„Mäster verkaufen lieber das Getreide, anstatt es zu verfüttern“
Günther Riedl ist auf dem elterlichen Betrieb im Landkreis Landshut in Niederbayern aufgewachsen. Nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung und der Winterschule absolvierte er 1984 eine Ausbildung zum Agrarbetriebswirt an der Höheren Landbauschule in Rotthalmünster. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb erfolgte eine Konzentration auf die Produktionszweige Schweinemast, Rindermast und Ackerbau, dazu wurde der Betrieb in die Richtungen Erneuerbare Energien, Immobilien, Handel und Direktvermarktung ausgebaut.
Sein Sohn Michael Ingerl (B. Sc. Agrar) ist 2019 als Mitgesellschafter und Hofnachfolger in den Betrieb eingestiegen. 2019 erfolgte auch die Übernahme eines neuen Standorts in Brandenburg mit Schweinezucht und -mast, Biogas und Ackerbau.
Günther Riedl bringt sich in verschiedenen Organisationen wie DLG, EPP, Dorfgemeinschaft Unterahrain, Schweinemastring Landshut und Heimatlandwirte ein. 2019 war er Mitorganisator des EPP-Kongresses in Landshut, seit Herbst 2021 ist er Deutscher Vorsitzender der EPP.
Eine fachliche Diskussion ohne Scheuklappen aufgrund der Herkunft, das macht für Günther Riedl die Mitgliedschaft bei den European Pig Producers, EPP, aus. Er freut sich schon auf den nahenden EPP-Kongress im Mai in den Niederlanden und sieht für deutsche Schweinehalter die Zukunft in der regionalen Produktion mit 5xD.
Herr Riedl, bitte stellen Sie uns kurz Ihren Betrieb vor!
Günther Riedl: Unser Betrieb hat eine lange Tradition. Er wurde 1863 das erste Mal in den Chroniken erwähnt. Seit 1975 konzentrieren wir uns auf die Schwerpunkte Schweinemast, Bullenmast und Ackerbau. Die Investitionen in die Schweinemast ließen den Bestand wachsen, die letzte Erweiterung fand 2012 mit dem Neubau eines Maststalles statt.
Am Standort Landshut haben wir Schweine- und Bullenmast und eine Biogasanlage mit 600 kW, die auf 1150 kW flexibilisiert wurde und betreiben auf 200 ha Ackerbau. Im Jahr 2015 haben wir einen Agrarhandel mit eigenem Außendienst aufgebaut. Außerdem haben wir das Unternehmen in den Bereichen Immobilien, Handel und erneuerbare Energien mit dem Bau von PV-Dachflächen und der Biogasanlage mit Nahwärmenetz weiterentwickelt.
2019 erfolgte die Übernahme eines Betriebes in Brandenburg mit 1.200 ha Ackerbau, 1500 Sauen und einer Biogasanlage mit 500 kW. Als letzter Erweiterungsschritt erfolgte 2020 der Einstieg in die Direktvermarktung mit unserer eigenen Hausmarke, dem Frischekastl. Heute hat die Riedl-Unternehmensgruppe 20 Tochterfirmen, unter anderem auch mit Projektierung und Bau von Nahwärmenetzen und als Bauträger im Bereich Immobilien.
Etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inklusive Aushilfen sind an den zwei Standorten (Bayern und Brandenburg) beschäftigt.
Was war der Beweggrund für Sie, in die DLG einzutreten?
Riedl: Ich glaube, da ging es mir wie vielen anderen jungen Menschen: Ich bin schon mit 19 Jahren in die DLG eingetreten, weil die DLG für landwirtschaftliche Fachschüler eine vergünstigte Mitgliedschaft anbietet. Dabei ist es dann geblieben. Die DLG bietet einiges für die Wissbegierde eines jungen Menschen, jede Menge Informationen und Fachzeitschriften.
Richtig reingekommen bin ich dann mit meinem Sohn Michael. Er ist vor neun Jahren in die DLG eingetreten. Wir beide sind zusammen nach Dänemark gefahren. Dort hat uns unser Ferkelhändler Bernd Schiefer angesprochen, der auch im Vorstand der European Pig Producers war. Und so bin ich zu den EPP gekommen.
Bei den European Pig Producers sind Sie nun seit letztem Herbst Vorsitzender…
Riedl: … und das Amt macht mir sehr viel Freude. Mein Vorgänger Jürgen Winkelmann hat mit der Schweinehaltung aufgehört. Der Vorsitzende muss aber aktiver Schweinehalter sein und so wurde nach einem Nachfolger gesucht. Ich bin da sozusagen reingewachsen: 2019 hatten wir unseren letzten großen EPP-Kongress in Niederbayern, den ich mitorganisiert habe. Wir haben zusammen im Team mit dem EPP-Sekretär, dem Beirat und dem Büroteam ein umfangreiches Fach- sowie touristisches Beiprogramm geplant. Das Highlight war eine Floßfahrt auf der Loisach und der Isar von der Internationalen Flößerstadt Wolfratshausen nach München, die bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr gut ankam.
Welche Möglichkeiten bieten Ihnen die European Pig Producers?
Riedl: Die EPP sind für mich sozusagen eine große Familie von Schweinehaltern. „Diskussion non politic“ würde ich den fachlichen Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern bezeichnen. Da sitzt der Chef einer Agrarholding Group neben einem Schweinebauern aus der Schweiz oder aus Niederbayern mit 15 Muttersauen, und sie reden miteinander. Es gibt keine Scheuklappen, und die Grenzen fallen. Es gibt kein Herkunftsland, und die Unterschiede zwischen den Ländern und Sprachen werden neutralisiert.
Wie ich dazu kam? Ein Vertreter eines Viehhändlers hatte mich vor ein paar Jahren mal angerufen, ob ich eine Informationsfahrt nach Dänemark, Irland und Norwegen mitmachen möchte. Der Austausch mit den Schweinehaltern aus anderen Ländern hat mich überzeugt. Die Strukturen in der Schweinehaltung sind heute überall ähnlich.
Mit den EPP kommt man über den Horizont hinaus. Ich habe hier viele persönliche Freundschaften von der Schweiz bis nach Dänemark geknüpft. Wir haben WhatsApp-Gruppen gegründet und besuchen uns gegenseitig auch privat außerhalb des Protokolls.
Ich freue mich schon sehr auf den großen Kongress in den Niederlanden im Mai 2022 mit dem Thema "Full chances ahead - How changes can provide chances“, auf dem die EPP ihr 30-jähriges Bestehen feiern werden. Ich hoffe, dass möglichst viele Mitglieder kommen, das wird ein schöner Kongress!
Wie sehen Sie die aktuelle Situation und die Zukunftsaussichten für deutsche Schweinehalter?
Riedl: Die Zukunftsaussichten sind nach zwei Jahren schlechter Preise mit Corona sehr durchwachsen. Die Probleme mit der Afrikanischen Schweinepest wurden uns meiner Meinung nach „in den Mund gelegt“, das war aber gar nicht so unser Problem, sondern Corona.
Eine weitere Herausforderung ist die Situation an den Schlachthöfen. Dass die Schlachthof-Mitarbeiter jetzt ordentliche Preise bekommen, das zahlt im Moment der Landwirt, nicht der Handel oder der Verbraucher. Die Preise im Verkauf sind höher, als das, was der Landwirt bekommt, es ist nicht gerecht verteilt. Wir Schweinehalterinnen und Schweinehalter wollen unseren gerechten Anteil am Kuchen, aber derzeit tragen wir die Strukturkosten der Schlachthöfe allein.
Ich habe Angst um unsere Mitglieder und befürchte, dass wir zu viele Betriebe verlieren. Im Moment hören die Betriebe gleichmäßig über alle Strukturen auf. Es hören nicht „die Großen“ oder „die Kleinen“ auf, sondern die, die aufhören können, die eine Alternative wie Kartoffeln, Gemüse oder eine Biogasanlage haben.
Bei den Ferkelerzeugern haben wir schon einen riesigen Strukturbruch. Während aber die Mäster ihre Ställe einfach leerstehen lassen können, ist das bei den Ferkelerzeugern nicht so einfach möglich. Es werden zukünftig auch weniger Ferkel aus dem Ausland zu uns kommen. Die Deutschen legen Wert auf „5D“ und die geschlossene Produktion. Im Moment reicht das Geld für den Mäster nicht und er verkauft lieber das Getreide, anstatt es zu verfüttern.
Wie beurteilen Sie die Diskussion um die Finanzierung für mehr Tierwohl und die Werbung des Handels mit höherwertigen Haltungsformen in naher Zukunft?
Riedl: Die Haltungsstufe 2 wird zum Standard werden, davon bin ich überzeugt. Haltungsstufe 3 wird nicht jeder Betrieb verwirklichen können, weil der Umbau der Gebäude nicht möglich ist oder das Baurecht im Weg steht. Die Haltungsstufe 4 macht für viele Betriebe keinen Sinn. Sie ist für mich „Bio, abgesehen vom Futter“ und die Preise sind aber nicht kostendeckend. Ich denke, dass in Zukunft die höhere Bezahlung in 5xD liegt, also alle Produktionsstufen in Deutschland sind.
Diese Regionalisierung ist natürlich erst mal schlecht fürs Ausland, sie ist aber die Lösung für unsere Betriebe. Die Zukunftsmusik wird sich für unsere Betriebe dort abspielen, sie ist meiner Meinung nach das Hauptzugpferd. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen ein regionales Produkt. Der Fleisch-Direktvertrieb läuft, das merken wir an unseren Automaten und am Absatz an die Gasthäuser und Supermärkte.
Die Ferkelerzeuger im angrenzenden Ausland werden sich umorientieren und die Dänen zum Beispiel viel nach Polen liefern.
Wie sehen Ihre persönlichen Forderungen an Politik und Gesellschaft aus, um den Produktionsstandort Deutschland langfristig zu sichern?
Riedl: Ich wünsche mir gerechte Preise für die von unserer Gesellschaft erwarteten Leistungen. Ich bin offen für Themen wie Außenklima oder Ringelschwanz, das sind aber Managementleistungen, die wir erbringen und für die wir bezahlt werden möchten. Wir müssen uns mehr um das Tier kümmern, wir haben weniger Ferkel, wir brauchen 40 Prozent mehr Platz. Machen kann man viel, wir brauchen aber wahrscheinlich zehn Jahre dazu, um die Schweinehaltung so umzustrukturieren, wie das jetzt gefordert wird.
Andererseits stimmt mich positiv, dass die Landwirtschaft in unserem Land nie so wertgeschätzt worden ist wie in den letzten Tagen. Ich wünsche mir, dass dieses Verhalten anhält und wir umdenken auf eine erfolgreiche Landwirtschaft und Schweinehaltung in Deutschland.
Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin, Winsen (Aller).