Pflanzenschutzmittel reduzieren? Das geht – aber dann bitte richtig!
Frank Gemmer zum chemisch-synthetischen Pflanzenschutz in der EU
Die Zielmarken der europäischen Farm-to-Fork-Strategie (F2F) werden auch für die deutsche Landwirtschaft künftig erhebliche Einschnitte beim Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln bedeuten. Ihre Anwendung und ihr Risiko soll nach den Vorgaben der EU um 50 Prozent reduziert werden – über die Details beraten derzeit die Gremien.
In mehreren Impact-Assessments, etwa von Wissenschaftlern der Universität Wageningen, des US-Department for Agriculture oder der Universität in Kiel, wurden die Auswirkungen dieser Strategie analysiert. Alle Modellierungen kommen zum gleichen Ergebnis: Die Produktivität der landwirtschaftlichen Produktion wird erheblich zurückgehen und die EU entwickelt sich zunehmend zum Importeur auf den Agrarmärkt. Und für die Konsumenten bedeutet die F2F-Strategie erhebliche Preissteigerungen.
Ob die gewünschten Umwelt- und Nachhaltigkeitseffekte wirklich eintreten, ist fraglich, da die Produktion bei weitgehend gleichbleibender Nachfrage in andere Weltregionen verlagert wird. Die Klimaeffekte der landwirtschaftlichen Produktion werden - global gesehen - nicht reduziert, sondern „exportiert“ (Stichwort: Carbon Leakage).
Die europäische Pflanzenschutzindustrie hält die Reduktionsziele für sehr ambitioniert, aber nicht unmöglich zu erreichen. Das wichtigste Element aus unserer Sicht sind Innovationen. Die führenden Unternehmen der Branche investieren in diesem Jahrzehnt 4 Milliarden Euro in biologische Pflanzenschutzmittel und weitere 10 Milliarden Euro in die Digitalisierung zur noch präziseren Ausbringung ihrer Produkte.
Durch zielgerichtete und punktgenaue Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln können Einträge und Emissionen genauso minimiert werden wie durch den Einsatz von Früherkennungssystemen wie Drohnen, Sensoren an den Ausbringungsgeräten (Smart-Sprayer) oder die Nutzung von Satellitenbildern. Erste Analysen haben ergeben, dass mit solchen Technologien erhebliche Mengen an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden können - bei gleichzeitigem Erhalt der Produktivität. Dies erscheint wesentlich zielführender als pauschale Verbote oder ein nicht marktgerechter Ausbau des Ökoanbaus.
Durch Nutzung von Innovationen anstatt von Verboten kann zum Beispiel auch dank des Einsatzes neuer Züchtungsmethoden die Kulturvielfalt im Anbau erweitert werden. Genauso können resistente und resiliente Sorten angebaut werden, die weniger Pflanzenschutz benötigen. Als Industrieverband appellieren wir an die Regierung, anstatt auf pauschale Verbote auf die Kommunikation mit den Innovatoren zu setzen und gemeinsame Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft zu erarbeiten.
Die Unternehmen der Branche sind bereit, hier große Summen zu investieren, benötigen aber klare Rahmenbedingungen und eine ideologiefreie Diskussionskultur. Denn nur durch Forschung und Innovation können die großen Herausforderungen wie Klimawandel und Verlust an biologischer Vielfalt gelöst werden. Die aktuelle Politik der EU und in Deutschland führt dagegen zu Produktionsrückgängen, Verlagerung der Produktion und von Umwelteffekten auf Kosten höherer Preise.