200 Millionen Euro sind ein erster Schritt
Dr. Jürgen Gaulke zur Biodiversität im Wald
Wälder sind vitale, stabile und artenreiche Lebensräume, die mit den sich dramatisch verändernden klimatischen Bedingungen in 50 und 100 Jahren zurechtkommen müssen, um weiter die unverzichtbaren Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion auf Dauer nachhaltig erbringen zu können. Über die Herausforderungen des Auf- und Umbaus zukunftsfähiger und klimaresilienter Wälder spricht Dr. Jürgen Gaulke, Pressesprecher der AGDW - Die Waldeigentümer im Interview für den DLG-Mitgliedernewsletter.
DLG: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat vor Kurzem das Konzept zur Honorierung der Ökosystemleistungen gebilligt. Reichen 200 Mio. € für den Umbau des Waldes aus?
Dr. Jürgen Gaulke: Nein, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Förderung ist für uns ein Meilenstein mit Blick auf die künftige Honorierung der positiven Effekte des Waldes für Klima und Artenvielfalt. Das Finanzvolumen bleibt allerdings deutlich hinter den Notwendigkeiten zurück. Das Thünen-Institut hat den Finanzbedarf für den Waldumbau auf bis zu 1,4 Mrd. Euro jährlich beziffert. Und das muss über die nächsten 30 Jahre finanziert werden. Die Förderung sollte ein Einstieg in eine langfristige Unterstützung des Waldumbaus sein.
Gibt es bei aller Freude über die Zuschüsse auch negative Seiten?
Gaulke: Die Förderung ist bisher bis 2026 befristet, wir Waldbesitzer müssen jedoch generationsübergreifend in langen Zyklen denken. Hier hoffen wir also auf eine Fortsetzung über 2026 hinaus. Allerdings mussten wir bereits für die erste Förderperiode eine Kröte schlucken: Uns wurde eine Stilllegung von 5 Prozent der Fläche auferlegt, die ab 100 Hektar Waldbesitz verpflichtend ist, darunter freiwillig. Diese Stilllegung reduziert die Klimaschutzleistung des Waldes und die Nutzung des nachwachsenden Rohstoffes Holz als Substitut klimaschädlicher Rohstoffe und Energieträger. Deutschland verzichtet hier auf eine wertvolle und klimaschonende Ressource.
Die Stilllegung wurde vermutlich auf Druck der Umweltverbände hineingeschrieben.
Gaulke: Das ist richtig. Durch die Stilllegung soll die Biodiversität im Wald gefördert werden. Doch wir haben in der Waldbrandsaison in diesem Sommer gesehen, dass trockenes Totholz im Wald eine große Gefahr darstellen kann. Und wissenschaftlich ist es höchst umstritten, ob eine Stilllegung wirklich zu mehr Biodiversität führt. Nach unserer Überzeugung ist eine fachgerechte und nachhaltige Waldbewirtschaftung der beste Garant für die Artenvielfalt.
Wie sieht es mit anderen Förderungen für den Wald aus?
Gaulke: Hier ist die Situation derzeit leider sehr kritisch. Es gibt die sogenannte GAK-Förderung, aus der auch Waldumbaumaßnahmen finanziert werden. Doch obwohl der Politik die kritische Lage des Waldes klar ist und die Bedeutung des Waldes in den Sonntagsreden immer wieder beschworen wird, soll die GAK-Förderung um mehr als ein Viertel zusammengestrichen werden. Das verstehen wir nicht. Den schönen Worten müssen auch entsprechende Taten folgen. Um wirklich verlässlich planen und systematisch den Baumbestand verjüngen zu können, brauchen wir ein langfristiges Förderprogramm.
Welche Baumarten sind besonders klimaresilient und eignen sich zur Neupflanzung?
Gaulke: Wir wissen noch gar nicht, wie sich das Klima in den nächsten 50 bis 100 Jahre entwickeln wird – und das ist der Zeitraum, in dem wir denken müssen. Daher müssen wir es einfach ausprobieren. In der Finanzwirtschaft heißt das Risikostreuung. Im Moment sind Baumarten aus Übersee wie die amerikanische Roteiche Favoriten. Doch auch einheimische Sorten wie Eiche können beispielsweise einen Kiefernbestand resilient verjüngen.
Wie hoch beziffern Sie den Schaden durch Waldbrände in Deutschland in diesem Jahr?
Gaulke: In diesem Jahr sind mehr als 4.500 Hektar allein bei Großbränden von über 30 Hektar verbrannt. Das war ein neuer trauriger Rekord. Der Schaden beläuft sich allein beim Holz auf 40 bis 50 Millionen Euro. Für den einzelnen Waldbesitzer ist das oft eine Katastrophe. Noch gravierender sind die gesamtgesellschaftlichen Schäden für Gesundheit, Umwelt und Klima sowie die Wirtschaft. Hier schätzen wir den Schaden auf mehr als 600 Millionen Euro.
Welche Vorkehrungen können Sie treffen, um diese schlimmen Brände künftig zu vermeiden?
Gaulke: Wir müssen den Wald in den nächsten Jahren klimaresilient umbauen, sonst werden wir ihn in 20 Jahren nicht mehr wiedererkennen. Der finanzielle Aufwand ist groß, insgesamt bis zu 43 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 30
Jahren hat das Thünen Institut geschätzt. Doch es lohnt sich: Der Wald ist nicht nur ein wunderbarer Ort der Erholung, er ist auch natürlicher Klimaschützer. Er ist ein verlässlicher CO2-Speicher, und jeder neue Baum trägt dazu bei, den Klimawandel ein wenig zu verlangsamen.
Das Interview führte Daphne Huber, agrarticker.de
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) gibt es seit über 70 Jahren. Gegründet wurde der Vorgänger des heutigen Dachverbandes im April 1948 in Stuttgart. Seitdem setzt sich der Verband für die Interessen der rund zwei Millionen privaten Waldeigentümer in Deutschland sowie des Körperschaftswaldes ein. Heute hat die AGDW - Die Waldeigentümer ihren Sitz in Berlin.