäden, Atemwegen, Gelenken und gegebenenfalls der Trächtigkeit in einer Datenbank notiert. Die Ergebnisse werden an die QS GmbH gesendet. In einem weiteren, Anfang April 2021 gestarteten Projekt „Antibiotika-Monitoring für QM-Milch-Betriebe“ werden Antibiotika-Anwendungen durch die Bestandstierarztpraxen gemeldet und vierteljährlich durch QS ausgewertet.
Wohin mit den erfassten Daten?
Neben QS, Qualifood, Progesund, Netrind, KuhVision oder VIT Verden stehen zwar verschiedene privatwirtschaftliche Datenbank-Betreiber zur Verfügung, Link sieht jedoch die offizielle Überwachungsdatenbank der Behörden HI Tier „Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere – HIT-Datenbank“ als einzige sinnvolle Plattform an, in der alle amtlich zu verwertenden Daten erfasst werden sollten.
Fazit
Dr. Matthias Link sieht bei einer zunehmenden Dynamik der Tierwohl-Debatte für die Tierhaltungsbranche eine große Chance, weil gesellschaftsübergreifender Konsens über mehr Tierwohl bestehe. Erstmals sei durch die Borchert-Kommission ein gesellschaftsübergreifender Konsens zur intensiven Förderung eines Umbaus der Tierhaltung gefunden worden. Dies hätte das Potential, die Tierhaltung in Bezug auf Tiergesundheit und Tierwohl zu verbessern. Die Datenbanken für Tierwohl-Indikatoren seien eine Chance, proaktiv in der Branche das Thema Monitoring von Tierwohl und Tiergesundheit voranzubringen.
„Landwirtschaft hat ein enormes Innovationspotenzial, wenn wir dieses für mehr Tierwohl nutzen, haben wir eine riesen Chance, dass wir in der Gesellschaft wieder eine Position erreichen können, auf die wir stolz sind,“ hielt Dr. Link zum Abschluss seines Vortrages fest.