Wirkstoffverlusten entgegenwirken
Günther Peters fordert eine intelligente Weiterentwicklung des Integrierten Pflanzenschutzes
Für Landwirte – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa – schwindet nicht erst seit Inkrafttreten der Pflanzenschutzmittel-Zulassungsverordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Vielfalt der Lösungen zur Gesunderhaltung ihrer Pflanzen, vor allem im chemischen Pflanzenschutz.
Die gute Nachricht ist, dass die forschende Industrie weiter neue Wirkstoffe und Produkte auf den Markt bringt. Die schlechte Nachricht ist, dass der anhaltende Wirkstoffverlust wegen langer Innovationszyklen von ca. zehn Jahren von Entdeckung bis Markteinführung sowie weiter steigender Zulassungsanforderungen nicht schnell genug ausgeglichen werden kann. Die Folge: Pro neu genehmigtem Wirkstoff gehen im Durchschnitt vier Wirkstoffe verloren.
Oft zitiert werden allerdings behördliche Zulassungszahlen, die den Eindruck erwecken, es seien ausreichend viele Wirkstoffe bzw. Pflanzenschutzmittel in Deutschland (aktuell: 956 Produkte) zugelassen. Viele Produkte sind nur für Haus- und Kleingarten oder Rasen zugelassen oder Spezialisten wie Pheromone, viele sind generische Kopien, dürfen also nicht mitgezählt werden.
Erst die Betrachtung der Anzahl an Wirkstoffen beziehungsweise zw. Pflanzenschutzmitteln in einer einzelnen Indikation (zum Beispiel gegen Erdfloh in Raps) beweist: Immer mehr Bekämpfungslücken tun sich auf, in immer mehr Kulturen, in immer größeren Kulturen. Fallen die Wirkstoffe und Produkte weg, bleibt die Notwendigkeit zur Bekämpfung von Krankheiten, Insekten und Unkräutern aber bestehen. Dann entsteht der „Notfall“ für den Landwirt, für den die Industrie immer häufiger Notfallzulassungen beantragt.
Die Pflanzenschutzmittel-Industrie arbeitet daher seit Jahren auch an alternativen Wirkstoffen und Produkten: Biologische Pflanzenschutzmittel oder Biostimulanzien. Das Problem hierbei ist: Biologische Pflanzenschutzmittel werden nach genau den gleichen Zulassungsanforderungen geprüft wie chemische. Die Folge: Auch diese brauchen viele Jahre bis zur Markteinführung, bereits genehmigte Wirkstoffe gehen ebenfalls verloren, neue Wirkstoffe schaffen die Genehmigung nicht. Hinzu kommt, dass diese Mittel meist sehr viel spezifischer gegen einzelne Schaderreger wirken als chemische Pflanzenschutzmittel. Am Ende werden Landwirte immer weniger Lösungen in ihrer Toolbox haben, um ihre Kulturen vor Befall zu schützen und wirtschaftlich rentabel zu arbeiten.
Unsere Prognose ist, dass erst zu Beginn der 2030er Jahre ausreichend viele gute Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz verfügbar sein werden, die aber nur in Kombination mit den dann noch vorhandenen chemischen Produkten, widerstandsfähigeren Sorten beziehungsweise digitalen Techniken erfolgreich sein werden. Das erfordert die intelligente Weiterentwicklung des Integrierten Pflanzenschutzes.
In unseren Gesprächen mit Zulassungsbehörden, Ministerien und der Politik weisen wir mit Nachdruck auf diese Trends hin, erklären und klären auf, um in Deutschland dem Wirkstoffverlust mit besseren Chancen für die Innovationen entgegenzuwirken und ein neues Bewusstsein für die kommenden Herausforderungen des Integrierten Pflanzenschutzes zu schaffen.