„Neue Zielmärkte für Forsttechnik aus Mitteleuropa“
DLG: Herr Dima, fast alle Hersteller und Händler haben derzeit mit unterbrochenen Lieferketten, begrenzten Lieferkapazitäten und folglich längeren Lieferzeiten zu kämpfen, und es sieht nicht so aus, als würde sich kurzfristig viel ändern. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um über neue Märkte nachzudenken?
Daniel-Paul Dima: Jede Krise ist auch eine Chance. Für jedes Problem gibt es eine Lösung, auch wenn man unter dem Druck von Aktionären, Kunden, Lieferanten und Geldgebern steht. Die Weichen für die Zukunft werden nicht in sogenannten „normalen Zeiten“ gestellt, sondern in Zeiten des Umbruchs, wie wir sie jetzt alle erleben. Neue Märkte sind mit Chancen und Gefahren verbunden, mit Eintrittsbarrieren und hohen Renditeversprechen. Sie sind mit Ungewissheit verbunden, mit der Vision eines profitablen Geschäfts, aber auch mit dem Nervenkitzel, es zu schaffen. In einer Welt, die auf ständiges Wachstum ausgerichtet ist, reichen die heimischen Märkte auf Dauer nicht mehr aus. Ich glaube, dass die Erschließung neuer Märkte ein Schlüssel zu Wachstum sind – und deshalb ist jeder Zeitpunkt genau der richtige, um neue Wege zu gehen.
Warum ist die INTERFORST die richtige Plattform für internationales zukunftsorientiertes Matchmaking?
Dima: Mit über 50 Jahren ununterbrochener Präsenz in den Kalendern der Hersteller, Entscheidungsträger und Anwender von Forstmaschinen ist die Interforst eine Erfolgsgeschichte und hat sich als Plattform für Innovationen und konstruktive, manchmal auch hitzige Debatten über neue Konzepte und Technologien etabliert – nicht nur für den deutschsprachigen Raum, sondern auch auf internationaler Ebene. Deutschland ist das Zugpferd der EU und die ganze Welt schaut auf das, was in Deutschland passiert, um zu verstehen, was die neuen Trends sein werden - sowohl in Bezug auf die Politik als auch auf Wirtschaft, Technik und Verfahrenstechnik. Das gilt auch ganz besonders für die Forstwirtschaft, zumal die Gesellschaft heutzutage viel mehr vom Wald verlangt als nur Holz.
Warum Südosteuropa im Besonderen? Was bietet dieser Wirtschaftsraum den exportinteressierten Herstellern und Händlern aus Mitteleuropa?
Dima: Südosteuropa hat sich in den letzten 15 Jahren - seit dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Europäischen Union - massiv gewandelt. Für beide Länder sind Deutschland und seine mitteleuropäischen Nachbarn heute die wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner – mit bedeutenden Investitionen europäischer Unternehmen, vom Bankwesen bis zur Automobilindustrie, von der Land- und Forstwirtschaft bis zur Pharmazie, von der Chemie bis zur ITK, von der traditionellen Wirtschaft bis zur innovativen Bioökonomie. Südosteuropa bietet eine Reihe von Vorteilen für deutsche und andere mitteleuropäische Unternehmen: zum einen die Nähe (eine Tagesreise) und damit kurze Transportwege, die sich ständig verbessernde gemeinsame EU-Infrastruktur (Straßen, Eisenbahnen, Kommunikationsnetze) und die Rechtssicherheit des EU-Binnenmarktes. Zum anderen aber auch die sehr wertvollen natürlichen Ressourcen, insbesondere die Wälder. Die reichste biologische Vielfalt in der EU ist in den vorratsreichen Wäldern dieser beiden Länder zu finden. Gleichzeitig hat sich bereits der holzverarbeitende Sektor mit wichtigen Akteuren aus den Bereichen Holzeinschlag, Sägewerk, Holzwerkstoff-, Zellstoff- und Papierindustrie etabliert. Es gibt nach wie vor viele Möglichkeiten, die natürlichen Ressourcen auf einem höheren Niveau nachhaltig zu nutzen, mit mehr Wertschöpfung vor Ort und Absatz im gemeinsamen EU-Markt sowie in die auf dem See- und Landweg leicht erreichbare MENA-Region. Auch wenn die Forstsektoren der beiden Länder derzeit interne Kämpfe durchlaufen, die vor allem auf die Harmonisierung der nationalen mit der EU-Politik zum Schutz der biologischen Vielfalt und des illegalen Holzeinschlags zurückzuführen sind, sind die mittel- und langfristigen Geschäftsaussichten günstig.
Welche Auswirkungen erwarten Sie kurz- bis mittelfristig von den aktuellen geopolitischen Ereignissen auf die Forstwirtschaft und die Holzproduktion in Südosteuropa?
Dima: Der anhaltende Konflikt in der Ukraine hat zu einer Unterbrechung der Rundholz- und Verarbeitungsströme in und aus der Ukraine, Weißrussland und der Russischen Föderation geführt. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Unternehmen aus der EU und den USA aus der Region zurückziehen und aktiv nach Alternativen suchen. Die geopolitischen Ereignisse werden deshalb mittelfristig vor dem Hintergrund der immer wichtiger werdenden Versorgungssicherheit auch der Forst- und Holzwirtschaft weitere Impulse geben. Südosteuropa bietet nicht nur Geschäftsmöglichkeiten, sondern auch geopolitische Sicherheit, da sowohl Rumänien als auch Bulgarien aktive NATO-Mitglieder sind.
Welche Technologie wird in den Zielländern mittelfristig im Vordergrund stehen, für welche Produkte sehen Sie die besten Aussichten?
Dima: Die derzeitigen Erntemethoden in Rumänien und Bulgarien sind ziemlich veraltet und beruhen auf dem traditionellen Rückeschleppereinsatz über weite Entfernungen von mehr als einem Kilometer. Da die meisten Wälder in diesen Ländern in Bergregionen liegen, die eine sehr reiche Flora und Fauna beherbergen, aber auch die Quellregionen wichtiger Wasserläufe sind, die in die Donau münden, stehen die derzeitigen Praktiken unter starkem Druck von Umwelt-NGOs. Die Europäische Union wird die Zuweisung von Fördermitteln an eine tiefgreifende Änderung der Forststrategie und -politik knüpfen, wobei der Schwerpunkt auf einer nachhaltigeren Waldbewirtschaftung liegt. In Rumänien und Bulgarien wird die Zukunft der Verfahrenstechnik in einer Kombination aus Seilkrananlagen für steiles und schwieriges Gelände mit Forwardern und Aufarbeitungsprozessoren entlang der Forststraßen und mechanisierter Erntetechnik in den befahrbaren Lagen liegen. Für die oben genannten Maschinen und Systeme wird natürlich auch Zubehör benötigt, von Reifen und Raupen bis hin zu Seilen, Rollen, Sicherheitsausrüstung, Schmiermitteln, Kraftstoffen usw. Da Energie ein immer heißeres Thema auf der aktuellen Agenda wird, ist auch die energetische Verwertung holziger Biomasse von größter Bedeutung. Daher haben bewährte Technologien, die diese sammeln, verarbeiten, verpacken und gewinnbringend ausliefern, gute Chancen, von den lokalen Auftragnehmern weitgehend übernommen zu werden.
Matchmaking-Workshop am 19. Juli 2022
Der Matchmaking-Workshop findet am 19. Juli von 16.00 bis 18:00 Uhr im Interforst-Forum in München in Halle B6 statt. Veranstaltungssprache ist Englisch (voraussichtlich mit deutscher Synchronübersetzung). Im Workshop loten Experten der Regionen sowie bereits erfolgreich vor Ort agierende Unternehmen mit Interesse an weiteren Kontakten die Perspektiven des südosteuropäischen Raumes aus. Anschließend besteht die Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme mit den anwesenden internationalen Gästen. Weitere Informationen gibt Reiner Hofmann, DLG-Bereichsleiter Forstwirtschaft, r.hofmann@dlg.org