Milcherzeugung mit Zukunft
Für die Milchkuhhaltung auf Grünlandstandorten gibt es in der Regel eine breite öffentliche Akzeptanz, da eine alternative Nutzung des Grünlandes außer als Futtermittel in der Regel nicht gegeben beziehungsweise ökonomisch nicht sinnvoll ist. Die Milcherzeugung auf Ackerbaustandorten wird dagegen zunehmend kritisch gesehen, da dies oft mit dem Vorwurf verbunden ist, dass anstelle von Futtermitteln besser Marktfrüchte zum direkten Verzehr durch den Menschen angebaut werden sollten. Darüber hinaus wachsen die generellen Vorbehalte an der Milchkuhhaltung über die damit verbundenen Emissionen an klimarelevantem Methan und an Ammoniak.
Aus diesem Grund haben der DLG-Ausschuss Milchproduktion und Rinderhaltung und der DLG-Arbeitskreis Futter und Fütterung anlässlich der kürzlich durchgeführten Wintertagung ein gemeinsames Impulsforum organisiert, um die anstehenden Fragen zu konkretisieren und einer sachlichen Beantwortung zuzuführen. Moderiert von Prof. Dr. Hubert Spiekers (Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Grub und Vorsitzender Arbeitskreis Futter und Fütterung) wurden dazu die verschiedenen Sichtweisen und Kritikpunkte beleuchtet.
Im ersten Beitrag widmete sich Prof. Dr. Friedhelm Taube (Abteilung Grünland und Futterbau, Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Christian-Albrechts-Universität Kiel,) dem Thema „Milch aus Gras und Kleegras – was ist möglich aus Sicht des Grünlands und des Futterbaus?“. Er wies insbesondere darauf hin, dass Grünland als wichtigster Eiweißlieferant gilt. Dies machte er anhand der IST-Situation im deutschen Grünland- und Futterbau deutlich, nach der eine Steigerung der Eiweißkonzentration im Grünlandaufwuchs um 1 Prozent mit einer Erhöhung der einheimischen Proteinproduktion um 350.000 t einhergeht. Im Einzelnen stellte er auch die Herausforderungen zur Notwendigkeit der Abstockung der Tierzahlen in Intensivregionen und der damit verbundenen Reduzierung von Überschüssen an Nährstoffen wie N und P zur Diskussion.
Nach seiner Auffassung sind hinsichtlich der zukünftigen Milcherzeugung auf Ackerstandorten verschiedene Modelle vorstell- und umsetzbar. Eine zentrale Rolle wird demnach der Klee-Kräuter-Gras-Anbau einnehmen. Zur Frage, ob Körnerleguminosen eine oder sogar die Lösung sind beziehungsweise sein können, müsse allerdings der Standort besonders berücksichtigt werden. Dazu führte er anhand eigener Forschungsergebnisse aus, dass mit dem Konzept Weidemilch aus Klee-Weidegras auch der Ackerbau besser gemacht werden kann. Hier schafft eine sechsgliedrige Fruchtfolge sogar die Möglichkeit, die „Farm to Fork“-Strategie umsetzen zu können.
Im zweiten Beitrag referierte Prof. Dr. Wilhelm Windisch (Lehrstuhl für Tierernährung, TUM School of Life Scieces, Technische Universität München) zur „Nutztierbasierten Bioökonomie aus Sicht der Tierernährung“. Hier stellte er eingangs klar, dass je 1 kg veganem Lebensmittel 4 kg nicht essbare Biomasse entstehen, die zur Absicherung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden müssen. In diesem Zusammenhang fördern Nutztiere die Pflanzenproduktion und erzeugen zusätzlich Lebensmittel tierischen Ursprungs. Hierbei erweisen sich insbesondere die Rinder als die effizientesten Verwerter der ansonsten kaum nutzbaren, nicht-essbaren Biomasse. Außerdem besteht keine Nahrungskonkurrenz zum Menschen und die Rückstände gehen zurück in den Kreislauf der Landnutzung. Dagegen gilt aber der auf den Methanausstoß bezogene Begriff Klimakiller Kuh als irreführendes Narrativ.
Er erläuterte, dass die Bildung von Methan eine physiologische Notwendigkeit und einen Schutz vor Fermentationsstörungen im Pansen bei der Nutzung der nicht essbaren Biomasse darstellt, wodurch Nachhaltigkeit und Klimaschutz gefördert werden. Hier geht es vor allem um die richtige Beurteilung der Bildung und Wirkung von Kohlendioxid und Methan. Die Optimierung der Futtereffizienz der nicht-essbaren Biomasse stellt zukünftig eine der Kernaufgaben der Nutztierfütterung dar und könnte über die Auslobung der Fütterung mit wenig Nahrungsmittelkonkurrenz eine Möglichkeit der Zurückgewinnung einer breiteren öffentlichen Akzeptanz darstellen.
Der Frage „Wie funktioniert die praktische Umsetzung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb?“ stellte sich im dritten Teil Cord Lilie (Milchkuhhalter aus Stemwede und Vorsitzender Ausschuss Milchproduktion und Rinderhaltung). Er zeigte, wie er auf die für das Rind besser verdaulichen Kohlenhydratfraktionen achtet und so die Futteraufnahme und die Milchleistung absichert, um die Festkosten für seinen Betrieb möglichst gut abzupuffern. Darüber hinaus versucht er, Futterpflanzen einzusetzen, die zum Beispiel weniger Lignin einlagern und damit eine höhere Gesamtverdaulichkeit aufweisen.
Als Lösung für seinen Betrieb präsentierte er den Anbau von Klee, der in seinen Nährstoffsalden je Prozentpunkt Klee eine drei- bis vierfache N-Bereitstellung mit sich bringt und so effektiv hilft, Dünger zu sparen. Ebenso managt er sehr effizient seinen Wirtschaftsdünger, wodurch sich der Einsatz mineralischer Dünger erübrigt. Über eine ausgewogene Fruchtfolge mit einem Anteil von 30 Prozent Klee kann er zudem gut kontrollieren, dass der Kleeanbau ohne Risiko für gesundheitliche Probleme im Bestand zu betreiben ist. Insgesamt resümiert er für seinen Betrieb, dass Leguminosen im Futterbau ökonomisch (über Stickstoffeinsparung), ökologisch (kaum Stickstoffverluste), ernährungsphysiologisch (höhere Faserverdaulichkeit und gute Futteraufnahme) und auch ackerbaulich (gute Vorfrucht) sehr sinnvoll eingesetzt werden können und eine weitere Verbreitung erfahren sollten.
Insgesamt zeigte das Impulsforum, dass die Milchkuhhaltung auf Ackerstandorten den Anbau von Marktfrüchten mit Futterpflanzen sinnvoll ergänzen und damit eine erfolgreiche Strategie in der zukünftigen Landnutzung darstellen kann.