DLG-Gräsertagung: Steigende Ansprüche
Endlich mal wieder eine Fachtagung mit persönlicher Begegnung, endlich wieder mal die Kollegen aus der Branche treffen – so kamen 70 Experten zur 61. Fachtagung des DLG-Ausschusses Gräser, Klee und Zwischenfrüchte diese Woche in das Gustav-Stresemann-Institut e.V. in Bonn. Selbstverständlich wurden die 3-Regeln strikt eingehalten.
Märkte verändern sich
Durch Corona-Pandemie bedingt haben sich die Möglichkeiten des internationalen Handels deutlich geändert. Mangelnde Verfügbarkeiten von Containern, deutlich angestiegene Transport- und Frachtpreise erschweren den internationalen Handel.
Die einst so ertragreichen Saatgutproduktionen in den USA und hier insbesondere in Oregon, sind witterungsbedingt eingebrochen. Anbauflächen gehen zugunsten anderer Dauerkulturen wie Nüssen, Beeren oder Weinbau signifikant zurück.
Kanada berichtet ebenfalls von einer extremen Trockenheit und einem deutlichen Ertragseinbruch.
Aus diesen Entwicklungen ist klar abzuleiten, dass die Marktversorgung mit Saatgut von Gräsern, Klee und Zwischenfrüchten aus eigener europäischer und insbesondere aus deutscher Produktion einen weitaus höheren Stellenwert bekommen hat als in den Vorjahren.
Nicht nur für die Versorgung der europäischen und deutschen Märkte gewinnt die eigene Saatgutproduktion an Bedeutung. Europa und damit auch Deutschland hat zunehmende Chancen für den Saatgutexport außerhalb Europas, auch in die einstmals so großen Exportländer USA und Kanada.
Die Statistik des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter weist für die Gräservermehrung in Deutschland eine Anbaufläche von rund 32.000 ha aus, ein Plus von 21 Prozent gegenüber dem fünfjährigen Mittel. Auch das größte Produktionsland für Grassamen und Klee, Dänemark, hat sich auf eine zunehmende Versorgung der Märkte aus eigener Produktion eingestellt und die Vermehrungsfläche zur Ernte 2021 auf deutlich über 100.000 ha ausgedehnt, so dass hier ein Erntevolumen von ca. 140.000 t erwartet wird.
Wurde vor einigen Jahren in diesem Kreis noch über die ungewisse Zukunft insbesondere der deutschen Saatgutproduktion im internationalen Bereich intensiv diskutiert, so hat sich das Blatt gedreht und die Bedeutung wird aus den beschriebenen Gründen immer wichtiger.
Erträge mit geringerem Düngeraufwand produzieren
Trockenheit 2020, späte Vegetation im Jahr 2021 oder starke Niederschläge stellten die Saatguterzeugung und den Absatz der Produkte während der vergangenen beiden Jahre vor Herausforderungen.
Doch die Nachfrage nach heimischem Saatgut ist groß und so galt es im Rahmen der DLG-Gräsertagung Probleme anzusprechen und Lösungen aufzuzeigen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die anstehenden Änderungen durch die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU und die Einschränkungen in den Möglichkeiten der Anbautechniken, insbesondere im Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern
Zum Thema weiterer Einschränkungen in der Düngung, können die dänischen Landwirte auf weitreichende Erfahrungen zurückblicken. Eine Reduzierung der ausbringbaren Düngemengen hat neben den guten klimatischen Bedingungen in Dänemark dafür gesorgt, dass mit geringeren Stickstoffmengen im Vergleich zum Getreide immer noch gute Grassamenerträge erzeugt werden konnten. Leif Knudsen vom Institut SEGES in Aarhus/Dänemark berichtete in Bonn über die Erfahrungen im Umgang mit reduziertem Stickstoffeinsatz.
Resistenzen, Reinheit und Regulierung
Eine weitere Aufgabe für unsere Branche wird sein, den wachsenden Anteil der ökologischen Landwirtschaft mit ökologisch erzeugtem Saatgut zu bedienen. Hierzu referierten Janina Fritsch und Jürgen Held, beide vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., über rechtliche Voraussetzungen für die Vermehrung und das Inverkehrbringen von Ökosaatgut. Und auch die Praxisberichte kamen nicht zu kurz. In einem lebendigen Vortrag erläuterte Dr. Ralf Marold die ökologische Saatguterzeugung auf seinem Thüringer Betrieb und wie er sich auf die umfassenden Ansprüche eingestellt hat. Ein besonderer Schwerpunkt vor allem in der Saatgutproduktion ist es, reine Produkte in hoher Qualität zu erzeugen. Der Markt verlangt arten- und sortenreines Saatgut mit höchster Qualität in Reinheit, Besatz und Keimfähigkeit. Aber die Einschränkungen im Pflanzenschutz erschweren dies – doch welche Alternativen tun sich auf?
Ackerfuchsschwanz – mit welchen Strategien in der Fruchtfolge der Ausbreitung des Ungrases entgegentreten? Dirk Kerlen von Bayer CropScience zeigte die Erfahrungen aus praktischen Versuchen. Resistente Weidelgräser – ein zunehmendes Problem im Ackerbau. Dr. Dominik Dicke vom Regierungspräsidium Gießen hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und stellte Versuchsergebnisse und Bekämpfungsstrategien dem Fachpublikum der Tagung vor. Doch auch mechanische Möglichkeiten zur Ungras- und Unkrautregulierung halten verstärkt Einzug in die Praxis. Über die Möglichkeiten und den aktuellen Stand berichtete Jakob Hagemann von Treffler Maschinenbau. Fruchtfolge, angepasste Bodenbearbeitung und vor allem Resistenzmanagement bieten Optimierungspotenzial und bilden langfristig die Grundlage für erfolgreichen Anbau.
Züchtung als Schlüssel
Und sollte trotz sorgfältigster Arbeit auf dem Feld-, das gewonnene Erntegut nicht hundertprozentig „sauber“ sein, bleibt nur die Aufreinigung. Ein Spezialist dafür ist Franz Weber aus Österreich, der die Zuhörer mit den Möglichkeiten im Detail begeisterte. Selbst wenn in der Bewirtschaftung, Ernte und Aufbereitung noch einige Potenziale schlummern, bietet das genetische Material den Grundstock. Und so ist der Ruf nach Züchtungsmethoden, die Kulturpflanzen auf die zukünftigen Anforderungen wie Klimawandel, Wassereffizienz oder Unkrautunterdrückung, anpassen sollen, größer denn je.
Welche Züchtungsmethoden gibt es und was kann Züchtung für die Zukunft leisten? Dr. Stephan Hartmann von der Bayrischen Landesanstalt für Landwirtschaft, gab einen Überblick von klassischer Züchtung bis CRISPR-CAS. Mit standortangepasstem Ausgangsmaterial, entsprechender Bewirtschaftung und Aufbereitung lässt sich Saatgut in höchster Qualität zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren, um den Markt termingerecht beliefern zu können. Und so zeigte Dr. Heino Schaupp-, von der Deutschen Saatveredelung AG die Entwicklungen aus Ernte und Lagerbestand sowie die Nachfrage in Europa und weltweit.
Die Tagung brachte spannende Vorträge und Diskussionen, sowie einen direkten fachlichen Austausch, und das mit persönlicher Begegnung – eine rundum gelungene Veranstaltung, die schon jetzt neugierig macht auf das nächste Jahr.
Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann merken Sie sich bereits jetzt den 08.11.2022 als Termin für die kommende DLG-Gräsertagung vor und nehmen Sie gerne Kontakt auf.
Siv Biada
Leiterin Internationales DLG-Pflanzenbauzentrum
Joachim Hütter
Vorsitzender DLG-Ausschuss für Gräser, Klee und Zwischenfrüchte