30 Prozent Ökolandbau: Das sagen Öko-Unternehmer
Öko-Unternehmer aus Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel und Beratung diskutierten beim Forum des DLG-Ausschusses Ökolandbau im Rahmen der DLG-Wintertagung, ob 30 Prozent Ökolandbau ein nahes Ziel oder eine ferne Vision sind. Und sie stellten fest: Mit den richtigen Maßnahmen ist organisches Marktwachstum möglich.
Beim Forum des DLG-Ausschusses Ökolandbau im Rahmen der DLG-Wintertagung berichtete Öko-Landwirt Johannes Müller vom Biolandhof Müller-Oelbke in Gleichen, dass er in allen Verkaufsstätten – vom Naturkostfachhandel über den klassischen LEH bis hin zu Abo-Kisten-Lieferanten – steigende Absätze beobachtet. Das unterstreiche die derzeit guten Marktchancen für Ökoprodukte.
Gleichzeitig weist Müller darauf hin, dass auch bei grundsätzlich positiven Marktentwicklungen auf einzelnen Märkten bei stark steigender Erzeugung und stagnierendem Absatz Preisschwächen entstehen können. Derzeit ist das auf dem Dinkelmarkt der Fall. So gilt es im Umfeld wachsender Märkte, Risiken zu streuen und eine vielfältige Produktpalette zu erzeugen beziehungsweise zu vermarkten.
Vermarktung: Möglichst partnerschaftlich aufstellen
Entscheidend für das weitere Wachstum der Bio-Branche ist in den Augen Müllers der Ausbau der Verarbeitungskapazitäten. Dabei muss die Öko-Branche Verarbeitungskapazitäten dezentral aufbauen. Denn konzentrierte Strukturen wie im konventionellen Landbau helfen nach Ansicht Müllers nicht, die notwendigen Mengensteigerungen bei hoher Wertschöpfung zu erreichen.
Neben dem aufnahmefähigen parkt und wirtschaftlichen Aspekten weist der Öko-Landwirt darauf hin, dass die Umstellung auf den Ökolandbau aus Überzeugung erfolgen muss. Denn sich ändernde Betriebsabläufe und eine aktivere Rolle der Landwirte in der Vermarktung ändern die Aufgabenbereiche der Betriebsleiter. Zudem darf sich die Förderung des Ökolandbaus nicht auf Flächenprämien beschränken, sondern muss auch Forschung, Bildung und Beratung umfassen. Denn nur ein umfassendes Paket an Maßnahmen sorgt dafür, Landwirten Perspektiven im Ökolandbau aufzuzeigen und das notwendige „Rüstzeug“ für einen Start im Ökolandbau mit auf den Weg zu geben.
Mit dem starken Marktwachstum des Ökolandbaus sieht Müller durchaus das Risiko einer zunehmenden Preisorientierung im Handel. Deshalb kommt es mehr denn je darauf an, eine vertrauensvolle Basis mit Abnehmern aufzubauen. „Ein Schlüssel dazu sind regionale Kooperationen“, ist Müller überzeugt. Dazu gehöre auch, Absatz- und Erzeugungsmengen möglichst aufeinander abzustimmen, so dass sich Angebot und Nachfrage weitgehend decken und Übermengen vermieden werden. Deshalb sollten Öko-Landwirte schon bei der Anbauplanung eng mit den Abnehmern im Gespräch sein.
Biofleisch: Weitere Verarbeitungskapazitäten vorhanden
„Aktuelle Ernährungstrends wie gesunde Ernährung oder Essen mit niedrigem Klima-Fußabdruck sind eine gute Basis für den Absatz von Bioprodukten“, so Bruno Jöbkes vom Bio-Schlachtunternehmen Naturverbund. „Bio erfüllt viele der von den Verbrauchern erwarteten Attribute. Deshalb fühlen sich Verbraucher von Bioprodukten angesprochen. Auf dieser Basis können Vermarkter weitere Kundenkreise erreichen“, betonte der Öko-Unternehmer.
Die Verarbeiter sieht er in der Fleischvermarktung und Milchverarbeitung nicht als Nadelöhr. Vielmehr sind Schlachtereien und Molkereien in der Lage, mehr Ökoprodukte zu verarbeiten. So fragen beispielsweise große Verarbeiter inzwischen größere Mengen an Öko-Verarbeitungsfleisch nach und steigern bereits jetzt ihre Absatzmenge an Bioprodukten.
Wachstumsmöglichkeiten für den Absatz von Biofleisch sieht Jöbkes insbesondere im klassischen Lebensmitteleinzelhandel. Die Platzierung eines breiteren und tieferen Angebotes verschiedener Markenhersteller und der Verkauf über die Bedientheke sind Ansatzpunkte, die Verkaufsmengen zu steigern. Letztlich hängt es von der Motivation der Marktleiter der Supermärkte ab, ob sie Biofleisch in der Theke platzieren. In Bezug auf das 30-Prozent-Ziel hält Jöbkes fest, dass 30 Prozent Ökolandbau nicht gleichbedeutend mit 30 Prozent Ökofleisch einhergehen. Denn Bio-Kunden kaufen weniger Fleisch, so Jöbkes.
Die größte Herausforderung sieht Jöbkes in der Anpassung der Logistikstrukturen mittelständischer Lebensmittelhersteller. Während die Belieferung bisher im Wesentlichen als Streckengeschäft erfolgt, also mit der direkten Belieferung von Supermärkten, bietet die Belieferung von Zentrallagern mit Frischeprodukten große Chancen für den Absatz von Bioprodukten.
Allerdings ist die zentrale Belieferung eine große Herausforderung: Bestellungen gehen täglich bis 20.00 Uhr ein, und die bestellte Ware muss bereits am nächsten Tag um 7.00 Uhr im Zentrallager liegen. Die mittelständischen Hersteller müssten sich deshalb auch logistisch neu aufstellen, um diesen Absatzkanal zu bedienen.
30 Prozent Bio im Handel: Eine Frage des Willens
„30 Prozent Bio im Handel sind keine Frage des ob, sondern des wie“, das stellte Michael Radau, Vorstand der Super-Biomarkt AG in Münster, fest. Der Biofachhandel ist in den letzten Jahren zweistellig gewachsen und nimmt nach seiner Einschätzung eine wichtige Funktion ein, um das 30-Prozent-Ziel zu erreichen.
Und auch der klassische LEH ist auf dem Weg: So erreicht der Lebensmittelhändler tegut bereits heute mit Ökoprodukten einen Umsatzanteil von 30 Prozent, in einzelnen Läden sogar 50 Prozent. Entscheidend sei der Wille, Bio listen und verkaufen zu wollen. Der Schlüssel für den Absatz von Bio sind innovative Konzepte im Verkauf, die nicht den Preis, sondern die Leistung von Bio in den Vordergrund stellen.
Lebensbedingungen für Bio-Tiere, Umweltleistungen des Ökolandbaus oder auch die Menschen, die hinter Bio stehen sind Ansätze, Biosortimente zu profilieren und neue Käufer zu gewinnen, ist Radau überzeugt. Öko muss deshalb weiterhin eine Option für eine „enkeltaugliche“ Ernährung sein, die Ressourcen, Biodiversität und Klima schützt und damit Lösungen für Menschen bietet, die bewusste Einkaufsentscheidungen treffen.
Mit der Strategie, Bio über den Preis so billig wie möglich zu verkaufen, wird nach seiner Einschätzung Bio hingegen scheitern. Radau ist zudem davon überzeugt, dass der Handel 30 Prozent Bio mit Bioprodukten aus Deutschland erreichen kann. Und das auch mit einem Preisniveau, dass die Kosten in der Wertschöpfungskette deckt.
30 Prozent Bio benötigt die Ernährungswende
Radau sieht für 30 Prozent Bio zudem die Notwendigkeit, die Ernährung zu deutlich größeren Teilen auf pflanzliche Lebensmittel umzustellen, um Ressourcen zu sparen. In dem sich ändernden Konsumverhalten spielt Biofleisch mit höherer Qualität, aber dafür in geringerer Menge weiterhin eine Rolle.
Auf die Frage, ob sich die Menschen Ökoprodukte leisten können, unterstreicht Radau, dass der Schlüssel zu mehr Öko auch bei der Prioritätensetzung im Konsumverhalten liegt. Notwendig sei, eine klare Priorität auf qualitativ hochwertige Lebensmittel – in Bezug auf deren Beschaffenheit und den Prozess der Erzeugung – zu legen, so Radau.
Marktentwicklung wichtigster Faktor für die Entwicklung des Ökolandbaus
„30 Prozent Ökolandbau in den nächsten acht Jahren zu erreichen, ist eine Herkulesaufgabe“, das stellte Karl Kempkens vom Ökoteam der Landwirtschaftskammer NRW fest. Jedoch ist es nicht entscheidend, ob die Öko-Branche das Ziel 2030 oder einige Jahre später erreicht. Zentral sei vielmehr ein organisches Wachstum der Branche, so dass alle Umstellenden erfolgreich im Ökomarkt unterwegs sind. Wichtigster Faktor bei der weiteren Entwicklung des Ökolandbaus ist die Marktentwicklung – sowohl bei der Nachfrage nach Ökoprodukten als auch die Marktentwicklung im konventionellen Landbau. Denn letzterer beeinflusst direkt die Umstellungsbereitschaft der Landwirte.
Kempkens beobachtet, dass bei allem Marktwachstum die Preise für Ökoprodukte mitunter nicht auskömmlich sind. So ist der Preis für Biomilch in den letzten Jahren stagniert, während die Kosten gestiegen sind. Zudem sind die Verarbeitungs- und Handelsstrukturen unzureichend auf den Ökolandbau eingestellt, so Kempkens. Es fehlt insbesondere an regionalen Wertschöpfungsketten, in denen die Marktpartner auf Augenhöhe verhandeln und partnerschaftlich agieren. Der Entwicklung regionaler Wertschöpfungsketten ist jedoch zentral, um den Anteil an Ökoprodukten zu steigern und die Akteure der Wertschöpfungskette angemessen an der Wertschöpfung teilhaben zu lassen.
Die Bedingungen der neuen Agrarpolitik wie beispielsweise die Kappung der Förderung durch Öko-Regelungen oder das Kürzen von Öko-Förderungen in einigen Bundesländern sind nach Einschätzung von Kempkens nicht optimal. Kempkens hält die Gestaltung der GAP jedoch nicht für das entscheidende Kriterium für die weitere Entwicklung des Ökolandbaus. Insbesondere in Phasen ungünstiger Marktentwicklungen für Produkte der konventionellen Landwirtschaft nimmt das Interesse an der Umstellung zu.
Wenn Betriebe jedoch in Schwierigkeiten geraten sind, kann der Ökolandbau nicht die Rettung sein. Die Umstellung ist vielmehr eine strategische Entscheidung für die Betriebsentwicklung, die das Ergebnis einer intensiven Prüfung betrieblicher Chancen und Risiken sein muss, so Kempkens.
In Bezug auf den Abbau von Hemmnissen hält Kempkens eine gemeinsame Absatzinitiative von Bund, Ländern und Kommunen für unverzichtbar. So spielen Öko-Modellregionen unter der Beteiligung von Landwirten, Verarbeitern und Verbrauchern beispielsweise in Bayern eine zentrale Rolle als Initiator für mehr Ökolandbau.
Auch verbandsübergreifende Bio-Erzeugergemeinschaften sind notwendig, um Mengen zu bündeln, Preise zu verhandeln und Ökoprodukte zu vermarkten. Ein weiterer Faktor für mehr Ökolandbau ist die Einführung der Entlohnung von Gemeinwohlleistungen. Aber auch Aus- und Fortbildung in den landwirtschaftlichen Fachschulen ist notwendig, um jungen Landwirt*innen den Ökolandbau als mögliche betriebliche Perspektive aufzuzeigen.
Impulse für den Ökolandbau sind möglich
Die Experten im Forum zeigten: Das Ziel von 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 ist angesichts der notwendigen Steigerungsraten eine Herkulesaufgabe. Doch es gibt eine Reihe von Ansatzpunkten, das organische Wachstum des Ökolandbaus zu stärken. So geht es im klassischen Lebensmitteleinzelhandel darum, Ökoprodukte zu platzieren und das Angebot auszuweiten. Bei Fleisch und Milch sind Verarbeitungskapazitäten vorhanden, so dass das Angebot ausgedehnt werden kann. Regionale, dezentrale Wertschöpfungsketten spielen bei der Ausweitung des Ökoangebotes eine zentrale Rolle und sind der Schlüssel für eine Vermarktung auf Augenhöhe. Darüber hinaus ist die Außer-Haus-Verpflegung ein wichtiger Hebel für die Ausweitung der Nachfrage nach Ökoprodukten.