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Innovative Stallsysteme für Rinder und Schweine

Alternative tierwohlorientierte Ställe in den Niederlanden

Im Rahmen seiner 45. Sitzung unternahm der DLG-Ausschuss für Tiergerechtheit im Mai eine Exkursion in die Niederlande. Ziel waren innovative Stallsysteme der dort ansässigen Firma ID Agro mit Sitz in Lemelerveld. Bei der Entwicklung ihrer modernen Stallkonzepte „Serrestal®" und „The Roundhouse®“ setzt ID Agro auf Tierwohl, gleichzeitig auf finanziell und arbeitswirtschaftlich attraktive Systeme mit einem unauffälligen Erscheinungsbild in der Agrarlandschaft.

Mit dem Stall-Konzept „Serrestal“ erregte die Firma zu Beginn des Jahrtausends Aufsehen. Dank des vielen Tageslichts aufgrund des lichtdurchlässigen textilen Dachs in Tonnenform, einer hohe Lüftungskapazität und wegen der leichten modularen Bauweise gilt dieses Stallkonzept heute als Alternative zur traditionellen Bauweise, zumal es beliebig erweitert werden kann.

Lichter „Serrestal“ für Schweine

Der neu errichtete „Serrestal“ für 9.000 „Beter leven 1 ster-Mastschweine“ auf dem Varkenshoff von Herbert und Annemarie Noordman in Lemelerveld bot den Ausschussmitgliedern interessante Einblicke in dieses System. Als Doppel-Kammstall gestaltet, sind die auf zehn Tiere ausgelegten Buchten mit erhöhten Ebenen ausgestattet, die über eine relativ steile Rampe mit Querstegen zugänglich sind. Jeweils zwei Buchten können zu einer größeren Bucht verbunden werden, auch wenn dies derzeit nicht umgesetzt wird. Die bessere Erreichbarkeit einzelner Tiere und ruhigere Gruppen sind Gründe für die aktuelle Ausgestaltung.

Auf dem Betrieb werden seit knapp zehn Jahren ausschließlich Eber gemästet, sowohl im alten als auch im neuen „Serrestal“. Trotz der deutlich mehr als 10.000 Mastplätze verfügt der Betrieb nur über eine Fläche von 4 ha. Die anfallende Gülle wird in die viehärmeren Regionen im Norden der Niederlande verbracht.

„The Roundhouse“: Natürlich rund für Kühe

Die Exkursion führte weiter zu zwei „The Roundehouse"-Ställen für Kühe. Dieser ergänzt seit 2009 das Programm von ID Agro. Zunächst wurde er mit seiner charakteristischen runden Form, der ausgeklügelten natürlichen Belüftung und einem durchdachten Stallsystem für Mastrinder entwickelt. Im Zentrum des offenen, zeltartigen Gebäudes befindet sich – durch eine Stufe vom Tiefstreubereich abgesetzt – um eine zentrale Mittelsäule herum ein Korral mit einem Fang- und Behandlungsstand, der groß genug ist für die Anzahl der Tiere eines der tortenstückförmigen Abteile. Der Korral hat eine Verbindung nach außen und ist für Mensch und Tier leicht zugänglich, sodass die Tiere sicher zum Behandlungsstand oder zum Verladen geführt werden können.

Eigenes Fleisch auf der Speisekarte

Im „The Roundhouse“ von Erve Vechtdal in Ommen leben Mutterkühe der alten Landrasse „Brandrode Vechtdal“. Das Fleisch der Rinder wird im eigenen Restaurant für die Gäste zubereitet. Die Anlage wurde als Ausflugsziel auf die grüne Wiese gebaut und zieht an den Wochenenden tausende Ausflügler:innen an. Das Roundhouse dieses Betriebes verfügt über eine Besucherplattform, die oberhalb des Tierbereichs liegt und von oben Ein- und Ausblicke auf die Tiere und die Umgebung ermöglicht. Der Betrieb bietet den Besuchenden im Sommer die Möglichkeit einer „Koesafari“ an: In einem traktorgezogenen Planwagen geht es über die Kuhweiden zu den Vechtdaler Mutterkühen mit ihren Kälbern.

Freier Zugang zur Weide

Nach dem Mittagsimbiss mit Schinken-Sandwich vom Vechtdaler Rind stand als weiterer Betrieb die Stadsboerderij Heerlijkheid Linde in Schalkhaar auf dem Programm. Das dortige „The Roundhouse“ wird von 45 Kühen genutzt, außerdem gibt es dort einen Melkroboter. Gleichzeitig haben die Kühe freien Zugang zur Weide, aber – interessant sicherlich besonders in den Wintermonaten – auch zu einem fest eingezäunten, nicht überdachten Auslauf auf Sandboden, der sich direkt an das Roundhouse anschließt.

Die verzinkte „The Roundhouse“-Stahlkonstruktion ist auf einer zentralen Mittelsäule aufgebaut, an der kreisförmig acht Träger montiert sind. Überspannt ist die Konstruktion mit einer lichtdurchlässigen textilen Membran mit einem 10 m² großen Lüftungsloch in der Mitte. Der außenliegende Fressbereich wird vom Dachüberstand geschützt, wobei die Tiere innen auf einer breiten, erhöhten betonierten Festfläche stehen. Die Liegefläche im Inneren besteht aus Sand, der täglich mit dem auf der EuroTier 2022 prämierten Bedding Cleaner der Firma Hanskamp gereinigt wird.

Von der Funktionalität des Bedding Cleaners durften sich die Ausschussmitglieder bei einer praktischen Demonstration selbst überzeugen. Um die Mittelsäule herum befindet sich schließlich noch die große bodentiefe Tränke, die ein Trinken ähnlich dem aus einer natürlichen Quelle ermöglicht.

Überdachung auch für Melkkarusselle geeignet

Das Roundhouse kann außer für Milchvieh auch als Transit- oder Jungviehstall oder als Überdachung zum Beispiel eines Melkkarussells genutzt werden. Als weitere Bodenvarianten kommen neben Tiefstreu und Kompost auch Kunststoffböden infrage. Letztere finden sich insbesondere im Konzept des „Kuhgartens“ wieder, der ebenfalls auf einem Konzept von ID Agro beruht.

Der Ausschuss für Tiergerechtheit zeigte sich begeistert ob der innovativen Konzepte von ID Agro und Hanskamp, die intensiven Diskussionsstoff boten und sicher Eingang in die weitere konzeptionelle Arbeit des Ausschusses finden werden. Herzlicher Dank gebührt Marco Noordman von der Firma ID Agro, der den Ausschuss während der Exkursion engagiert und fachkundig begleitete, sowie Jochem Tolkamp von der Firma Hanskamp für die Beantwortung der zahlreichen Fragen zu Bedding cleaner und Kuhtoilette.


Susanne Gäckler,
DLG-Fachzentrum Landwirtschaft,
s.gaeckler@dlg.org
Fotos: DLG