Große Nachfrage nach alternativen Mitteln
„Innovationen greifbar machen“, lautete das Motto von Paetow. Danach legte er auch die Auswahl der Stände auf den DLG-Feldtagen fest, die die Gruppe besuchte. Denn längst geht es nicht mehr nur um den Hersteller von Maschinen, Pflanzenschutz- oder Düngemitteln. Vielmehr erhalten die Landwirte Systemlösungen von der Aussaat bis zur Ernte, an denen mehrere Unternehmen aus verschiedenen Sparten beteiligt sind.
Ob landwirtschaftliche Flächen in einem Wasser- oder Naturschutzgebiet oder in nitratbelasteten Gebietskörpern liegen, darüber gibt der Produktionsmittel-Anwendungs-Manager (PAM) Auskunft. Das Land Baden-Württemberg hatte als Mitveranstalter der DLG-Feldtage dazu ausführliches Anschauungsmaterial auf seinem Stand bereitgestellt. Landwirte können anhand der PAM-Suchkulisse alle relevanten Abstands- und Hangneigungsauflagen erkennen, wie sie das Pflanzenschutz- oder Wasserhaushaltsgesetz sowie die Düngeverordnung vorschreiben. Mit den entsprechenden Applikationskarten ist die Dokumentation über den sparsamen Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln gewährleistet.
Deutliche Kritik in Richtung Politik richtete Firmeninhaber Michael Horsch an die anwesenden Politiker:innen beim Besuch am Stand des Landtechnikherstellers. "Dass die Bundesregierung nur wegen des Krieges in der Ukraine jetzt glaubt, dass das der Hauptgrund ist, warum speziell Weizen knapp ist und in Afrika deswegen eine Hungersnot droht, und wenn Ukraine wieder exportiert, alles gut ist" hält Horsch für „extrem naiv“. Es ärgere ihn einfach, dass keiner sich so richtig bewusst ist, dass wir klimabedingt bereits schon seit einigen Jahren in eine Grundnahrungsmittelverknappung hineinlaufen und es verwerflich ist, auf Gunststandorten, wie wir sie hier in Deutschland und Europa haben, an einer Ausweitung einer Landbewirtschaftung festzuhalten, die die Erträge um die Hälfte reduziert.
„Wir müssen auf der einen Seite den klassischen Ökobetrieb mit beispielsweise Direktvermarktung erhalten und zusehen, dass endlich die gesellschaftliche Leistung, die diese Ökobetriebe erbringen, richtig entlohnt wird. Auf der anderen Seite müssen wir erst einmal die Forschung beispielsweise in der Mikrobiologie massiv vorantreiben, bis wir verstehen, wie man Dünger und Pflanzenschutz reduzieren kann, ohne - und das ist die Bedingung - dass die heute erreichten konventionellen Erträge zurückgehen!“
Michael Horsch und seine Familie haben die Ideen des pfluglosen Ackerbaus des Vaters, die aus der Not heraus entstanden seien, erfolgreich umgesetzt. Heute spielt das Maschinenbauunternehmen aus Bayern im Segment Aussaat, Bodenbearbeitung und Pflanzenschutz weltweit vorne mit. Mitte 2021 wurde ein eigener Standort in der Ukraine eröffnet. Die Niederlassung für Service und Vertrieb stehe wegen des russischen Angriffskrieges derzeit still.
Seit mehr als 40 Jahren ist Horsch mit dem DLG-Fachzentrum Landwirtschaft verbunden, beschreibt Paetow die Zusammenarbeit. Die Vision von nachhaltiger Landwirtschaft werde bei Horsch gelebt, so Paetow. Bereits bei der Konstruktion der Maschinen werde im System gedacht und die weiteren Produktionsschritte berücksichtigt. "Wir betrachten den Standort, das Klima und die Fruchtfolge der Betriebe in den verschiedenen Regionen ganzheitlich", erklärt Horsch das Verfahren. Dabei gehe es um den Ackerbau der Zukunft und einen sparsamen Einsatz von chemischen Betriebsmitteln. „In der Ausbringungstechnik steckt ein großes Einsparpotenzial", ist Horsch überzeugt. Er fordert die Landwirtschaft auf, sich von Ideologien frei zu machen . „Es gibt nicht das eine Allheilmittel ökologische oder konventionelle Bewirtschaftung, der Königsweg liege dazwischen."
Informationen zum Smart Sprayer, einem Gemeinschaftsprojekt von Amazonen-Werken, Bosch und BASF SE, gab es am Stand von Amazone. Mit dem Smart Sprayer wird bei jeder Überfahrt das Feld flächendeckend über die im Gestänge verbaute Bosch-Kameratechnik fotografiert, die Bilder verarbeitet und in Echtzeit Entscheidungen über die Applikation getroffen. Die Ventile an der Spritze öffnen sich im Millisekunden-Bereich. Ein komplettes Abschalten der einzelnen Ventile mit einem Abstand von nur 25 cm zueinander ermöglicht eine exakte Spot-Applikation, berichtet Stefan Kiefer von Amazone. Der Smart Sprayer verfügt über eine Konnektivität zum Farmmanagement Xarvio Field Manager von BASF, das Anwender, Berater und digitale Experten miteinander vernetzt.
Ein weiteres Zukunftsmodell von Amazone ist ein Mix aus mechanischem und chemischem Pflanzenschutz. Zusammen mit der Hacktechnik von Schmotzer bietet Amazone die Kombination aus Hacke und Bandspritzung an. Sie ermöglicht bei einem sauberen Bestand eine Einsparung von 40 bis 60 Prozent an Pflanzenschutzmitteln.
Von einer stark steigenden Nachfrage nach biologischen Pflanzenschutzmitteln berichten Sebastian und Elisa Beitzen-Heineke von Biocare der Besuchergruppe. Die Gesellschaft für biologische Schutzmittel mit Sitz in der Nähe von Einbeck, forsche unentwegt nach neuen Mitteln. Allerdings behindere die lange Zulassungszeit und das kostenintensive Prozedere eine schnellere Markteinführung, sagt Beitzen-Heineke in Richtung der anwesenden Politiker:innen. Biologische Wirkstoffe seien in der Herstellung aber oft noch teurer als herkömmliche Wirkstoffe. Um ein wirtschaftliches Produkt zu entwickeln, kamen Forscher deshalb auf die Idee, die Schädlinge zum abtötenden Antagonisten zu locken und so die Kosten zu verringern: Attract-and-Kill. Dieses Prinzip wird gegen Drahtwürmer in Kartoffeln mit dem Mittel Attracap angewendet, das eine Notfallzulassung vom Bundesamt für Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BVL) bekommen hat. Bekannt geworden ist Biocare mit den Trichosafe-Kugeln zur Bekämpfung des Maiszünslers, der mittlerweile deutschlandweit verbreitet ist. Auf den DLG-Feldtagen konnten die Besucher:innen auch das Stelzengerät zur Ausbringung der Kugeln mit den Schlupfwespen Trichogramma brassicae im hohen Maisbestand besichtigen. Bei einer rechtzeitigen Ausbringung werden die Eier des Maiszünslers parasitiert und bekämpft. Ziel der Anwendung von Trichosafe sei die Reduktion des Maiszünslerbefalls unterhalb der ökonomischen Schadschwelle, berichtet Beitzen-Heineke.