"Der Umbau ist teuer und unsicher"
Gesa Langenberg zu Millionenbeträgen für eine artgerechte Tierhaltung
Die Schnitzel-Frage im Supermarkt: billig, bio oder besser gar nicht? – Unter diesem Motto drehte sich vor Kurzem in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ alles um die Produktion, den Einkauf und den Konsum von Schweinefleisch. Unter den Gästen war Schweinehalterin und Mitglied im Ausschuss Schwein der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Gesa Langenberg. Im Interview mit dem DLG-Mitgliedernewsletter erläutert sie ihren Standpunkt zum Umbau der Tierhaltung.
DLG-Mitgliedernewsletter: Frau Langenberg, Sie haben sich mit Ihrem souveränen Auftritt in der TV-Diskussionsrunde mit Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne), TV-Koch und Gastronom Ralf Zacherl, dem Bundestagsabgeordneten Albert Stegemann (CDU) und Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), klar für den Umbau der Tierhaltung ausgesprochen. Doch was stört Sie an den Plänen von Minister Özdemir?
Gesa Langenberg: Die Ideen zur Kennzeichnung und auch zur Förderung bei Stallbauten finde ich im Grunde richtig und wichtig. Sie sind nur leider nicht bis zum Ende gedacht. Eine Kennzeichnung der Haltungsform nur auf Schweinefrischfleischprodukten ist überhaupt nicht ausreichend. Zu viele Absatzkanäle wie der gesamte Außer-Haus-Verzehr sowie verarbeitete Produkte werden dabei außer Acht gelassen. Nur mit einer verbindlichen Kennzeichnung für alle Beteiligten der Wertschöpfungskette sind die nötige und erwünschte Orientierung und Transparenz für den Kunden zu gewährleisten.
DLG: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen auch mehr Geld für das Tierwohl-Schnitzel bezahlen?
Langenberg: Bereits heute zeigt die aktuelle Konsumzurückhaltung der Verbraucher beim Fleisch angesichts hoher Inflationsraten und damit einhergehender Teuerungen in nahezu allen Lebensbereichen das Problem deutlich: der Markt kann die Mehrkosten für den Umbau der Tierhaltung allein nicht abfangen. Stefan Genth bestätigte das veränderte Verbraucherverhalten. Die Verbraucher seien verunsichert und viele seien nicht in der Lage, mehr zu bezahlen. Zumal in puncto Qualität und Geschmack kaum ein Unterschied zwischen Haltungsstufe 2 und 4 zu erkennen sei, wie ein Blindtest von TV-Koch Ralf Zacherl ergab. So ist die Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach dem Tierwohlschnitzel und der Zahlungsbereitschaft dafür am Ende der ausschlaggebende Punkt. Ich bin jedoch davon überzeugt, wenn wir eine vernünftige Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für ALLE Fleischprodukte etabliert haben, wird sich auch zunehmend eine höhere Mehrzahlungsbereitschaft für Fleisch aus der Region und aus höheren Haltungsformen einstellen. Wie groß diese Klientel ist, kann ich nur sehr schwer schätzen. Aus der Eierkennzeichnung, die seit über 20 Jahren verbindlich für Schaleneier vorgeschrieben ist, lässt sich für Bio- und Freilandeier eine Klientel von etwa 35 Prozent der Konsumenten ableiten. Das ist eventuell in einigen Jahren mit vielen Anstrengungen auch im Schweinefleischbereich zu erzielen.
DLG: Sie haben einen Ihrer Schweineställe zu einem Tierwohlstall der Haltungsformstufe 4 umgebaut, welcher den Schweinen ein Leben mit Stroh und Zugang zu frischer Luft bietet und gleichzeitig dank einer Kot-Harn-Trennung sehr emissionsarm ist. Warum traut sich das nicht jeder Schweinehalter oder jede Schweinehalterin?
Langenberg: Vielen Schweinehaltern ist die Umstellung aufgrund rechtlicher und finanzieller Hürden nicht einfach so möglich. Ich suche nach einem Weg, wie ich in unseren Ställen eine artgerechte Tierhaltung umsetzen kann und gleichzeitig den Klimaschutz zunehmend berücksichtige. Das kostet Geld. Hier geht es schnell um Millionenbeträge. Wir wollen etwas verändern und wir wollen investieren, aber wir brauchen Planungssicherheit und vor allen Dingen auch eine Kennzeichnung dieser Produkte.
DLG: Noch vor dem Sommer soll im Bundestag das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz verabschiedet werden. Welche Änderungen halten Sie für unabdingbar?
Langenberg: Wir müssen darüber diskutieren, wie die Landwirte bei Stallumbauten unterstützt werden können. Diesen Appell richtete ich in der Sendung an Minister Özdemir. Seine Ansätze und Ideen sind zwar richtig, aber insbesondere konventionellen und selbst Betrieben, die auf Haltungsstufe 4 umbauen wollen, würden Steine in den Weg gelegt werden.
Die aktuellen Kriterien der geplanten Förderung für den Stallumbau sind so hoch und richten sich vor allem an ökologische Betriebe, dass die Mehrheit der Schweinehalter diese gar nicht in Anspruch nehmen kann.
DLG: Wie sieht Ihrer Ansicht nach die Schweinehaltung in Deutschland in fünf Jahren aus? Wird der Hauptanteil immer noch nach Haltungsstufe 1 und 2 produzieren?
Langenberg: Wie bereits erwähnt, haben Freiland- und Bioeier gemeinsam nach über 20 Jahren Haltungs- und Herkunftskennzeichnung einen Anteil von etwa 35 Prozent im Schaleneibereich erreicht. Daher gehe ich davon aus, dass auch beim Schweinefleisch die höheren Haltungsformen von Jahr zu Jahr zunehmen werden. In fünf Jahren werden voraussichtlich aber noch mehr als 50 Prozent der deutschen Schweine in den Haltungsformen 1 und 2 gehalten werden.
Interview: Daphne Huber, agrarticker.de, Redaktion DLG-Mitgliedernewsletter
Gesa Langenberg (34) ist Schweinehalterin in Bockstedt. Nach dem Abitur studierte sie Agrarwissenschaften in Göttingen und Valencia mit dem Abschluss Master of Sciene. Sie ist Mitglied im DLG-Ausschuss Schwein, Mitglied im Arbeitskreis der Jungen DLG und Mitglied im DLG-Gesamtausschuss.
Von 2013 bis 2017 arbeitete sie neben der Tätigkeit auf dem elterlichen Hof halbtags als politische Referentin bei der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) und ist auch heute noch ISN-Mitglied.
2017 übernahm sie den elterlichen Hof in Bockstedt. Die zweifache Mutter bewirtschaftet den Betrieb Lampe Agrar mit ihrem Mann zusammen nunmehr in der 14. Generation.