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"Gesundes Saatgut ist der Schlüssel für erfolgreichen Ackerbau"

Franz Beutl im DLG-Interview über Züchtungsfortschritt und Sortenschutz

Die Harmonisierung der EU-Saatgutgesetzgebung ist seit Jahren ein Dauerbrenner, der kontrovers diskutiert wird. Die Aufnahme von Kriterien zur Nachhaltigkeit von Saatgut wird im Grundsatz abgelehnt, da das Systems bereits nachhaltig ist, wie es der Ausschuss Pflanzenzüchtung in seinem aktuellen Positionspapier formuliert: „Unsere Verfahren zur Anerkennung und Zertifizierung von hochwertigem Qualitätssaatgut sind praktizierter Verbraucherschutz.“ In der Landwirtschaft ist eine Aufweichung des strengen deutschen Saatgutrechts nicht erwünscht.

Über die unterschiedlichen Ansätze zwischen den professionellen Nutzern von Saatgut sowie über den Einsatz moderner Züchtungstechnologien wie die  Genschere Crisp/Cas spricht Franz Beutl, Vorsitzender des DLG-Ausschusses Pflanzenzüchtung, im Interview mit dem DLG-Mitgliedernewsletter.

DLG-Mitglieder-Newsletter: Herr Beutl, die geplanten Änderungen des EU-Saatgutrechts sehen konkrete Kriterien zur Nachhaltigkeit von Saatgut vor. Welche Stellung bezieht hierzu der AS Pflanzenzüchtung?

Franz Beutl: Der landeskulturelle Wert, der in Deutschland Grundlage für eine Sortenzulassung ist, ist der ideale und bewährte objektive Maßstab für Nachhaltigkeit. Bei den wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturarten wie Getreide, Mais, Raps, Zuckerrüben, Leguminosen und Kartoffeln wird vom Bundessortenamt eine Sorte nur dann zugelassen, wenn sie im Pflanzenbau oder in der Verwertung eine deutliche Verbesserung gegenüber den bisher zugelassenen Sorten darstellt. Dazu prüft und bewertet das Bundessortenamt neben dem Ertrag Eigenschaften wie wirksame Resistenzen gegenüber Krankheiten oder tierischen Schädlingen, Toleranz gegenüber abiotischen Stressfaktoren wie Trockenheit, Frost oder Starkniederschlägen. Das Bundessortenamt ist jederzeit in der Lage, weitere wichtige Eigenschaften wie Stickstoffeffizienz darzustellen.

Mit den Ergebnissen des Bundessortenamtes sowie der Landessortenversuche wird eine Sortenwahl für einen reduzierten Einsatz von Chemie oder Dünger ermöglicht. Sie bieten ein hohes Maß an Ertragssicherheit, wodurch nachhaltig Ackerbau betrieben und Umweltressourcen geschont werden können. Es ist entgegen manch landläufiger Meinung wissenschaftlich eindeutig belegt, dass die neuen, ertragreicheren Sorten dank ihrer verbesserten Eigenschaften eine höhere Resilienz aufweisen und damit auch unter schwierigen Bedingungen bessere Leistungen erzielen als ältere, meist ertragsschwächere und in der Regel krankheitsanfälligere Sorten.

Höhere Erträge sind im Übrigen nachhaltig, soweit sie durch verbesserte Genetik erreicht werden, denn sie schützen die knappe Ressource Boden. Dies gilt für konventionelle und ökologische Landwirtschaft.

Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn versucht wird, alle Kulturarten und Klimaräume in einem System zu verankern?

Beutl: In Deutschland gibt es etwa 20 definierte Boden-Klima-Räume mit unterschiedlichsten Anforderungen an die Pflanzen. Jede Kulturart hat dabei ihre eigenen Bedürfnisse. Der Landwirt braucht für seinen Standort eine angemessene Auswahl an geeigneten und angepassten leistungsfähigen Sorten. Neben Boden und Klima kommen noch Faktoren wie Tageslänge oder Lichtintensität dazu. Darum zeigen Sorten in den Boden-Klima-Räumen Deutschlands zwischen Schleswig-Holstein und Bayern unterschiedliche Leistungen. Das gilt erst recht europaweit.

Ein Landwirt in Finnland braucht andere Kulturarten und Sorten als einer in Portugal. Daher ist eine nationale Sortenprüfung und -zulassung, die regionale und lokale Umweltbedingungen berücksichtigt, unabdingbar, wollen wir einen wettbewerbsfähigen und produktiven Pflanzenbau standortgerecht und nachhaltig sicherstellen.

Welche Kompromisslinien könnten Sie zwischen Amateuren und professionellen Saatgutverwendern bei den Kontrollen ziehen?

Beutl: Es wird immer wieder behauptet, dass der Austausch von Saatgut für Hobbygärtner nicht möglich ist. Das stimmt nicht. Warum sollten Hobbygärtner oder „Amateure“ nicht Saatgut von Blumen oder Gemüse über den Gartenzaun hinweg austauschen können? Klare gesetzliche Regeln dagegen gelten für gewerbliche Unternehmen und professionelle Nutzer, die mit der Verwendung von Saatgut geschützter, innovativer Sorten Wertschöpfung betreiben. Die sortenschutzrechtlichen Vorgaben sind für den professionellen oder gewerblichen Bereich unbedingt einzuhalten. Letztendlich geht es dabei auch um den Schutz der Produktion ausreichender und sicherer Lebensmittel in Deutschland und der EU. Kompromisslinien sind nicht erforderlich, die Abgrenzung zwischen Hobby und Gewerbe muss jedoch präzise und eindeutig definiert werden.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichthofes gelten Pflanzen, die mit der Genschere Crispr/Cas verändert wurden, als gentechnisch verändert und müssen gekennzeichnet werden. Hat damit die Züchtung von Sorten mit Toleranz gegenüber Trockenheit und Krankheiten überhaupt noch eine Chance?

Beutl: Allein mit neuen Züchtungsmethoden entstehen keine besseren Sorten. Sie sind eine sinnvolle Ergänzung zur Beschleunigung des Zuchtverfahrens. Über einen gezielten Einsatz dieser Methoden können definierte positive Eigenschaften wie Krankheitsresistenzen schneller und sicherer in Pflanzen integriert werden als über herkömmliche, klassische Methoden. In der Pflanze lässt sich dabei jedoch nicht unterscheiden, ob eine Resistenz durch eine natürliche oder durch eine mit Hilfe der Genschere Cripsr/Cas herbeigeführte Mutation entstanden ist. Warum sollten dann Pflanzen, die sich nicht von klassisch gezüchteten unterscheiden, als gentechnisch veränderte Organismen reguliert werden, wie es das derzeit geltende EU-Recht vorsieht? Im Sinne eines schnelleren und zielgerichteten züchterischen Fortschritts muss die Gesetzgebung angepasst und damit wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen werden.

Kommen wir zum Saatgutwechsel. Dieser liegt in Deutschland bei Getreide bei knapp 60 Prozent, bei Winterweizen bei rund 50 Prozent. Was unternimmt die Branche, um den Stellenwert von Z-Saatgut zu halten?

Beutl: Z-Saatgut transportiert den züchterischen Fortschritt in die landwirtschaftliche Praxis. Vor allem durch die Verwendung von Z-Saatgut werden die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten der Pflanzenzüchter refinanziert. Der Landwirt, der Z-Saatgut einsetzt, treibt so den Züchtungsfortschritt voran. Am Ende profitiert der Landwirt mit der Verwendung neuer besserer Sorten am meisten vom züchterischen Fortschritt. Ein weiterer, jedoch geringerer Teil der Kosten wird durch den Rückfluss von Nachbaugebühren gedeckt. Um die hohen Investitionskosten zu decken, muss der Sortenschutz weiter gestärkt werden. Schlupflöcher für „Trittbrettfahrer“, die Züchtungsfortschritt illegal kostenlos nutzen, müssen endlich konsequent geschlossen werden. Dazu brauchen wir einen Rechtsrahmen mit präzisen gesetzlichen Nachbaubestimmungen, die eine vollständige Bezahlung der Nachbaugebühren sicherstellen.

Die hohe Qualität des Z-Saatgutes wird durch die amtliche Anerkennung nach Untersuchungen der Feldbestände und des Ernteguts jeder einzelnen Partie vor der Aussaat bestätigt. Durch die geplante Veränderung des Saatgutrechts besteht die Gefahr, dass die Saatgutqualität künftig erst nach der Aussaat festgestellt wird. Das wollen wir auf keinen Fall. Eine Saatenanerkennung unter amtlicher Aufsicht ist praktizierter Verbraucherschutz für den Landwirt, sie ist gerade dann unverzichtbar, wenn die Produktionsbedingungen schwieriger werden. Gutes und gesundes Saatgut ist ein Schlüsselfaktor für erfolgreichen Ackerbau. In Deutschland leistet sich die Saatgutbranche darüber hinaus weitere verpflichtende Sicherungssysteme, um die hohe Qualität gewährleisten zu können.


Das Interview führte Daphne Huber, agrarticker.de