„Sojabohnen sind mein Steckenpferd“
Wie hat sich Ihr landwirtschaftlicher Betrieb entwickelt?
Fritz Heinrich Lehmann: Wir waren früher ein echter Gemischtbetrieb mit Milchvieh, Bullenmast, Ackerbau, Weinbau und Gemüsebau. Im Jahr 2000 gingen die Kühe vom Hof, bis 2017 hatten wir aber noch Bullenmast auf dem Betrieb. Zwischendurch haben wir Beerenanbau betrieben und hatten bis zu sechs Hektar Himbeeren. Dies war aber mit der Einführung des Mindestlohns nicht mehr rentabel. In den vergangenen Jahren habe ich damit begonnen, die vorhandenen Maschinen im Ackerbau im Lohn einzusetzen, um sie besser auszulasten. Inzwischen bieten wir die komplette Palette an Lohnarbeiten auf dem Acker außer dem Mähdrusch an. In der Direktvermarktung verkaufen wir Obst und Gemüse wie Salat, Blumenkohl, Freilandtomaten und Paprika aus dem eigenen Anbau sowie aus Zukauf von Berufskollegen. Außerdem veredeln wir unsere Äpfel und Birnen in unserer Brennerei. Wir haben einen Hofladen und gehen außerdem mit unseren Produkten auf den Wochenmarkt in Lahr. Den Weinbau haben wir indes von sechs Hektar auf 1,5 Hektar heruntergefahren und die Arbeiten im Weinberg seit 2017/2018 an einen Lohnunternehmer vergeben. Den Ausbau des Weines machen wir allerdings selber.
Ist Lahr ein gutes Pflaster für die Direktvermarkung?
Lehmann: Wenn Sie sich auf Google Maps unseren Standort anschauen, dann sehen Sie buchstäblich unsere Lage: Wir sind mitten in der Stadt. Diese Lage führte unter anderem dazu, dass wir 2017 die Tierhaltung endgültig abgeschafft haben. Wir müssen nämlich jede Gabel Futter durch die Stadt herein und jede Gabel Mist wieder aus der Stadt herausfahren. Dass die Direktvermarktung inmitten einer Stadt einfacher ist als auf dem Land, ist übrigens ein Mythos. Wir haben Aldi, Lidl und Rewe in unmittelbarer Nähe nur einen Steinwurf entfernt. Der Hofladen erfährt also eine starke Konkurrenz und wir haben dort kaum Stammkundschaft, sondern nur Laufkundschaft. Der Hofladen trägt sich deshalb, weil er durch die Familie getragen wird, mit Angestellten wäre er nicht rentabel. Umgekehrt ist das Verhältnis dagegen auf dem Wochenmarkt, den wir zweimal in der Woche beschicken. Das Klientel, das dorthin kommt, kauft gezielt unsere Produkte und die von anderen Direktanbietern, und dort haben wir mehr Umsatz als im Hofladen.
Wie haben sich die Wünsche der Kunden verändert?
Lehmann: Lassen Sie mich das an einem Produkt erläutern: Ein Produkt, das sehr gut läuft, ist Marmelade. Die macht meine Frau sozusagen zentnerweise. Im Laufe der Jahre hat sich das Kundenverhalten aber dahingehend geändert, dass heute kleinere Einheiten nachgefragt werden als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Die Leute kaufen lieber drei kleine Gläser Marmelade mit verschiedenen Sorten als ein großes Glas mit nur einer Sorte. Veredelte und verarbeitete Produkte laufen allgemein sehr gut und viel besser als das Rohprodukt. Zum Beispiel macht meine Frau fertige Salate, die dann Menschen für ihre Mittagspause kaufen. Auch Suppen und Soßen werden rege nachgefragt. Wir sind da im Angebot sehr flexibel und gehen auf Kundenwünsche ein.
Was fasziniert Sie an der DLG und welche Angebote nutzen Sie?
Lehmann: Meine Motivation für den Beitritt in die DLG war, dass ich die DLG für eine neutrale Organisation halte, deren Testberichten ich im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen vertrauen kann. Die DLG Mitteilungen nennen Fakten und sind nicht interessensgesteuert. Ich habe inzwischen auch meine Kinder bei der DLG angemeldet.
Zur DLG-Mitgliedschaft kam ich durch den Besuch einer der großen DLG-Messen. Diese besuche ich regelmäßig und auch meine Kinder begleiten mich gerne dorthin. Mit meinem Sohn Heinrich besuche ich die AGRITECHNICA und mit meiner Melktechnik-begeisterten Tochter Franziska die EuroTier. Auf die DLG-Feldtage gehen wir alle gemeinsam. Ich möchte mich vor allem rund um den Sojabohnenanbau informieren. Dieser ist nämlich mein Steckenpferd im Ackerbau. Wir sind hier im Süden Deutschlands mit unserem Weinbauklima natürlich sehr begünstigt, was den Sojaanbau betrifft und dreschen bis zu 5,07 Tonnen pro Hektar. Auf meinen 80 Hektar Ackerbau baue ich bis zu 70 Hektar Sojabohnen an, dazu noch Körnermais. Wenn man mehr als zwei Drittel Leguminosen auf dem Betrieb hat, dann hat man keine Greening-Auflagen und muss auch keine ökologischen Vorrangflächen ausweisen, und wir dürfen auch Soja nach Soja anbauen. Unsere gentechnisch freie (GV-) Ware liefern wir zum Raiffeisen-Kraftfutterwerk nach Kehl. Ich freue mich schon sehr darauf, mich mit anderen Landwirten auf den DLG-Feldtagen über den Sojaanbau auszutauschen.
Wie geht es weiter mit Ihrem Betrieb?
Lehmann: Ich freue mich natürlich sehr, dass unsere beiden Kinder Interesse an der Landwirtschaft haben, was heutzutage beileibe nicht mehr selbstverständlich ist. Doch ich muss klar sagen, dass ich in den vergangenen Jahren einiges dafür getan habe, dass der Betrieb gut dasteht. Ich möchte irgendwann einmal einen florierenden Betrieb überlassen, den es sich auch lohnt, weiterzuentwickeln. Wohin die Reise noch geht, das vermag aber keiner zu sagen. So wie ich beispielsweise aufgrund unserer beengten Lage in der Stadt die Entscheidung getroffen habe, die Tierhaltung zu beenden, so können meine Kinder irgendwann einmal wieder ganz andere Entscheidungen fällen. Meine Tochter kennt sich beispielsweise gut mit Melkrobotern aus und wird öfters von Milchviehhaltern um Rat gefragt. Die Tierhaltung würde mit der eigenen Gülle oder dem eigenen Mist ein Stück weit auch die ständig steigenden Mineraldüngerpreise abmildern.
Was mir aber persönlich ein echtes Anliegen ist: Wir sollten aufhören, in der Landwirtschaft ständig nach dem Staat zu rufen! Meine Meinung ist: Jeder ist sich selbst der Nächste und wir müssen aufhören zu jammern. Das kommt nämlich in der Gesellschaft gar nicht gut an, wie wir in unseren Gesprächen beim Verkauf unserer Produkte oft hören. Jeder muss für sich am Markt bleiben. Entweder ich habe das Know-how für die Milcherzeugung oder eben nicht. Man kann nicht ständig fordern: „Der Staat muss mir helfen.“ Natürlich nehmen wir auch Fördergelder mit, wenn es sich denn anbietet, aber ich überlege jedes Jahr, ob ich noch einen Antrag stelle oder auf die EU-Förderung verzichte und das machen kann, was für mich und meinen Betrieb richtig halte. Ein praktisches Beispiel ist der Körnermaisanbau, der in unserer Region mit der Winterbegrünung zu Mitte Oktober gar nicht durchführbar ist, weil er erst später geerntet wird. Außerdem muss das Saatbett bei unseren schweren Böden und fehlender Frostgare nach einer Winterbegrünung mit viel Maschineneinsatz und Diesel erst wieder saatfertig gemacht werden. Mir fehlt hier das Verständnis unserer Politiker, die glauben, die Landwirtschaft ist eine Maschine, die man von heute auf morgen umstellen kann.
Zur Person:
Fritz Heinrich Lehmann absolvierte eine landwirtschaftliche Ausbildung und stieg danach in den elterlichen Betrieb in Lahr im Südschwarzwald ein. Der 54-jährige Agrarbetriebswirt entwickelte den Betrieb kontinuierlich weiter und setzt heute auf die drei Standbeine Ackerbau, Lohnunternehmen und die Direktvermarktung von Obst und Gemüse, für die hauptsächlich seine Frau Olga Lehmann verantwortlich ist. Auch der 14-jährige Sohn Heinrich und die 17-jährige Tochter Franziska wollen in die Landwirtschaft einsteigen, sodass sich Familie Lehmann um eine Betriebsaussiedelung bemüht.
Die Fragen stellte Angelika Sontheimer, Agrarjournalistin, Winsen (Aller)