Ausstiegsplan aus den Beimischungszwängen
Dr. Franziska Kersten hält es für notwendig, den nationalen Strategieplan zur GAP 2023 konkreter zu fassen
Ausgelöst durch den furchtbaren Krieg in der Ukraine mit menschlichem Leid und enormer Zerstörung der Infrastruktur bekommt auch das Thema Ernährungssicherheit existentielle Bedeutung. Die Russische Föderation und die Ukraine waren bislang zwei der größten Weizenexporteure weltweit mit einer Ausfuhr von zusammen weit über 50 Millionen Tonnen. Durch die Blockade der Getreide-Exporte und die eingeschränkte Produktion droht der Welt eine neue Hungerkrise! Auch der Preishöchststand für Energie und für Dünger erfordert ein internationales Krisenmanagement. Deutschland muss seinen Beitrag leisten. Dazu ist es notwendig, sowohl die Farm-to-Fork-Strategie als auch die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu überdenken, neu zu bewerten und stärker auf die Sicherung der Ernährung zu fokussieren. Um auch in Zukunft die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen, muss die landwirtschaftliche Produktion nachhaltiger, biodiversitätsfördernder, klimaverträglicher und klimaresilienter ausgerichtet werden. Alle im Strategieplan vorgesehen Maßnahmen sollten jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit einer höheren Produktion von lebensmitteltauglichem Getreide betrachtet werden.
Gründung von Erzeugerorganisationen
Doch sehen wir uns die Ausführungen der EU-Kommission genauer an. Ausdrücklich wird in Brüssel der ganzheitliche Ansatz des Strategieplanes begrüßt, aber wenig überraschend auch deutlicher Verbesserungsbedarf angemahnt. Hier macht Deutschland in der Reihe der EU-Mitgliedstaaten keine Ausnahme. Da ist zunächst die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, mineralischen Düngemitteln und Eiweißpflanzen sowie anderen externen Betriebsmitteln, die vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges deutlich verringert werden sollte. Hierauf müssen die Interventionen im Strategieplan viel stärker Bezug nehmen, um auch langfristig eine nachhaltige Produktion zu sichern und ökonomisch tragfähige Landwirtschaftsbetriebe zu erhalten. Hierzu gehört eine verbesserte Wertschöpfung bei landwirtschaftlichen Produkten, die durch einen klaren Fokus auf die Qualität, aber auch durch kürzere Lieferketten und betriebliche Kooperationen erreicht werden kann. Dies deckt sich mit der Forderung der SPD, im ländlichen Raum regionale Kreisläufe zu etablieren, um damit Veredelung und Konsum vor Ort zu fördern. Und so mahnt die EU-Kommission denn auch die Gründung von Erzeugerorganisationen in allen landwirtschaftlichen Sektoren an. Die EU-Kommission erwartet von Deutschland auch, die Zielwerte für die Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes nachzuschärfen und den integrierten Pflanzenschutz deutlich zu stärken. Der Einsatz von mineralischem Dünger soll eingeschränkt sowie Nährstoffverluste und Eutrophierung der Gewässer vermindert werden. Diese Forderung ergibt sich schon aus dem Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit der Nitratrichtlinie.
Eindeutige Gewässerabstände
Generell wird die Einbindung von Farm-to-Fork- und Biodiversitätsstrategie, aber auch der Wasserrahmenrichtlinie in das Gesamtkonzept als bislang nicht ausreichend erachtet. Bei der Konditionalität werden klarere Formulierungen zur Mindestbreite von Pufferstreifen entlang von Gewässern untergeordneter Bedeutung erwartet, fehlende Landschaftselemente angemahnt und eine Ausweitung der Dauer der Mindestbodenbedeckung gefordert. Auch die Ökoregelungen sind nicht konsequent durchdacht, was am Fehlen von Kombinationsmöglichkeiten und mehrjährigen Verpflichtungen deutlich wird. So werden die vorgesehenen Mittel nach Ansicht der EU-Kommission das festgeschriebene Minimum von 25 Prozent der Direktzahlungen nicht erreichen. Genau diese Schwachstellen hat die SPD-Bundestagsfraktion schon in der letzten Legislaturperiode benannt.
Um einen Beitrag zu Sicherung der Welternährung zu leisten, brauchen wir aus meiner Sicht aber vor allem Veränderungen auf der Nachfrageseite bei Agrarrohstoffen. Dies beginnt beim Thema Bioenergie. Wir können es uns eigentlich nicht länger leisten, hierfür 20 Prozent der Ackerfläche in Deutschland zu nutzen. Daher gibt es auch schon einen Ausstiegsplan aus den Beimischungszwängen für Biokraftstoffe. Auch in Biogasanlagen gehören in erster Linie Gülle und Reststoffe, wie wir am Beispiel Dänemark, das schon 25 Prozent seines Gasbedarfes decken kann, eindrucksvoll sehen können.
Durch verbessertes Management in der Milchviehfütterung kann eiweißreiches Kraftfutter reduziert und durch Grundfutter ersetzt werden. Dies ist ohne nennenswerte Produktivitätsrückgänge möglich, geht nicht zulasten des Tierwohls und hilft, die Stickstoff- und Phosphatüberschüsse zu reduzieren.
Reduktion des Fleischkonsums
Die Qualitätsnormen beim Getreideanbau müssen ebenfalls überdacht werden. Wir produzieren bei uns 80 Prozent backfähigen Weizen mit viel Düngereinsatz, benötigen aber in den Bäckereien nur 30 Prozent. Bei einer 0,5- bis 1-prozentigen Absenkung des Proteingehaltes könnte die deutsche Weizenproduktion ohne weiteren Flächen- oder Düngebedarf um 0,4 bis 0,8 Mio. Tonnen gesteigert werden. Eine Reduktion des Fleischkonsums und vor allem der Lebensmittelverschwendung sind weitere Faktoren, um den Nachfragedruck auf die globalen Getreide- und Futtermittelmärkte zu reduzieren.
Bei den viel diskutierten Brachen nach GLÖZ 8 könnte in der aktuellen Situation ein schrittweiser Einstieg und moderater Anstieg einen Kompromiss zwischen der Produktion von Lebensmitteln und dem Schutz der Biodiversität erzielt werden. Wir sollten den Brief aus Brüssel als Chance sehen, jetzt noch an entscheidenden Punkten nachzusteuern, um mehr Umwelt- und Klimaschutz bei gleichzeitiger Sicherung der Welternährung, des Einkommens sowie der Wertschöpfung im ländlichen Raum zu erreichen.