Italiens Landtechnikindustrie ist ein Exportspezialist
Dr. Raffaele Talarico zur Lager der italienischen Landwirtschaft nach der Wahl
Die rechte Partei Fratelli d'Italia hat mit 26 Prozent der Stimmen die Parlamentswahlen in Italien vor einer Woche gewonnen. Die Brüder Italiens unter Giorgia Meloni könnten zusammen mit der rechten Lega unter Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi auf rund 43 Prozent der Stimmen kommen. Das rechtsnationale Bündnis dürfte die nächste Regierung in Italien anführen. Der Rechtsruck könnte sich auch auf die Landwirtschaft auswirken. Wie sieht es um die Zukunft von jungen Betriebsnachfolgenden jetzt aus?
Im Wahlkampf hatte die Fratelli d‘Italia mit einem Maßnahmenpaket "Landwirtschaft: unsere Geschichte, unsere Zukunft" um Stimmen aus der Landwirtschaft geworben. Konkret geht es Meloni & Co. um "den Schutz und die Förderung italienischer Spitzenprodukte". Darüber hinaus wollen sie Italiener im Ausland zu Botschaftern machen und die "Förderung unserer hervorragenden Leistungen und unserer Kultur durch die italienischen Gemeinschaften in der ganzen Welt" unterstützen.
Es ist unumstritten, dass südlich des Pos viele Landwirte ihre Betriebe aufgegeben haben, da eine moderne Landwirtschaft auf den typischen Hang- und Mittelgebirgslagen Mittel- und Süditaliens wenig rentabel ist. Um diese Wunde zu heilen, schlägt Fratelli d’Italia vor, "eine gemeinsame Agrarpolitik und einen nationalen Strategieplan zu fördern, der in der Lage ist, auf die heutigen Bedürfnisse zu reagieren, um eine Entwicklung zu erreichen, die Unabhängigkeit mit ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit verbindet".
Mehr Geld aus Brüssel
Diese soll "den Schutz des nationalen Agrar- und Ernährungssektors" mit "dem Kampf gegen die Kennzeichnungslabel ‚Nutri -Score‘ und ‚Italian Sounding‘ verbinden“. Man wolle sich bei der EU-Kommission dafür einsetzen, die "De-Minimis-Beihilfen für landwirtschaftliche Betriebe anzuheben, um sie an die für andere Wirtschaftszweige geltenden Höchstbeträge anzugleichen". De-Minimis-Beihilfen gewährt die EU-Kommission unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren bis zu einer Höhe von maximal 200.000 €. Ferner verspricht Fratelli d’Italia die "Förderung einer italienischen Innovationskette in der Landwirtschaft" und die "Stärkung von Garantieinstrumenten für die Finanzierung von Betrieben der Landwirtschaft, Tierproduktion und Fischerei".
Kampf gegen illegale Landarbeiter
Die Partei spricht vom Kampf gegen "caporalato" – die illegale Anwerbung von Landarbeitern – und setzt sich dafür ein, die Produktion regionaler Qualitätsprodukte aufzuwerten. Neben Maßnahmen zur Bestandsreduzierung von Wildschweinen und Tierseuchen werden auch "Maßnahmen für einen nationalen Plan für Stauseen zur landwirtschaftlichen Bewässerung" erwähnt.
Meloni und ihre Partei wollen einen "außerordentlichen Plan zum Schutz der See- und Binnengewässer sowie effizienter Wassernetze“ auf den Weg bringen, um das Phänomen der Wasserdispersion zu begrenzen.
Auf die hohen Energiekosten, die auch den Landwirten Sorgen bereiten, hat die künftige Regierung die klare Antwort "nachhaltige Energiewende und verstärkte Erzeugung erneuerbarer Energien“. Dabei soll auf die "vollständige Nutzung der nationalen Ressourcen" zurückgegriffen werden. Ein Ja gibt es zur Preisobergrenze auch von Fratelli d'Italia mit dem Zusatz, dass „Energieanlagen der neuesten Generation ohne Veto und Vorurteile gebaut werden sollen". Ferner wird die „Nutzung von sauberer und sicherer Kernenergie“ berücksichtigt.
Im Gegensatz zu extensiven landwirtschaftlichen Systemen besitzt Italien eine intensive Landwirtschaft mit einer sehr hohen Wertschöpfung auf relativ kleinen Flächen. Ein Erbe, das geschützt werden muss - ohne den wirtschaftlichen Wert des Sektors zu vernachlässigen. Die angesehene italienische Landtechnikindustrie und deren Zulieferer sind Exportspezialisten. Ähnlich wie in Deutschland prägen viele kleine und mittelständige Familienunternehmen bis hin zu Großkonzernen das vielfältige Bild der italienischen Landtechnikhersteller
Notlagen belasten das Land schwer
Die neue italienische Regierung muss der Landwirtschaft einen zentralen Platz einräumen und ihre strategische Rolle anerkennen, die der Sektor bereits während der Pandemie gezeigt hat und die für die Energiewende und den ökologischen Wandel entscheidend sein wird. Die Aufmerksamkeit muss auf die Notlagen gerichtet bleiben, die das Land schwer belasten, von den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und des Klimawandels bis hin zu den Produktionseinbußen durch Wassermangel, die die Schließung vieler landwirtschaftlicher Betriebe vor allem im Landesinneren zur Folge haben.
Im Land der Väter ausschließlich einen ideologisierten, metaphysischen Ort der Traditionen, der Identität und der Kultur zu suchen, hilft unseren Landwirten bei der Bewirtschaftung des physischen Ortes, in dem diese Identität Wurzeln geschlagen hat und welcher Unternehmen eine Heimat und eine Zukunft bieten sollte, wenig. Auch die unterschwellig immer wieder anklingende Lebensmittel- und Energieautarkie – die schon einmal theoretisiert und praktiziert wurde - scheint Teil dieser Ideologie zu sein.
Bodenerosion ist ein großes Problem
Vergebens sucht man im Regierungsprogramm des rechten Bündnisses konkrete Maßnahmen gegen die Versiegelung von landwirtschaftlichen Nutzflächen oder zur Förderung der konservierenden Bodenbearbeitung. Italien ist eines der Länder mit der höchsten Bodenerosion weltweit. Maschinenringe und landwirtschaftliche Kooperativen finden im Wahlprogramm keine Erwähnung. Auch Digitalisierung, Entbürokratisierung oder Agroenergie sind Punkte, die fehlen.
Und welche Zukunftschancen haben Junglandwirte und Junglandwirtinnen? Es gibt in Italien eine Rückkehr „aufs Land“, Agrarfachschulen und Agrarfakultäten in Norditalien erleben einen regelrechten Boom. Der Sektor leidet strukturell unter einem fehlenden Generationswechsel, ist aber einer der wenigen, der keine negativen Beschäftigungszahlen verzeichnet. Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass junge Menschen Familienbetriebe übernehmen oder Neugründungen „riskieren“ können, indem wir ihre größere Vertrautheit mit Managementfähigkeiten und IT nutzen.
Der Wunsch „nach Land“ bestätigt die Gültigkeit des landwirtschaftlichen Entwicklungsmodells "Made in Italy", das auf der Stärkung der Identität, der Qualität und der Besonderheit beruht und auch für andere Sektoren als Referenz dienen kann, um sich dem internationalen Wettbewerb zu stellen und ihn zu gewinnen. In der europäischen Landwirtschaft gibt es generell noch kein ausreichendes Einkommen, aber es gibt eine Zukunftsvision, Perspektiven und Zuversicht, die es in anderen Sektoren nicht gibt.
Das Menü ist reichhaltig. Es fehlt eine gehörige Prise Zukunft, Konkretheit, internationale Vision und Nachhaltigkeit. Hoffen wir dennoch, dass die Chefköchin ihre Versprechungen einhält.