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„Die Schweizer haben ein hohes Bewusstsein für Umweltschutz und Tierwohl“

Landwirt Stefan Wüthrich über Bio und Nachhaltigkeit in der Schweiz

Stefan Wüthrich ist DLG-Mitglied und bewirtschaftet mit seiner Familie einen biologischen Milchwirtschaftsbetrieb von 50 ha mit 70 Kühen in der Region Drei-Seen in der Schweiz. Hauptproduktionszweig ist die Milchwirtschaft für die Käseproduktion, zusätzlich hält er 4.000 Bio-Masthähnchen. Der Landwirt setzt auf Bio und Nachhaltigkeit, dafür werden die Schweizer mit Direktzahlungen entschädigt und seriös kontrolliert. Seine Milch wird „korrekt“ entlohnt, sodass er ein qualitativ hochwertiges Produkt herstellen kann.

DLG: Welche Wirtschaftszweige gibt es in Ihrem Betrieb?

Stefan Wüthrich: Unser Betrieb liegt in der Region Drei-Seen in der Schweiz auf 580 Meter ü. M. Der Betrieb wird in die Talzone eingestuft. Hauptproduktionszweig ist die Milchwirtschaft zur Produktion eines lokalen Käses. Dieser Halbhartkäse heißt „Mont Vully“ und wird von der Käserei im Dorf produziert.

Am international größten Käsewettbewerb in Wisconsin (USA) im März 2022 holte der „Mont Vully Bio“ in seiner Kategorie Silber - übrigens nicht die erste Auszeichnung für diesen Käse. Neu dazu kamen seit 2022 noch 4.000 Bio-Masthähnchen. Mit einem Partnerbetrieb haben wir eine ÖLN- und Fruchtfolge-Gemeinschaft.

Gemeinsam bewirtschaften wir 50 Hektar. Unser Teil von 35 Hektar besteht aus Kunst- und Naturwiesen. Der Partnerbetrieb betreibt mit den restlichen 15 Hektar Ackerbau im Austausch mit unseren Flächen. Mit diesen Fruchtfolgen haben wir auf unserem Biobetrieb stets fruchtbare Kunstwiesen und der Kollege profitiert vom Umbruch der Kunstwiesen für seinen ebenfalls biologisch bewirtschafteten Ackerbau. Ausgetauscht wird Mist und Jauche gegen Stroh.

Wie verläuft die Masthähnchenaufzucht?

Wüthrich: Die Masthähnchen werden die ersten 21 Tage im geheizten Aufzuchtstall gehalten. Danach kommen diese in Einheiten von 500 Stück in die mobilen Außenstallungen, welche nach jedem Umtrieb „umplatziert“ werden. Jedes Tier hat nach dem Umplatzieren der mobilen Ställe wieder zwei Quadratmeter neue Wiese zur Verfügung..

Diese extensiven Hähnchen werden mit rund 78 Tagen und 2,2 kg Lebendgewicht geschlachtet. Abnehmer ist ein Integrator in der Region, welcher die Planung und Vermarktung übernimmt. Mit dem Milchvieh sind wir momentan am Weiden auf Kurzrasen. Diese Kurzrasenweiden werden sechs bis acht Mal jährlich mit Jauche gedüngt. Während der Saison beträgt die tägliche Weidezeit 24 Stunden. Im Stall wird nur Dürrfutter zugefüttert. Gemolken wird mit einem automatisierten Melksystem. Die Aufzucht des Jungviehs ab vier Monaten wird extern vergeben. Unsere 70 Milchkühe der Rasse Schweizer Fleckvieh weisen eine Leistung von durchschnittlich 6.500 Kilogramm Milch und Laktation auf.

Unser Ziel ist es, aus dem Grundfutter Milch zu produzieren. Der Kraftfutteranteil ist bei unter 2 Prozent. Auch der Antibiotikaeinsatz wurde auf ein Minimum reduziert. Das heißt, dass kein Trockensteller benutzt wird, Mastitis-Behandlungen mit Antibiotika hatten wir nur eine in den letzten drei Jahren. Sonstige Antibiotika-Einsätze gibt es rund 5 bis 10 pro Jahr für die ganze Herde. Erreicht haben wir dies mit einer konsequenten Selektion.

Was ist das Erfolgsrezept Ihres Bio-Betriebes?

Wüthrich: Die oben erwähnte Käsespezialität mit Auszeichnungen erlaubt dem Käser, unsere Milch korrekt zu entlohnen, und es ist unsere Motivation, täglich ein qualitativ hochwertiges Produkt herzustellen. Die Bio-Masthähnchen sind ein hochwertiges Nischenprodukt, und da der Integrator deren Vermarktung übernimmt, bleibt unser Risiko klein - „ein Glücksfall für uns“.

Was genau übernimmt der Integrator?

Wüthrich: Der Großverteiler Migros arbeitet mit seinem Industrie-Betriebszweig Micarna SA mit den Landwirten und Handelspartnern zusammen. Bei der Geflügelmast ist die Zusammenarbeit mit dem Geflügelproduzenten noch enger und direkt organisiert. Das heißt, dass wir unter Vertrag mit der Micarna stehen und diese die Planung und Abrechnung übernimmt. Die Arbeit auf dem Betrieb bleibt jedoch beim Geflügelproduzenten und wird über den Lebendtierpreis abgegolten. In der Schweiz ist diese Zusammenarbeit beim Geflügel weit verbreitet. Sie erlaubt, bei einer Überproduktion oder einem Rücknahmepreisabfall rascher entgegenwirken zu können. In der Realität bleiben die Preise so sehr stabil.

Schweizer Landwirtschaftsbetriebe werden häufiger kontrolliert als im Ausland. Wie stehen Sie dazu?

Wüthrich: Für die Schweizer ist das Bewusstsein für den Umweltschutz und das Tierwohl hoch. Für die Bemühungen in diesen Bereichen werden wir Landwirte mit Direktzahlungen entschädigt. Dass wir für dieses Entgelt seriös kontrolliert werden, stört mich nicht. Die Herausforderung für die Schweizer Agrarpolitik liegt meines Erachtens darin, dass wir auch in eine nachhaltige Intensivierung und nicht «nur» in die Extensivierung steuern. Denn für den Selbstversorgungsgrad wäre es wichtig, die Produktion nicht zu vernachlässigen, was leider im Moment der Fall ist.

Welchen Vorteil sehen Sie in der DLG-Mitgliedschaft?

Wüthrich: Ich finde es sehr spannend mitzuverfolgen, was jenseits der Landesgrenzen in der Landwirtschaft passiert. Deshalb will ich nicht nur nationale landwirtschaftliche Medien konsumieren. Auf der Eurotier war ich schon sehr oft. Es ist eine tolle Ausstellung.

ÖLN-Gemeinschaften

Zur Erfüllung des ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) kann ein Betrieb mit einem oder mehreren anderen Betrieben vereinbaren, dass der gesamte ÖLN oder Teile davon gemeinsam erfüllt werden.

Die Anforderungen des ÖLN umfassen:

  • Haltung der Nutztiere nach Tierschutzgesetzgebung
  • Ausgeglichene Düngerbilanz
  • Angemessener Anteil an Biodiversitätsförderflächen
  • Vorschriftsgemäße Bewirtschaftung von Objekten in Inventaren von nationaler Bedeutung
  • Geregelte Fruchtfolge
  • Geeigneter Bodenschutz
  • Gezielte Auswahl und Anwendung der Pflanzenschutzmittel

Interview: Erminia Ciarleglio, DLG-Mitgliederservice