Phosphat ist ein knapper Rohstoff
Tabea Knickel zur Rückgewinnung von Phosphat
Phosphor ist als Düngemittel für die Landwirtschaft unverzichtbar. Zugleich ist es ein knapper Rohstoff, der nur aus wenigen Ländern bezogen werden kann. Mit der Rückgewinnung vor Ort soll nun in Deutschland die Versorgung sichergestellt und die Abhängigkeit von Importen verringert werden. Ferner sind die Phosphatvorkommen in der Welt endlich. 2017 ist eine Verordnung zur Klärschlammverwertung in Kraft getreten, die ab 2029 eine Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor (P) aus Klärschlamm einführt. Tabea Knickel, Geschäftsführerin der Deutschen Phosphor-Plattform DPP e.V., erläutert im Interview für den DLG-Mitglieder-Newsletter, was die Phosphorrückgewinnung für die Landwirtschaft bedeutet.
DLG: Wie groß schätzen Sie das Potenzial der Phosphatdünger-Gewinnung aus Klärschlamm?
Tabea Knickel: Wenn die gesamte Menge des in Deutschland anfallenden Klärschlamms aus der öffentlichen Abwasserbehandlung von 1,85 Millionen Tonnen Trockenmasse, rund 53.000 t P, für den Düngeeinsatz in der Landwirtschaft verwendet würde, dann könnte diese Menge 10 Prozent des gesamten P-Bedarfs decken. Im Schnitt der vergangenen drei Wirtschaftsjahre wurden in Deutschland 81.000 t P als mineralische Düngemittel abgesetzt. Diese 53.000 t P im Klärschlamm entsprechen 65 Prozent davon. Also kann diese Menge substituiert werden, wenn Phosphor nachhaltig aus kommunalem Klärschlamm gewonnen wird.
Gibt es noch andere Phosphatquellen außer Klärschlamm?
Der größte Anteil des Düngebedarfs wird über organische Dünger wie Wirtschaftsdünger, Gärreste, Komposte, tierische Nebenprodukte und Erntereste gedeckt. Der Anteil Phosphor an den Wirtschaftsdüngern beträgt 380.000 t. Beachtet man den vom wissenschaftlichen Beirat für Düngungsfragen aufgestellten jährlichen Düngebedarfswert von 533.000 t P, wäre theoretisch ein Bedarf von 153.000 t P durch Mineraldünger zu decken. Angesichts der hohen Preise wurden in Deutschland nur 81.000 t P gedüngt, das bedeutet, 72.000 t P wurden zu wenig gedüngt. Wenn wir so weitermachen, verarmen manche Böden an Phosphor. Es wird also auch zukünftig einen Bedarf an Mineraldüngern geben, zusätzlich zu den Rezyklaten.
So hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) gemeinsam mit der RWTH Aachen im ReFoPlan-Vorhaben extraWERT festgestellt, dass sich durch Phosphorrückgewinnung 41 bis 46 Prozent des Mineraldüngerabsatzes decken ließe. Das ist schon ein erheblicher Anteil.
Wann werden die mineralischen Phosphatquellen versiegt sein?
Das ist aktuell nicht seriös einzuschätzen. Die statische Reichweite der bekannten Vorkommen von abbauwürdigen weltweiten Phosphatreserven beträgt nach Daten des U.S. Geological Survey von 2018 259 Jahre . In Jahren mit hohen Rohstoffpreisen und knappen Rohstoffen wird viel exploriert und so manch neues Vorkommen entdeckt und als Lagerstätte neu umgesetzt. Herrscht ein Überangebot auf dem Markt, sinken die Preise wieder und es gibt kaum neue Explorationen. Deshalb scheint eine Vorhersage der statischen Reichweite eher spekulativ und für die allgemeine Diskussion wenig zielführend.
Einflussfaktoren dafür, wie lange Phosphatvorkommen ausreichen, sind das globale Bevölkerungswachstum und die Intensität der Pflanzenproduktion. Bei weiter reduzierten Grenzwerten für den zulässigen Gehalt an Cadmium und politischer Instabilität scheiden große Teile der theoretisch gegebenen Vorräte an Phosphor für die Nutzung aus. Lagerstätten von Phosphaterz sind auf wenige Regionen der Erde verteilt, wobei dort oft die Abbaubedingungen nicht überprüft werden können und es keine Umweltstandards gibt.
Was müssen Landwirte beim Einsatz von Phosphatdüngern aus Klärschlamm beachten?
Das kommt auf das Produkt an. Viele Phosphor-Rezyklat Hersteller werden nicht direkt einen fertigen Dünger herstellen, sondern einen universell einsetzbaren Rohstoff, der in die Düngeindustrie gehen wird. Dort wird es konfektioniert und granuliert/pelletiert. Das Endprodukt ist sowohl zur Verwendung als Einzeldünger wie auch als Mischdünger und Mehrnährstoffdünger möglich.
Wie bewähren sich die Dünger im Praxiseinsatz?
Das Fällungsprodukt Struvit wird seit Jahren in der Landwirtschaft eingesetzt und erzielt in Versuchen sehr gute Ergebnisse. Das Produkt von der Seraplant-Anlage P38 wurde seit Anfang des Jahres im Regelbetrieb in einer großtechnischen Anlage produziert und an einen Düngemittelhändler zur Schließung des Phosphor-Nährstoffkreislaufes verkauft. Alle anderen Dünger werden in Deutschland bislang nur in Pilot-/Technikums-Anlagen produziert und in Gefäßversuchen sowie zum Teil in Feldversuchen auf ihre Pflanzenverfügbarkeit getestet. Die verschiedenen Rezyklate zeigen ausreichende bis sehr gute Pflanzenverfügbarkeiten.
Müssen Landwirte mit höheren Preisen rechnen?
Nicht mit höheren Preisen als für konventionelle Düngemittel. Ich gehe davon aus, dass Rezyklate einen vergleichbaren Preis wie konventionelle Dünger haben müssen und werden, um in den Markt zu kommen. Landwirte werden für Rezyklate nicht mehr bezahlen als für konventionelle Düngemittel.
Hingegen bedarf der Bau und der Betrieb von Anlagen zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm, also die Produktion von Rezyklaten aus Abfällen, einer Reihe von Arbeitsschritten auch um Schadstoffe abzureichern, die erhebliche Kosten mit sich bringen. Kosten hierfür können auf die Abwassergebühren umgelegt werden, sodass die Bürger daran beteiligt werden. Damit die Rezyklat-Dünger mit den Preisen von konventionellen Düngern mithalten können, werden von den Abfallerzeugern Gebühren erhoben.
Diese Kosten sinken oder steigen in Abhängigkeit der Recyclingkosten, welche wiederum abhängig vom Marktpreis der Düngemittel sind. Einflussfaktoren hierauf sind unter anderem die Qualität, die Verfügbarkeit und die Abhängigkeiten vom Ausland. Je nach Verfahren fallen die Kosten natürlich unterschiedlich aus und sind noch nicht abschließend kalkulierbar. Wie aktuell am Markt sichtbar, gibt es enorme Volatilitäten für konventionelle Dünger, sodass das Pendel einer ökonomischen Vorteilhaftigkeit stärker ausschlägt, sich aber nicht über längere Zeiträume prognostizieren lässt.
Können die Anlagen sich bereits selbst finanzieren?
Der Bau vieler Pilotanlagen wurde über staatliche Förderprogramme kofinanziert. Der Bau von großtechnischen Anlagen sollte auch gefördert werden, um Anreize für den dringend notwendigen zeitnahen Bau von Anlagen zu schaffen, Erfahrungen mit neuen Technologien zu sammeln und schlussendlich die Phosphorrückgewinnung sicher bis 2029 gewährleisten zu können. Ich denke nicht, dass zu aktuellen Bau- und Betriebskosten und der derzeitigen Erlössituation für Klärschlamm ein wirtschaftlicher Betrieb einer Phosphorrückgewinnungs-Anlage ohne Fördermittel darstellbar ist.
Projektentwickler benötigen Zusagen für die zu verwertenden Klärschlämme und können nur mit einer angemessenen Auslastung die Anlagen wirtschaftlich betreiben.
Das Interview führte Daphne Huber,
agrarticker.de