Perspektiven erkennen
Mit insgesamt 160 Teilnehmern aus ganz Deutschland fand das Forum der DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung im hessischen Hohenroda statt.
Zum Thema „Veränderungen annehmen – Perspektiven erkennen!„ wurden folgende Inhalte angeboten:
- Vortrag: Betriebszweigauswertung 2020/21 – Ergebnisse aus der Erhebung
- Vortrag: Auswirkung der Milchkuhhaltung auf den Klimawandel
- AK1: BZA-Intensiv – Von den Besten Lernen!
- AK2: Vom Feld in die Kuh – Betriebseigenes Futter optimal in Milch umsetzen!
- AK3. Tierwohllabels: Mehr Tierwohl und höhere Wertschöpfung?
- AK4: Milchinhaltstoffe neu bewertet!
- AK5: Öffentlichkeitsarbeit mit Spaß und bösen Kommentaren
- Vortrag: Milchproduktion in den Niederlanden – ein Spagat zwischen hohen Produktionskosten und Umweltauflagen
- Betriebsbesichtigung im Vogelsberg und Betriebsvorstellung eines niedersächsischen Betriebes
Im Folgenden werden einzelne Tagungsinhalte vorgestellt:
„Betriebszweigauswertung 2020/21 – Ergebnisse aus der Erhebung“
Zum dritten Mal in Folge hat auch das Wirtschaftsjahr 2020/21 im DLG-Spitzenforum zu gerade einmal kostendeckenden Gesamtergebnissen geführt. Das kalkulatorische Betriebszweigergebnis lag im Mittel der 240 ausgewerteten Spitzenbetriebe bei nur 0,11 Cent/kg ECM. Sowohl die Summe der Leistungen mit 41,7 als auch die Produktionskosten mit 41,6 Cent/kg ECM lagen geringfügig unter den Vorjahreswerten. Der Milchpreis mit 34,2 Cent/kg ECM (netto) entspricht in etwa dem Vorjahresniveau.
Lediglich 52 Prozent aller ausgewerteten Betriebe erzielten 2020/21 ein positives kalkulatorisches Betriebszweigergebnis und nach Entlohnung aller Kosten vor Prämie eine Kostendeckung. Ebenfalls zum dritten Mal konnten Milchleistungen von über 10 t/Kuh erzielt werden. Zwischen den Betrieben zeigen sich immer wieder gewaltige Managementunterschiede in der Produktion eines austauschbaren Rohstoffs. Die Produktionskosten reichen in den Extremen von 28 bis 55 Cent/kg ECM.
Bei sehr hohen Naturalleistungen bleiben die geringen Differenzen verschiedenster Produktionskennziffern wie EKA, Tierverluste, Reprorate, etc. nach wie vor erstaunlich. Beachtlich sind die möglichen Reserven in der Arbeitserledigung in der Innenwirtschaft – und hier vor allem im Bereich der Mechanisierungskosten.
„Rohstoffkostenexplosion und Inflation – Was kommt auf die Agrarmärkte zu?“
Dr. Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen berichtet von äußerst positiven Preisentwicklungen im Bereich Milch und Rindfleisch. So ist ein Milchpreisanstieg im Laufe des Jahres bis auf über 50 Cent/kg Milch nicht ausgeschlossen. Der Kieler Rohstoffwert liegt im Februar 2022 bereits bei 57 Cent/kg Milch.
Allerdings ist bei einer Inflationsrate, die schnell bei 7 Prozent und mehr liegen kann, dieser hohe Milchpreis auch erforderlich. Kraftfutter- und Düngerpreise verzeichnen – getrieben durch hohe Energiekosten, den Ukrainekrieg und die Inflation – immense Preissteigerungen. Allein der Preis für Diammonphosphat hat sich von Januar 2021 mit 37,5 Euro/dt auf 87,5 Euro/dt im Januar 2022 mehr als verdoppelt. Mit Ernteausfällen in der Ukraine und russischem Getreide, das in der Ernte 2022 als politisches Druckmittel genutzt werden kann, wird weiterer Druck auf die Getreidemärkte entstehen.
Für Betriebe ist nicht nur entscheidend, wann und zu welchem Preis sie Kontrakte für Ihre Betriebsmittel abgeschlossen haben, sondern auch, ob die Produktionsmittel tatsächlich geliefert werden können.
Im Arbeitskreis „Tierwohllabels: Mehr Tierwohl und höhere Wertschöpfung?“ wurden die Mehrkosten durch Tierwohlmaßnahmen kritisch diskutiert.
Die vier Haltungsstufen der Initiative Tierwohl beziehungsweise Haltungsformen mit ihren jeweiligen Anforderungen wurden vorgestellt und die Mehrkosten beispielhaft pro Stufe berechnet. Abhängig von der Region und der Molkerei berichteten Betriebe, dass teilweise nicht die gesamte Milch zu einem höheren Preis vermarktet werden konnte. Die Frage kam auf, ob der Markt für hochpreisige Tierwohlprodukte vielleicht schon gesättigt ist.
Die Teilnahme an den Programmen kann relativ kurzfristig beendet werden, was allerdings zu wenig Planungssicherheit führt, die wichtig für jeden Betrieb ist. Vor allem die Anforderungen nach mehr Platz und bestimmten Haltungsbedingungen führen zu teils hohen Investitionen bei Neu- und Umbauten. So kann die betriebliche Verbesserung eines Laufstallbetriebes, die nötig ist, um von Stufe 1 auf Stufe 2 zu kommen, bis zu 4,28 Cent/kg Milch kosten.
Christian Cordes, Milchkuhhalter aus Wanderup (SH), liefert in Stufe 4 und zieht sowohl ökonomisch als auch bei der Verbesserung des Tierwohls und der Leistungsparameter seiner Herde eine positive Bilanz der Teilnahme am Tierwohlprogramm der Stufe Premium des deutschen Tierschutzbundes.
Im Arbeitskreis „Öffentlichkeitsarbeit mit Spaß und bösen Kommentaren“ stellte Lisa Suhr eindrucksvoll dar, was es bedeutet, jeden Tag in den sozialen Medien aktiv zu sein.
Sie erläuterte, welche Arten von Inhalten sie auf ihrem Instagram-Account hochlädt, zum Beispiel Wohlfühlbilder von Kälbern, aber auch Erklärungen zu Vorgängen auf dem Betrieb. Lisa Suhr legt viel Wert darauf, ihren Followern nicht nur die schönen Seiten der Landwirtschaft zu zeigen, sondern auch zu thematisieren, wenn eine Kuh zum Schlachthof geht, wobei sie einfach und verständlich die Hintergründe erläutert.
Auch zu Themen wie zum Beispiel der Besamung lädt Suhr für Studierende wertvolle Inhalte hoch. Wie viele in der Öffentlichkeit stehende Betriebe berichtet auch sie von bösen Kommentaren und Hassnachrichten, die sie teilweise löscht, aber auch davon, wie sie versucht, über direkte Nachrichten die Absender zum Umdenken zu bewegen.
Suhr betonte, dass es viele Wege gibt, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und sie diesen aus Interesse gewählt hat und sehr viel positives Feedback bekommt.
Prof. Frank Mitloehner erläuterte in seinem Vortrag „Neu gedacht! Welchen Einfluss hat die Milchkuhhaltung auf die Klimaerwärmung wirklich?“ den Methankreislauf und dessen Einfluss auf die Erderwärmung.
Entgegen der weit verbreiteten Meinung stellte Mitloehner klar, dass Methan nach rund zehn Jahren abgebaut wird und damit eine deutlich kürzere Halbwertszeit hat als andere Treibhausgase wie zum Beispiel CO2, das erst nach rund 1.000 Jahren abgebaut wird.
Er hob hervor, dass das GWP*-Bewertungssystem für die Einschätzung der Klimawirkung deutlich realistischere Ergebnisse liefert, als das bisher genutzte GWP100-System, welches die Methanwirkung auf das Klima falsch, weil zu negativ einordnet. Die Anzahl der Rinder hat sich global über die letzten Jahrzehnte kaum verändert und damit auch nicht deren CO2-Fußabdruck.
Die Reduktion des Methanausstoßes durch Milchviehbetriebe kann insbesondere durch hohe Effizienzen in der Milcherzeugung, Biogaserzeugung und Abdeckung von Güllebehältern erreicht werden. Ein großer gesellschaftlicher Ansatz ist die Reduktion von Lebensmittelverschwendung. Es wird geschätzt, dass 40 Prozent der Lebensmittel, die in den Vereinigten Staaten angebaut, verarbeitet und transportiert werden, niemals von Verbrauchern gegessen werden.
Vegane Ernährung kann zwar den CO2-Fussabdruck reduzieren, der Effekt wird allerdings meist überschätzt, denn im Bereich Verkehr und Energieerzeugung ist der positive Effekt auf das Klima viel schneller zu erreichen. Eine große Herausforderung nicht nur für das Klima wird global der prognostizierte Anstieg der Weltbevölkerung bis 2050 auf 10 Mrd. Menschen sein, der hauptsächlich in Asien und Afrika stattfinden wird. In diesen Regionen werden Rinder traditionell eher extensiv gehalten.
Am Tagungsende hatten Teilnehmer die Möglichkeit, an einer digitalen Betriebsvorstellung eines niedersächsischen Betriebes teilzunehmen oder den Betrieb der Holsteinzucht Caspar in Hessen zu besichtigen. Henning Caspar führte über den Betrieb mit modernem Melkstand unterschiedlichen Stallungen und schloss mit seinem Stallneubau – einem Jungviehstall mit Tiefstreu – die Führung ab.
Die nächste Tagung wird am 3./4. März 2023 in Hohenroda stattfinden. Informationen werden auf der Homepage des Forums zur Verfügung gestellt werden: DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung - dlg.org