Florierender Biogeflügelmarkt in Österreich
Vom 17. bis 19. Mai trafen sich die Geflügelfachberater:innen der deutschsprachigen Länder zur Diskussion aktueller Themen der Geflügelbranche in Graz, Österreich. In Vorträgen, Netzwerkrunden und während einer ganztägigen Exkursion tauschten sich die Teilnehmer:innen zu brennenden Fragen rund um die betrieblichen Herausforderungen des Ausstiegs aus dem Kükentöten und den Erfahrungen mit den zurzeit praktikablen Alternativen aus. Die Vertreter des Gastgeberlandes Österreich stellten dabei ihre Branchenlösung für den Ausstieg aus dem Kükentöten vor und lieferten damit ihren deutschen und Schweizer Kolleg:innen aus der Beratung viel Diskussionsstoff. Weiterhin wurde die massive Verteuerung von Energie, Getreide und anderen Rohstoffen mit den aktuellen und noch zu erwartenden Auswirkungen auf die Landwirtschaft ebenso diskutiert wie die Möglichkeiten der Doppelnutzung von Geflügelausläufen zur Energiegewinnung mittels Photovoltaik („Agri-PV“).
Längere Nutzungsdauer von Legehennen
Im Vorfeld der Geflügelfachberater-Tagung traf sich der DLG-Ausschuss Geflügel zu seiner Frühjahrssitzung. Zur Diskussion standen die zurzeit bearbeiteten DLG-Merkblätter zum Umgang mit krankem und verletztem Nutzgeflügel und zur Junghahnenaufzucht und -mast. Aber auch aktuelle Themen wie die verlängerte Nutzungsdauer von Legehennen und der Einsatz von Kokzidiostatika vor dem Hintergrund der Antibiotikareduzierungsstrategie standen auf der Tagesordnung. Ferner wurde ein erstes Konzept der Ausschussthemen auf der diesjährigen EuroTier in Hannover vorgestellt.
Am Mittag des 17. Mai startete dann die Fachtagung mit rund 70 Teilnehmer:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gleich zu Beginn war festzustellen, dass sich die politischen Prozesse in Deutschland und Österreich kaum unterscheiden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden laufend verschärft, wobei die Anforderungen an Tierschutz und Tierwohl sowie die Stickstoffemissionen im Vordergrund stehen. Gerade die zu erwartenden Verschärfungen durch die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) werden dafür sorgen, dass die Zukunft eigentlich zukunftsfähiger Betriebe infrage gestellt wird. Derzeit sorgen die hohen Rohstoffpreise dafür, dass Ställe ganz leer bleiben, Einstallungen verschoben werden oder aber die Nutzungsdauer z.B. von Legehennen verlängert wird.
Männliche Legehybriden: Der Österreichische Weg
Das dominierende Thema der Tagung war der Ausstieg aus dem Kükentöten. Im Gegensatz zu Deutschland ist der in Österreich und der Schweiz nicht gesetzlich geregelt. Allerdings hat man sich in Österreich auf eine Branchenlösung verständigt. Das sogenannte „Drei-Säulen-Modell“ sieht drei Möglichkeiten zur Nutzung der männlichen Legehybriden vor:
- die Nutzung als Futterküken in der tatsächlich in Österreich benötigten Menge
- die Bruderhahnmast
- die Früherkennung des Geschlechts im Brutei, mit einer Tötung der männlichen Küken bis spätestens zum 13. Bruttag, wobei ab dem 8. Tag eine Betäubung vor der Tötung erfolgen muss.
Bemerkenswert dabei ist, dass theoretisch alle männlichen Küken als Futterküken verwertet werden könnten, denn den ca. 16 Millionen von Zoos, Tierparks und Falknereien benötigten Futterküken stehen nur ca. 9 Millionen erzeugte männliche Legehybrid-Küken gegenüber. In Deutschland indes wird die Erzeugung von Futterküken nicht (mehr) diskutiert. Trotz dieser Alternative gibt es in Österreich einen florierenden Bruderhahn-Markt. Unter der Marke „Steirerhahn Henry“ zum Beispiel wird in der Steiermark in 85.000 Bruderhahnplätzen Bio-Junghahnenfleisch erzeugt und erfolgreich vermarktet. Insgesamt liegt der Bio-Anteil bei Hühnerfleisch in Österreich bei rund 33 Prozent.
Finanzielle Verantwortung langfristig ungeklärt
Für die Geschlechtsbestimmung im Brutei gibt es derzeit drei praxisreife Lösungen. SELEGGT (Hormonanalyse) und PLANTegg (PCR Genanalyse), die ab dem 8. oder 9. Bruttag einsetzbar sind, werden als invasive Verfahren bisher vorwiegend in den Niederlanden eingesetzt. Die nichtinvasive, optische Hyperspektralanalyse von AAT funktioniert erst ab dem 13. Bruttag und ist nur bei Braunlegern anwendbar. Daher ist das Interesse hauptsächlich in Ländern mit überwiegend Braunlegern vorhanden. Deutschland und die Schweiz gehören nicht dazu, hier werden vorwiegend die etwas einfacher handzuhabenden Weißleger gehalten. Unklar ist zurzeit, wer künftig die finanzielle Verantwortung bei der in-ovo-Geschlechtsbestimmung wird tragen müssen, da bei den Verfahren eine Fehlerquote von 3 bis 5 Prozent einkalkuliert werden muss und eine Abnahmegarantie der gesexten Küken zurzeit nicht in einer Branchenvereinbarung geregelt ist.
In Deutschland werden die in-ovo-Verfahren ab 2024 nicht mehr zulässig sein, da per Gesetz eine Früherkennung vor dem 7. Bruttag erfolgen muss. Begründet wird dies mit dem dann einsetzenden Schmerzempfinden des Hühnerembryos. Prof. Dr. Rudolf Preisinger, EW Group, gab einen Ausblick auf in der Entwicklung befindliche Verfahren, die eine Geschlechtsbestimmung vor dem 7. Tag ermöglichen könnten. Dabei handelt es sich um lichtbasierte Verfahren, zum einen die Infrarot-Raman-Spektroskopie und zum anderen – schonender für das Brutei – das zeitaufgelöste laserinduzierte Fluoreszenzverfahren, dass zur Zeit an der Hochschule Ost-Westfalen-Lippe gemeinsam mit der Firma AAT entwickelt wird. Beide Verfahren werden allerdings keinesfalls bis 2024 praxisreif sein.
Kükenschlupf im Stall
Ein weiteres, gerade in von Geflügelpest betroffenen Regionen vermehrt diskutiertes Thema ist der Kükenschlupf im Stall. Technikanbieter dafür gibt es mittlerweile in ausreichender Zahl, wie zum Beispiel HatchCare, HatchTec, NestBorn und andere. Grundsätzlich bedeutet dies für den Mäster, den Stall drei Tage länger zu heizen und eine um drei Tage längere Mastdauer. Lohnenswert ist das Verfahren vor allem für Masthühner, die zügig an Futter und Wasser wollen. Die Hoffnung, durch den Schlupf im Stall den Einsatz von Antibiotika reduzieren zu können, hat sich bislang nicht bestätigt. Es sei eher schwierig, Futter und Wasser sauber zu halten. Letztlich gab es für den Schlupf im Stall keinen wirklichen Durchbruch, auch wenn Ansätze vorhanden sind und das Verfahren für einige durchaus interessant sein kann.
Vielfältige österreichische Geflügelhaltung
Highlight der Veranstaltung war die Exkursion am 2. Veranstaltungstag. Die erste Station war der Betrieb Schweighöfer, in dem sich 3.000 Bio-Legeelterntiere eines modernisierten Stalles mit Grünauslauf erfreuen. Hähne und Hennen werden hier im Verhältnis 1:8 gehalten. Der Auslauf wird für die Bio-Elterntiere durch die EU-Ökoverordnung vorgegeben. Der Betriebsleiter wies allerdings auf die nicht unerhebliche Eintragsgefahr von Keimen durch Wildvögel und -tiere über den Auslauf hin, die einer solchen Herde durchaus schnell zum Verhängnis werden kann.
Im Betrieb Groß konnten eine Bio-Junghennenaufzucht mit 13.000 Plätzen im neu gebauten Stall mit Wintergarten besichtigt werden sowie eine Bio-Bruderhahnmast mit 4.800 Plätzen im Altgebäude, mit Wintergarten und Auslauf. Die aus Junghahnenfleisch erzeugten Steirerhahn Brüh- und Bratwürstchen durften anschließend zur Freude der Tagungsteilnehmer verkostet werden.
Abschließend führte die Fahrt zum Familienbetrieb Posch Hendl, der seine in 12.000 konventionellen Mastplätzen erzeugten Masthühner mit einem Gewicht zwischen 1.000 und 1.200 g selbst schlachtet und direktvermarktet. Pro Woche werden im Betrieb 2.000 Tiere geschlachtet, verarbeitet und die zahlreichen Produkte entweder im eigenen Hofladen oder über andere Direktvermarkter verkauft. Auf dem Posch-Hof führte auch die Firma Mobile Schlachtung mbH ihr Geflügel-Schlachtmobil live vor. Etwa 400 Hühner können damit an einem Tag schonend und ohne langen Transport geschlachtet werden. Die mobile Schlachtung ist für kleine Betriebe mit Direktvermarktung eine gute Alternative zum Schlachthof und wird mittlerweile auch in Deutschland regional immer häufiger eingesetzt und auch gewünscht. Aus Sicht der Alpenregion jedoch birgt solch ein mobiler Schlachtanhänger den Nachteil, dass in bergigen Regionen eine Anfahrt in den Wintermonaten aufgrund des hohen Gewichts von mehr als 3 t teilweise nicht möglich ist.