Schluss mit hohlen Phrasen!
Martin Courbier zur Sicht des Agrarhandels auf den Green Deal
Der Agrarhandel unterstützt die übergeordneten Ziele des Green Deal für mehr Klima-, Umwelt- und Naturschutz uneingeschränkt. Eine nachhaltige und zukunftssichere Wirtschaftsweise liegt in der DNA der seit mehreren Generationen überwiegend familiengeführten Unternehmen.
Bei der Präsentation des Green Deal vor nun fast zwei Jahren erklärte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, sie wolle globale Standards für wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit schaffen und gleichzeitig eine sichere Versorgung mit erschwinglichen Lebensmitteln gewährleisten. Nach den Plänen der Kommission soll das unter anderem mit einer deutlichen Reduktion des Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes sowie dem Ausbau des Ökolandbaus auf 25 Prozent erreicht werden.
Eine jüngst veröffentlichte Studie von Prof. Dr. Dr. Henning (Uni Kiel) und Dr. Witzke (Eurocare, Bonn) zeigt nun, dass diese Maßnahmen in klarem Zielkonflikt zu der von Frau von der Leyen getätigten Aussage stehen, dass die nachhaltigsten Lebensmittel auch die erschwinglichsten sein sollen.
Doch auch dem übergeordneten Ziel des Green Deal, nämlich dem Klimaschutz, werden die seitens der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen nicht gerecht. Zwar stellt die Studie fest, dass sich der Green Deal in der EU grundsätzlich positiv auf das Klima auswirkt, denn die Treibhausgas(THG)-Emissionen der Landwirtschaft werden um 109 Mio. t CO2-Äquivalente gesenkt.
Dann kommt jedoch ein großes Aber: Durch Leakage-Effekte induziert die Umsetzung des Green Deal nämlich zusätzliche THG-Emissionen in der Höhe von 54,3 Mio. t CO2eq. in der Landwirtschaft in Nicht-EU-Ländern. Die Emissionen werden quasi exportiert. Hinzu kommt, dass der Green Deal laut Studie zu einer Umwandlung von Wald oder Moorgebieten in landwirtschaftliche Nutzfläche führen wird. Das bedingt ebenfalls zusätzliche THG-Emissionen in Höhe von 50 Mio. t CO2eq.
Auf der einen Seite senkt der Green Deal also die THG-Emissionen der Landwirtschaft um 109 Mio. t CO2eq, nur um sie an anderer Stelle um 104 Mio. t CO2eq anzuheben. Somit kommt die Studie zu der eindeutigen Aussage: Der Green Deal ist nicht klimawirksam!
Allein dieses Ergebnis müsste Anlass genug für die EU-Kommission sein, die Maßnahmen des Green Deal zu überdenken. Falls das aber noch nicht Anreiz genug ist: Der Green Deal führt außerdem zu einem signifikanten Produktionsrückgang (zum Beispiel -20 Prozent für Getreide und Ölsaaten) sowie zu entsprechenden Preissteigerungen in der EU.
Für mich persönlich zeigen die Studienergebnisse vor allem eines: Wunsch und Wirklichkeit liegen meilenweit auseinander. Der Wunsch nach mehr Klima-, Umwelt- und Naturschutz ist richtig. Der Weg dahin und somit die Wirklichkeit ist allerdings in weiten Teilen völlig unklar.
Die Zeiten der hohlen Phrasen für den schnellen Applaus sind endgültig vorbei, und zwar für beide Seiten! Wir brauchen eine Verständigung aller Stakeholder auf Augenhöhe und einen ehrlichen Umgang mit bestehenden Zielkonflikten, um sowohl mehr Klima-, Umwelt- und Naturschutz sowie mehr Nachhaltigkeit als auch eine sichere Versorgung mit bezahlbaren Lebensmitteln zu gewährleisten.
Dank der Studie wissen wir nun schon einmal, wie es nicht geht. Der Agrarhandel hat ein echtes Interesse daran, herauszufinden, was der richtige Weg ist und wird diesen Prozess intensiv begleiten.