„Eine qualitativ gute Kartoffel verkauft sich immer noch“
Die Kartoffelhaupternte hat begonnen. Im Hauptanbaugebiet in Niedersachsen erwartet Kartoffelanbauer und Landvolkpräsident Dr. Holger Hennies eine unterdurchschnittliche Ernte. Im Interview auf der PotatoEurope spricht er über hohe Betriebsmittelpreise und die geringe Pflege der Anbauer durch die Verarbeiter.
DLG: Welchen Schaden hat die Trockenheit auf den Feldern angerichtet?
Dr. Holger Hennies: Bei Tagestemperaturen bis zu 28 Grad Celsius und darüber ist es aktuell noch zu warm und zu trocken, um die Haupternte optimal einzulagern. Die Ware muss jetzt energieintensiv heruntergekühlt werden. Wohl dem, der bei den hohen Strompreisen eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat.
Wir erwarten in diesem Jahr eine unterdurchschnittliche Ernte. Die AMI spricht von unter 10 Millionen Tonnen Kartoffeln in diesem Jahr. In den Beregnungsgebieten fand ein guter Knollenansatz statt. Trotz Beregnung fällt jedoch wegen der Trockenheit die Größe der Knollen kleiner aus. Die erwarteten Erträge sind mit 35 bis 40 Tonnen je Hektar auf der Gesamtfläche eher unterdurchschnittlich, weil auf den nicht beregneten Feldern teilweise Totalausfälle zu befürchten sind.
In Niedersachsen ist die Wasserentnahme begrenzt. Gab es in dieser extremen Dürre Schwierigkeiten mit der Bewässerung?
Nach vier intensiven Beregnungsjahren in den vergangenen fünf Jahren stoßen die Betriebe an die Grenze des verfügbaren Wassers. Umstellung der Fruchtfolge oder Verzicht der Beregnung bei Getreide in diesem Jahr und den Vorjahren haben eine ausreichende Beregnung möglich gemacht. Bei extremen Temperaturen von 40 Grad Celsius und mehr diente die Beregnung aber nicht mehr dem Wachstum, hier wurde die Kartoffel nur am Leben erhalten. Bei der dritten Hitzewelle brachen die Bestände vor dem Erreichen ihres Ertragspotenzials zusammen.
Die Verarbeitungsindustrie beklagt einen Mangel an Pommes-Kartoffeln? Wie schätzen Sie die Mengen- und Preisentwicklung ein?
Die Wasserentnahme ist in Niedersachsen zur Beregnung begrenzt. Meist ist der Kartoffelanbau die tragende Säule im Betrieb und bekommt deshalb die größte Wassermenge. Ist das Wasser knapp, reifen die Knollen früher ab. Damit fehlen wie in diesem Jahr Übergrößen zur Herstellung von Pommes frites. Derzeit zeichnet sich eine größere Verknappung der Verarbeitungsware als im Speisebereich ab.
Dadurch treten die seit Jahren herrschenden Schwierigkeiten zwischen den Erzeugern und der Verarbeitungsindustrie zutage. Die Unternehmen haben die Anbauerbeziehungen zu wenig gepflegt, vor allem was die Preisgestaltung betrifft. Mit den niedrigen Auszahlungspreisen lassen sich die hohen Dünger-, Energie- und Wasserkosten nicht decken.
Gerade, wenn das Wasser wie in diesem Jahr zugeteilt werden muss, könnte die Entscheidung zur Beregnung zugunsten des gut bezahlten Getreides ausfallen. Die Industrie hat die Kartoffelpreise zu zögerlich angepasst und ist nun auf der Suche nach Ware.
Welche Maßnahmen für ein effektives Wassermanagement gibt es?
Auf die Wasserknappheit reagieren viele Betriebe, indem sie frühe Sorten anbauen, um die Wasservorräte aus dem Frühjahr noch mitzunehmen. Ferner geht die Entscheidung dahin, mehr Mais und Roggen anzubauen, die weniger Wasser benötigen als Braugerste und Kartoffeln. Viele Landwirte richten ihre Fruchtfolge auf Kulturen aus, die weniger Wasser benötigen. Was die Beregnungstechnik betrifft, investieren Betriebe in Kreisberegnungsanlagen. Allerdings muss hierfür die Flächenstruktur passen und es dürfen keine Hecken oder Masten auf den Flächen liegen.
Immer mehr setzt sich in der Praxis durch, die Felder nachts zu beregnen, wenn es windstill und kühler als am Tag ist. Wer die windstillen Zeiten nützt, kann 10 bis 20 Prozent der Wassermenge einsparen. Die zeitliche und witterungsabhängige Streuung lässt sich durch digitale Beregnungsüberwachung steuern. Der Landwirt bekommt zum Beispiel Störungen auf das Handy gemeldet oder wenn der Einzug des Schlauches klemmt. Auf meinem Betrieb hat jede Regenmaschine eine eigene Überwachung. Gerade die Nachtstunden lassen sich besser nutzen, wenn die Anlage digital überwacht wird. Ferner werden die Beregnungsmengen erfasst und man erlebt somit keine böse Überraschung, dass die Beregnungsrechte schon überzogen sind.
Beim sogenannten Düsenverteilwagen hoffen wir auf arbeitswirtschaftlich bessere Versionen. Die erste Generation der Geräte war recht verschleißanfällig. Hier brauchen wir dringend technische Weiterentwicklungen.
Bei den Rodearbeiten können harte Kluten die Schale verletzen. Wie können Landwirte bei der Lagerung solche Sekundärinfektionen verhindern?
Durch die richtige Einstellung des Kartoffelroders beim Roden können viele Beschädigungen an den Knollen vermieden werden. Aber genauso wichtig ist das qualifizierte Personal, das auf dem Roder steht. Eine zudem gute Feinabstimmung zwischen Roderfahrer und Sortierpersonal bewirkt, dass die moderne Technik des Kartoffelroders optimal genutzt wird. Darauf habe ich auch Bundesagrarminister Cem Özdemir, als er bei mir auf dem Hof einen Besuch abstattete, hingewiesen.
Sie sind Direktvermarkter von Kartoffeln mit eigenem Hofladen. Stellen Sie fest, dass aufgrund der hohen Preise für Qualitätsware weniger Kunden in ihrem Hofladen einkaufen?
Bei der Direktvermarktung von Kartoffeln ist die Situation, dass die Kunden wegbleiben, nicht so stark wie bei Gemüse und Fleisch. Eine qualitativ gute Kartoffel verkauft sich immer noch gut. Anders sieht es beim Schweinefleisch aus. Dort ist die Kaufzurückhaltung für die höheren Haltungsstufen deutlich spürbar. Hier wandern die Verbraucher in den LEH ab, wo importiertes Schweinefleisch zum Teil ohne QS-Zertifikat zu Discountpreisen angeboten wird. Das Fleisch der höheren Haltungsstufen wird immer weniger nachgefragt. Diesen Einbruch im Kundenaufkommen in der Direktvermarktung beobachten wir schon seit einem Jahr. Seit November bemerkten wir einen Rückgang zuerst im Online-Shop und seit Februar flächendeckend. Auch bei den Ökolandwirten mit langjähriger direkter Kundenbeziehung ist seit Ostern die Kaufzurückhaltung deutlich zu spüren.
In Niedersachsen werden 50 Prozent der deutschen Kartoffeln angebaut. Der Selbstversorgungsgrad ist hoch, entsprechend wird aus Niedersachsen immer auch Ware exportiert. Insofern können wir Erzeuger den harten Bandagen des Lebensmitteleinzelhandels durchaus etwas entgegensetzen. Aufgrund der Erfahrungen aus 2018 mit einer kleinen Ernte bin ich zuversichtlich, dass die diesjährige Ernte bis zum April, vielleicht auch Mai nächsten Jahres ausreicht. Verlässlichere Aussagen darüber gibt es erst im Oktober, wenn alle Felder gerodet sind.
Das Interview führte Daphne Huber, agrarticker.de