Die Preisentwicklung für Zucker und Rüben zeigt nach oben
Dr. Stefan Streng fordert die Zulassung moderner Züchtungstechniken
Die Preisentwicklung für Zucker und Rüben zeigt nach oben. Im Herbst 2021 überschritt der EU-Zuckerpreis erstmals seit Jahren wieder den Referenzpreis von 404 €/t. Dies ist eine wichtige Entwicklung. Denn auch die Kosten im Anbau steigen aufgrund höherer Energie- und Düngerkosten erheblich. Und die Rübe steht im Wettbewerb mit anderen Ackerfrüchten. Die Bilanz der letzten Kampagne war gut. Nach den trockenen Vorjahren haben sich die Erträge in der abgeschlossenen Saison erholt. Mehr als 82 Tonnen Rüben konnten pro Hektar geerntet werden, im Vorjahr waren es noch gut 73 Tonnen. Entscheidend beigetragen haben dazu die besseren Witterungsbedingungen im Jahr 2021. Die - leider nur regional beschränkte - Möglichkeit, Neonicotinoide in stark von Vergilbungsviren betroffenen Gebieten einsetzen zu können, hat zudem geholfen, Ertragseinbußen zu begrenzen. Auch der Rückgang der Rübenanbaufläche wurde gestoppt.
Zudem erkennen immer mehr Hersteller und Verbraucher, wie sehr die Zuckerrübe beim Thema Nachhaltigkeit punktet. Rübenzucker wird regional und unter hohen Umwelt- und Sozialstandards erzeugt.
Trotz dieser positiven Bilanz bleibt die Frage, wie die deutsche Zuckerwirtschaft im europäischen und internationalen Wettbewerb weiterhin bestehen kann. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen brauchen wir in erster Linie faire Rahmenbedingungen und gleiche Regeln für den EU-Binnenmarkt sowie den Weltmarkt.
Fehlender Schutz gegen Vergilbungsviren
Diese sehe ich beispielsweise im Pflanzenschutz nicht. Für die aktuelle Anbauphase haben wir beispielsweise keine Notfallzulassungen für die Beizung mit Neonicotinoiden und damit keinen wirksamen Schutz gegen Vergilbungsviren. Erste virenübertragende Blattläuse sind auf den Feldern aber bereits nachgewiesen. Hier sind wir einem ungleichen Wettbewerb ausgesetzt. Denn in 12 der 17 EU-Mitgliedstaaten mit Rübenanbau wurden Notfallzulassungen für die Anbausaison 2022 erteilt.
Auch darüber hinaus bleibt die Situation für die Zuckerwirtschaft angespannt. Die EU hat es nicht geschafft, die Verhandlungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) als Chance zu nutzen, Wettbewerbsnachteile durch gekoppelte Prämienzahlungen auszugleichen. Ein entsprechender Änderungsantrag wurde im Europäischen Parlament leider abgelehnt. Damit wird es weiterhin so sein, dass die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten mit Rübenanbau ihren Landwirten gekoppelte Prämien für den Zuckerrübenanbau zahlen. Diese Landwirte erhalten dadurch einen Preisvorteil von bis zu 30 Prozent.
Der Klimawandel bringt zudem nicht nur mehr Trockenheit, sondern auch mehr Schädlingsdruck. Neben den Blattläusen, die Vergilbungsviren übertragen, breitet sich auch die Schilf-Glasflügelzikade weiter aus. Sie überträgt Bakterien, welche die Krankheit SBR auslösen. Die wiederum führt dazu, dass der Zuckergehalt der Rübe sinkt. Wirksame Insektizide gibt es bislang nicht. Eine große Chance böten neue Züchtungstechniken. Sie ermöglichen eine schnellere Züchtung von Sorten, die resistent gegen Pflanzenkrankheiten sind. Wir brauchen hier keine rückwärtsgewandten Scheindebatten, sondern einen an den Stand der Wissenschaft und die europäische Züchterstruktur angepassten rechtlichen Rahmen für neue Züchtungstechniken.
Rübenschnitzel als externe Energiequelle
Eine weitere drängende Herausforderung ist die sichere Energieversorgung für unsere Zuckerfabriken – heute und in Zukunft. Heute sind wir noch auf ausreichend externes Gas für die energieintensive Kampagne im Herbst und Winter angewiesen. Zuckerrüben sind nur sehr begrenzt lagerfähig und eine Verschiebung der Produktion ist nicht möglich.
In der Zukunft wollen wir die Energieversorgung durch biogene Reststoffe – unsere Rübenschnitzel – sicherstellen. Damit könnten wir Zucker nahezu unabhängig von externen Energiequellen und klimaneutral produzieren. Allerdings dürfen uns die Regelungen zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie hier keine Steine in den Weg legen. Momentan sieht es leider danach aus.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Zuckerrübe gehört in die Fruchtfolge. Sie trägt zur Versorgung mit einem regional und nachhaltig erzeugten Grundnahrungsmittel bei. Dafür brauchen wir weiterhin auskömmliche Zucker- und Rübenpreise. Aber vor allem brauchen wir auch eine Politik, die ungleiche Wettbewerbsbedingungen nicht nur erkennt, sondern auch etwas dagegen tut.