Schweinehaltung vor dem Scheideweg
Landwirt Peter Seeger ruft dazu auf, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen
Schon wieder eine Kommission zur Verbesserung der Tierhaltung, die ihre Arbeit pausiert. Wobei das Wort Pausieren heute eine neue Bedeutung hat.Nur weil wir das Thema Tierwohl auf die lange Bank schieben, muss sicherlich kein Betrieb aufgeben. Das sehe ich ganz anders. Die Zeitenwende seit dem 24. Februar 2022 erweckt den Anschein, dass der Verbraucher nicht mehr bereit ist, für Tierwohl zu bezahlen. Das ist zwar im Moment so, was besonders die Betriebe der Bioproduktion zu spüren bekommen, in einem entwickelten Land wie Deutschland, wird sich der Trend zu mehr Tierwohl mittelfristig aber nicht umkehren.
Programme wechseln ständig
Jede der letzten Bundesregierungen hat ihre eigene Kommission berufen, meist jedoch ohne Lösungen für die praktische Landwirtschaft. Böse Zungen behaupten, dass es hierbei nur darum geht Zeit zu schinden. Das große Ziel der Reduktion der Tierhaltung läuft ja „wie geschmiert“. Wer will sich ernsthaft der Illusion hingeben, dass die Transformation der Landwirtschaft ausschließlich aus Steuermitteln bestritten wird? Bei jedem Regierungswechsel sind die Zahlungen neu auf dem Prüfstand. Die Landwirtschaft hat im Ackerbau durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und regionale Förderprogramme schon ihre Erfahrungen mit Agrarförderung gesammelt. Ständig wechselnde Programme und Anforderungen sind im Ackerbau durchaus machbar, in den langen Abschreibungszeiträumen der Tierhaltung aber undenkbar.
Nach 25 Jahren Wachstum der deutschen Schweinehaltung und Kostenführerschaft in Europa hat sich die Situation durch Corona, Afrikanische Schweinepest und steigende Auflagen verändert. 5xD, also Wertschätzung der regionalen Produktion und Initiative Tierwohl sind keine Selbstläufer. Unsere Abnehmer in der Schlachtbranche und dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) haben nun doch - entgegen ihrer stetigen Beteuerungen - nur ein begrenztes Interesse an teureren Produkten.
Aus diesen Gründen, in Kombination mit explodierenden Futterkosten ereignet sich momentan ein Strukturbruch in der Schweinehaltung. Auch wir haben für unseren Betrieb die Konsequenzen aus der Situation gezogen und haben die Ferkelproduktion aufgegeben und beschränken uns auf die Schweinemast. Erst ein deutlich reduziertes Angebot an Schlachtschweinen kann den Markt in Deutschland wieder beleben und für auskömmliche Preise sorgen.
Tiere verstehen lernen
Was soll man aber den verbleibenden Schweinehaltern raten?
Ich habe dazu zwei sich ergänzende Vorschläge:
Wir müssen das Thema Tierwohl ernst nehmen. Auf den DLG-Unternehmertagen in Würzburg hat Gesa Langenberg eindrucksvoll vorgestellt, wie sie in einem noch kleinen Teil des Betriebes einen Umbau auf die Tierwohlstufe 3 und 4 umgesetzt hat: Erfahrungen sammeln, die Tiere noch mehr verstehen lernen und die Ställe an die Tiere anpassen. Es ist nun eine riesige Aufgabe, für die Tierwohlschweine eine Vermarktung aufzubauen - momentan sicherlich sehr schwierig und ein hohes unternehmerisches Risiko, das es betriebsindividuell abzuwägen gilt.
Marketing auf allen Kanälen
Nur die deutschen Schweinehalter können auf dem heimischen Markt regionale Produkte in höchster Qualität und nachhaltig anbieten. Wie in vielen anderen europäischen Ländern müssen wir Marketing für unser Produkt machen. Für den LEH darf es keine Alternativen zu heimischem Fleisch geben. In den Kantinen der deutschen Industrie, die sich gerne so nachhaltig präsentiert, muss es selbstverständlich sein, deutsches Tierwohlfleisch zu verarbeiten. Solch eine neues Selbstbewusstsein stellt sich nicht ein, indem man Forderungen an Politik und Verbraucher stellt. Durch geschicktes und massives Marketing über alle möglichen Kanäle - vom TV-Werbespot bis zum Kindergarten im Abferkelstall, von YouTube bis zu Leserbriefen in der Regionalzeitung - muss unseren Produkten wieder ein gutes Image gegeben werden. Dies kostet viel Geld, das wir bitte nicht bei Politik oder Industrie einfordern. Erst wenn wir selbst das Heft des Handelns in die Hand nehmen, sind wir wirklich glaubwürdig.