„Der EU-Vorschlag geht eindeutig zu weit“
Agrarminister Werner Schwarz zur geplanten Reduktion von Pflanzenschutzmitteln
Werner Schwarz (CDU) ist seit Juni 2022 Agrarminister in Schleswig-Holstein. Als Landwirt ruhen auf ihm Hoffnungen des Berufstandes, dass er die Politik mehr auf die landwirtschaftliche Praxis ausrichtet. Im DLG-Mitglieder-Newsletter spricht Werner über das 100-Tage-Programm und die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln.
DLG: Derzeit finden wieder Bauernproteste statt. Die Pläne der EU-Kommission zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln stoßen auf heftigen Widerspruch. Gibt es Möglichkeiten, geplante Schutzgebiete in Deutschland auszugrenzen?
Werner Schwarz: Nach den Plänen der EU-Kommission soll die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in „ökologisch empfindlichen Gebieten“ verboten werden. Zu diesen Gebieten zählen laut Verordnungsvorschlag neben Schutzgebieten gemäß der Wasserrahmenrichtlinie Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung, europäische Vogelschutzgebiete sowie sämtliche nationalen, regionalen oder lokalen Schutzgebiete, die in das Verzeichnis der nationalen Schutzgebiete (CDDA) gemeldet wurden. Hierunter fallen auch Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten wird in Deutschland bereits heute über die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und landesspezifische Naturschutzgebiets-Verordnungen ausreichend geregelt. Für Landschaftsschutzgebiete gibt es bislang keine speziellen Regelungen zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, da sie im Hinblick auf die dort verfolgten Schutzziele nicht relevant wären.
Welche Folgen hätte ein Verbot?
Ein Verbot des Einsatzes jeglicher Pflanzenschutzmittel in den genannten Schutzgebieten hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf die Landbewirtschaftung, die auch den Ökolandbau betreffen würden. Der Vorschlag aus Brüssel geht daher eindeutig zu weit. Auch die Bundesregierung scheint Nachbesserungsbedarf zu sehen: Zumindest äußerte die grüne Bundesstaatssekretärin Silvia Bender zuletzt auf einer Demonstration in Bonn ihre Zweifel. Landwirtinnen und Landwirte, die in diesen Gebieten wirtschaften, sei ein Komplettverbot von Pflanzenschutzmitteln kaum vermittelbar. Mein Ministerium wird sich daher dafür einsetzen, dass die Definition ökologisch empfindlicher Gebiete überarbeitet wird und zumindest Landschaftsschutzgebiete aus der Liste gestrichen werden.
Wird die höhere Prämie von 45 Euro pro Hektar für vielfältige Kulturen einen Anreiz für landwirtschaftliche Betriebe haben, teilzunehmen?
Ich bin da ziemlich skeptisch. Natürlich war es richtig, noch einmal nachzujustieren. Aber für unsere hochproduktiven Betriebe hier in Schleswig-Holstein rechnet sich das meist immer noch nicht. Erst recht nicht bei den guten Preisen als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Aber Agrarpolitik hat ja immer auch vielfältige Adressaten. Betriebe, die schon jetzt aus guten Gründen eher vielfältig wirtschaften müssen oder wollen, dürfen sich zurecht über die erhöhte Prämie freuen und sie auch in Anspruch nehmen.
Viele Agrarbetriebe wollen lieber auf die Agrarförderung verzichten, als sich auf Eco Schemes und Konditionalität einzulassen. Ist das der gewünschte Einstieg zum Ausstieg aus den Flächenprämien?
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle widersprechen. Natürlich gibt es immer wieder Berichte über Einzelfälle, die mit Blick auf die Auflagen und die bürokratischen Mühen auf die Flächenprämien verzichten. Aber wir rechnen nicht damit, dass das jetzt viel mehr wird. Immerhin ist die Basisprämie eine sichere Basis in diesen sehr unruhigen Zeiten. Und auch nüchterne Kalkulationen aus der Agrarberatung zeigen, dass die mit der Konditionalität verbundenen Kosten niedriger sind als die Basisprämie. Im Übrigen werde ich mich dafür einsetzen, dass das bisherige Prämiensystem bei der nächsten EU-Agrarreform in Richtung „Gemeinwohlprämie“ weiterentwickelt wird. Jedenfalls ist mein Ziel nicht der Ausstieg, sondern Weiterentwicklung.
Welchen Schwerpunkt setzen Sie als neuer Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein?
Die Koalition hat ein 100-Tage-Programm aufgestellt. Dazu gehört, den Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein weiterzuführen. Zudem wollen wir ein Kompetenzzentrum für klimaeffiziente Landwirtschaft aufbauen. Wenn wir ein klimaneutrales Industrieland werden wollen, dann muss auch die Landwirtschaft liefern. Und drittens wollen wir eine Bildungsoffensive starten, die die Verbindung zwischen Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung stärkt.
Mitte September findet für Sie die erste Agrarministerkonferenz, kurz AMK, statt. Die Parteifarben in der AMK sind sehr bunt. Gibt es überhaupt noch Themen, in denen die AMK einen einstimmigen Beschluss fassen kann.
Das Einstimmigkeitsprinzip der Agrarministerkonferenz zwingt zu einer Kompromissfindung. Das kostet sicherlich manchmal Zeit und fordert Geduld, aber am Ende steht in der Regel ein Kompromiss, der von allen getragen werden kann und bei dem keiner als Verlierer vom Platz gehen muss. Das ist besonders bei wichtigen agrarpolitischen Fragestellungen ein enormer Vorteil. Der Umgang ist manchmal hart, aber es eint alle der Wille, lösungsorientiert und unabhängig von Parteifarben gemeinsame Beschlüsse zu fassen.
Das Interview führte Daphne Huber, agrarticker.de
Zur Person:
Werner Schwarz (CDU) ist Minister für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz in Schleswig-Holstein. Der 62-jährige Landwirt war von 2008 bis zu seiner Amtsübernahme Ende Juni 2022 Präsident des Landesbauernverbandes. Von 2012 bis 2022 war Schwarz Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV).