Unterschiedliche Akzeptanz von Gentechnik
Die Senior-DLG traf sich vor Kurzem bei der RUW in Borken. Die „Zukunft Gentechnik?!“ ist immer noch mit vielen Unwägbarkeiten behaftet. Zuvor gab es eine Besichtigungstour auf dem „Bullwalk“.
Leo Siebers, Initiator der Senior DLG und ehemaliges Vorstandsmitglied der DLG, begrüßte Mitte September 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu einer Tagung und führte durch das Programm. Tagungsort war die Besamungsstation Borken der Rinder-Union West eG (RUW) mit Sitz in Münster.
Dr. Ulrich Janowitz stellte als Leiter die Besamungsstation in Borken (RUW) vor. Dabei gab er interessante Einblicke in die Spermagewinnung sowie die Spermalagerung in einer modernen Besamungsstation. Das hier gewonnene Sperma wird in alle Welt verschickt. Besonders großen Wert legt der Betriebsleiter auf die Untersuchungen im eigenen Labor sowie die Qualitätskontrolle. Derzeit sind 140 Bullen in den Ställen auf der Besamungsstation untergebracht.
Hinter einer Glasscheibe auf der Besuchergalerie bekamen die Teilnehmer der Tagung der Senior DLG auf dem „Bullwalk“ die genetisch hochwertigen Vererber aus nächster Nähe, aber unter Einhaltung der strengen Hygienevorschriften, vorgestellt.
Strukturwandel verändert die Landwirtschaft
Im Anschluss an die Betriebsführung gab Dr. Reinhard Grandke einen Überblick über die DLG-Arbeit. „Wie auch auf der Tagung zu spüren ist, freuen sich die Menschen, sich wieder zu treffen“, sagte Grandke. Der persönliche Austausch sei auch das Kerngeschäft der DLG: „Menschen treffen“ auf Veranstaltungen, Ausstellungen zum Netzwerken, Austauschen und Fortschritte erleben. So habe die DLG nach der Pandemie-Pause in diesem Jahr wieder erfolgreich Ausstellungen und Veranstaltungen durchführen können .
Dr. Claudia Döring vom Deutschen Raiffeisenverband in Berlin führte anschließend mit dem Vortrag „Rot, Grün, Grau: Blick auf die Gentechnik in Wissenschaft, Praxis und Gesellschaft“ thematisch in die Veranstaltung ein. Sie machte deutlich, dass die verschiedenen Anwendungsbereiche der Gentechnik auf unterschiedliche Akzeptanz stoßen. So sei die Akzeptanz von Gentechnik in der Medizin hoch, da gentechnisch hergestellte Medikamente einen unmittelbar erkennbaren Nutzen hätten.
Interessant dabei sei, dass über PCR-Tests auf das Corona-Virus und über mRNA-Impfstoffe gegen eine Corona-Infektion in den vergangenen zwei Jahren ein großer Teil der Bevölkerung im Alltag in Kontakt mit Gentechnik und gentechnischen Verfahren gekommen sei. Mutmaßlich, ohne es zu wissen.
Gentechnikfreie Produkte im Handel
Ein anderes Bild zeige sich in der Agrar- und Ernährungswirtschaft: Die Ablehnung Grüner Gentechnik sei hoch. Optimierte Anbaueigenschaften gentechnisch veränderter Pflanzen hätten keinen unmittelbaren Nutzen für Konsumenten. Zudem hätten viele Menschen romantische Vorstellungen von der Landwirtschaft als Sehnsuchtsort, und Gentechnik sei ein Kristallisationspunkt moderner Produktion, der häufig befremdet, führte Döring aus. Überdies würden im Lebensmitteleinzelhandel keine Produkte mit einer Gentechnik-Kennzeichnung angeboten, sondern nur Erzeugnisse, bei denen keine Gentechnik angewandt wurde oder gentechnische Verfahren, die nicht den Kennzeichnungsregelungen für gentechnisch veränderte Lebensmittel unterliegen. So hätten die Konsumenten nur eingeschränkt Gelegenheit, Erfahrungen mit Gentechnik zu sammeln und sich auf dieser Basis eine reflektierte Meinung zu bilden.
Digitalisierung unterstützt Zuchtarbeit
Ulrich Westrup, Milcherzeuger aus Niedersachsen und stellvertretender Vorsitzender des DLG-Aufsichtsrates zog eine umfassendes Fazit zur genomischen Zuchtwertschätzung bei Rindern und zum praktischen Einsatz im Milchviehbetrieb. Die genomische Zuchtwertschätzung insbesondere auf der weiblichen Seite führe zu einer objektiveren Zuchtarbeit, da die Zuchtwerte sofort eine Sicherheit von 70 bis 80 Prozent aufwiesen, so Westrup. Dabei sei die „Negativliste“ wichtiger als die „Topliste“, um weibliche Tiere zu selektieren. Er setze dabei auf die Digitalisierung, die seiner Ansicht nach Zuchtentscheidungen unterstützen könne. Zum Beispiel auch, um den passenden Bullen für seine Tiere zu finden und dabei Inzucht zu vermeiden. Für einen guten Indikator hält Westrup den RZ€, um die Wirtschaftlichkeit der eigenen Zucht zu quantifizieren. In dem RZ€ wird der Mehrwert, den dieses Tier in seinem Leben haben wird, gegenüber der Durchschnittspopulation ausgedrückt. Der Praktiker bezeichnet die durch die Genomik entstandenen Gesundheitswerte als einen aktiven Tierwohlbeitrag. Ein Trugschluss sei es aber, dass sich die Zuchtarbeit zum "Ausbaden" von Managementfehlern eigne.
Dr. Jürgen Hartmann stellte in seinem Vortrag die Veränderungen in der Durchführung der Zuchtprogramme vor, die die Zucht in den letzten Jahrzehnten nachhaltig verändert haben. Er gab einen Zukunftsausblick auf die Herausforderungen, die sich sowohl für die Landwirte als auch für die Zuchtorganisationen ergeben.
Dr. Stefan Lütke Entrup stellte den Einsatz von biotechnologischen Verfahren und deren Auswirkungen auf die Pflanzenzucht dar.
Die Referenten gaben einen umfassenden Überblick über den Stand des Einsatzes von biotechnologischen Verfahren in der Tier- und Pflanzenzucht und deren Auswirkungen für Landwirte und Zuchtorganisationen. Die Teilnehmer der Tagung diskutierten mit den Referenten intensiv die Vorträge und besonders die Chancen und Potentiale, die sich bieten, wie Leo Siebers am Ende der Tagung konstatierte.