Bodenhumus - ein Geschäftsmodell?
Nils Borchard und Thomas Preuße zum aktuellen „Hype“
Das Ziel, Klimaneutralität auf europäischer Ebene bis 2050 und in Deutschland sogar schon 2045 zu erreichen, ist ambitioniert. Sicher: Die größten Einsparpotentiale werden in den Sektoren Verkehr, Industrie und Energie erzielt. Aber diese Sektoren werden nur über Kompensationsmechanismen Klimaneutralität erreichen. Das heißt, sie müssen sich gewissermaßen „freikaufen“.
Hier kommen die Böden ins Spiel, da ihnen eine enorme Speicherkapazität nachgesagt wird. Dabei steuern verschiedene Mechanismen ihre Fähigkeit, Kohlenstoff dauerhaft einzulagern.
Moorböden zum Beispiel machen nur ca. 3 Prozent der Erdoberfläche aus, speichern jedoch ca. 30 Prozent des Bodenkohlenstoffes. Insofern kann mit konsequentem Moorschutz auf relativ kleiner Fläche ein sehr großer Beitrag zu Festlegung von Kohlenstoff in Böden geleistet werden, auch und gerade in Deutschland. Andere Möglichkeiten werden in der Praxis umgesetzt und/oder von der Politik gefordert und demnächst vielleicht auch gefördert, mit dem Ziel, landwirtschaftliche Böden langsam mit Kohlenstoff anzureichern. Aber hier taucht ein erstes großes Fragezeichen auf: Gelingt es, allein über Fruchtfolge, Zwischenfrüchte oder pfluglose Bestellung (um nur die am häufigsten genannten Maßnahmen zu nennen) dauerhaft, Humus aufzubauen?
Bisher erfolgreiche Geschäftsmodelle wie das im österreichischen Kaindorf basieren oft auf dem Einbringen großer Mengen organischer Substanz von außen, zum Beispiel Kompost. Das ist bedeutet vielleicht Humusaufbau, aber wegen möglicher „Leakage-Effekte“ nicht automatisch Klimaschutz. Ganz abgesehen davon, dass es gelingen muss, langfristig stabile Humusformen aufzubauen. Humusabbau verläuft gegebenenfalls schneller als Humusaufbau. Und jeder Boden hat eine spezifische Sättigungsgrenze, ab der „nichts mehr geht“.
Deshalb steht hinter der Idee, Pflanzenkohle oder Biokohle in Böden zu bringen, ein zweites Fragezeichen. Denn auch hier kommt es auf die Stabilität der Kohle und die Herkunft der organischen Substanz an. Abgesehen davon sind natürliche Prozesse, die Kohlenstoff in Böden „pumpen“, zu bevorzugen, da eine nachhaltige Schädigung der Böden auszuschließen ist.
Ein drittes Fragezeichen betrifft die Verifizierung erbrachter Leistung. Die „klassische“ Humusbestimmung zu Beginn und ein paar Jahre später ist aufwendig. Sie liefert zudem unsichere Ergebnisse, weil Humusbestandteile nicht notwendigerweise „stabil“ sind. Es stellt sich zudem die Frage, warum überhaupt Pflanzenkohle oder Biokohle in Böden bringen?
Es gibt zwar Ansätze (zum Beispiel der Firma Indigo), den Humusaufbau von einem Ausgangswert aus hochzurechnen. Aber insgesamt werden angesichts der Schwierigkeiten mit der Messung die Stimmen lauter, die eher die Maßnahmen fördern als konkrete Ergebnisse bezahlen wollen. Dann würden sich Landwirte, die alles richtig machen und schon heute hohe Humusgehalte vorweisen können, auch nicht „bestraft“ vorkommen. Das würde aber den Zertifizierungsgrundsätzen widersprechen und in Teilen mit der EU-Agrarpolitik kollidieren, die eine Doppelförderung ausschließt.
Das vierte und nur in diesem Kommentar letzte Fragezeichen steht hinter der Höhe des CO2-Preises. Für die Landwirtschaft kommt absehbar nur der freiwillige Markt in Frage, und auf dem bewegen sich die „Tarife“ zwischen unter 10,- bis bestenfalls 30,- Euro/t CO2. Viel zu wenig, um auch nur eine gute Zwischenfrucht von ihrer „Speicherleistung“ zu bezahlen. Für ein Geschäftsmodell müsste CO2 70,- oder 100,- Euro/t kosten. Aber die Landwirtschaft könnte der letzte Bereich sein, der in das verpflichtende ETS-System der Klimazertifikate eingebunden sein wird, das solche Preise ermöglicht.
Für Landwirte heißt das: Maßnahmen zum Klimaschutz sind meist auch Maßnahmen für mehr „Bodenfruchtbarkeit“. Diese sollte das primäre Ziel sein. Wenn dann noch ein paar Euro „Klimageld“ hinzukommen, umso besser.