Weiter hohe Preisschwankungen
Bernhard Chilla zum Getreidemarkt 2021/22
Der Weizenpreis an der europäischen Warenterminbörse Matif in Paris erreichte am 2. November 2021 mit 291 Euro/Tonne den höchsten Wert seit dem 3. März 2008. Damals notierte der Schlusskurs knapp zwei Euro/Tonne höher. Die Weizenversorgung in den wichtigsten Exportländern der Welt soll nach den aktuellen Schätzungen des amerikanischen Landwirtschaftsministerium USDA so knapp versorgt sein wie noch nie in den vergangenen 20 Jahren. Es lohnt ein Blick ins Detail.
Zwei große Einflussfaktoren ließen den Weizenkurs so stark steigen: Die Ernteausfälle in Nordamerika (vor allem in Kanada), in Russland sowie die verregnete Ernte 2021 in Frankreich, Deutschland oder den baltischen Staaten. Zusätzlich litt dann auch noch die Qualität beim Weizen, so dass international das Angebot von Mahlweizen im Vergleich zu den Vorjahren schrumpfen sollte.
Als Folge dieser Angebotsprobleme verschoben sich in diesem Wirtschaftsjahr sehr frühzeitig die globalen Handelsströme. Deutscher Weizen war daraufhin so früh im Export gefragt wie noch nie in den vergangenen Jahren. Baltischer Weizen wurde nach Mittelamerika exportiert, Frankreich verschifft Weizen nach Mexiko oder auf die Philippinen.
Der andere wichtige Einflussfaktor für die beschriebene Preisentwicklung in den vergangenen Wochen war die hohe internationale Nachfrage. In den ersten vier Monaten des Wirtschaftsjahres wurde weltweit noch nie so viel Weizen gehandelt. Der Iran und die Türkei kauften vergleichsweise viel Weizen, da dieses Jahr die Erntemenge durch eine langanhaltende Trockenheit weit unter dem Vorjahr und dem langjährigen Mittel liegen soll. Jetzt stellt sich aber im Herbst 2021 die Frage, ob die weltweite Versorgungsbilanz tatsächlich so knapp ausfällt, wie augenblicklich geschätzt wird und ob sich das relativ sehr hohe Preisniveau hält.
Der größte Einflussfaktor wird nun sein, wie sich die weitere Weizennachfrage entwickelt. Deutscher Weizen könnte weiterhin im Export gefragt sein, wenn die Länder im Nahen oder Mittleren Osten so viel Weizen nachfragen, wie derzeit erwartet wird.
Viele Marktbeobachter rechnen mit den höchsten Weizeneinfuhren sei 2014/15. Damals war Deutschland der wichtigste Anbieter von Weizen für den Iran. Zudem könnte auch der Weizenexport in die westlichen Nachbarländer Deutschlands wie im Vorjahr Fahrt aufnehmen, doch auch das hängt davon ab, wie viel Weizen Frankreich nach China bringen wird. Derzeit wird erwartet, dass die Weizenimporte Chinas ähnlich hoch wie im Rekordjahr 2020/21 bleiben. Der wichtigste Einflussfaktor in diesem Herbst wird aber sein, wie sich die Exportpolitik für Getreide in Russland in den kommenden Monaten aussehen wird.
Es halten sich Gerüchte, dass die russische Regierung wie im Vorjahr Exportquoten einführen möchte, um die inländischen Lebensmittelpreise nicht weiter steigen zu lassen. Die Höhe möglicher Exportquoten wird dann darüber entscheiden, wie hoch die Weizenausfuhren für das verbleibende Wirtschaftsjahr ausfallen könnten und ob sich die Handelsströme dann auch verschieben. Doch diese weitere Entwicklung der Exportpolitik Russlands ist schwer absehbar.
Eine anderer wichtiger Einflussfaktor für die inländische Nachfrageentwicklung wird sein, dass sich der Weizen auf dem aktuellen Preisniveau nicht mehr richtig in die Futterrationen rechnet. Mais und auch Gerste werden verstärkt den Weg zurück in die Futtertröge finden. Das diesjährige Maisangebot sollte weit über der Vorjahresmenge liegen. Auch der knappe Frachtraum in diesem Herbst in Deutschland verhindert, dass mehr Weizen bewegt werden kann als möglicherweise gefragt sein wird. Das könnte am Ende auch das Exporttempo verlangsamen. Somit bleiben die weiteren Entwicklungen im Weizen- und damit im Getreidemarkt weiter von vielen Unsicherheiten begleitet. Dadurch sollten die Preisschwankungen vor allem in den kommenden Wochen weiter hoch bleiben. Das sollte für die Vermarktung des restlichen Getreides aus der Ernte 2021 im Hinterkopf bleiben.