Was die Landwirte bewegt
Klima, Märkte, Politik – Auswirkungen auf Betriebs- und Investitionsentscheidungen
In den vergangenen Jahren hat die Anzahl extremer Wetterlagen in vielen Regionen der Erde zugenommen. Die Erde erlebt derzeit den heißesten Dreimonatszeitraum seit Beginn der Aufzeichnungen, mit beispiellosen Meeresoberflächentemperaturen und vielen extremen Wetterereignissen. Der August 2023 war rund 1,5 °C wärmer als der vorindustrielle Durchschnitt, die letzten neun Sommer waren die wärmsten seit der Aufzeichnung von Wetterdaten. Trotz der kühlen Regenphase im Juli bestätigt auch der Sommer 2023 leider den klimatischen Temperaturanstieg. Diese Situation führt in der landwirtschaftlichen Produktion zu immer höheren Unsicherheiten im Ertragsniveau und für die Qualitäten der landwirtschaftlichen Produkte. Und betriebliche Maßnahmen für die Anpassung an die Änderungen des Klimas, wie zum Beispiel Bewässerungsmaßnahmen, werden die Produktionskosten langfristig erhöhen.
Wetterextreme in Regen- und Trockengebieten
Auch europaweit betrachtet hat die Vorsommertrockenheit die Pflanzenproduktion vor riesige Herausforderungen gestellt. Mitte Juni 2023 wurde der westliche Mittelmeerraum von einer Dürre noch stärker getroffen als 2022. Der östliche Mittelmeerraum und Italien haben sich nach einem kritischen Vorfrühling recht gut erholt. Dennoch waren in Europa mit Ausnahme von Nordskandinavien die Dürrebedingungen in den Jahren 2023 und 2022 schlimmer als 2021.
Im August 2023 folgte nach einer vorsommerlichen Dürre ein schwerer Wetterwechsel und erschwerte die Ernteaktivitäten in Europa. Die unterschiedlichen Wetterextreme in Regen- und Trockengebieten führten zu sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf die Sommer- und Winterkulturen. Starke Regenfälle, Gewitter und Hagelstürme richteten in Norditalien, Slowenien und Kroatien erhebliche Schäden an.
Die Landwirtschaft muss sich zukünftig großen Herausforderungen stellen: Das Wassermanagement muss optimiert werden und darauf aufbauend müssen neue Strategien zur Bodenbearbeitung entwickelt werden. Die Pflanzenzüchtung wird den Fokus auf neue Anbau- und Züchtungsmethoden setzen müssen. Der Klimawandel erfordert Anpassungen der Fruchtfolgen und eine effizientere Nutzung der Betriebsmittel. Insgesamt wird ein wachsender Bedarf an Investitionen zur Anpassung an das Klima entstehen.
Wie sieht es auf den Agrarmärkten aus?
Die Situation auf den globalen Agrarmärkten für Weizen ist gekennzeichnet durch ein weltweit knappes Angebot, eine geringere Handelstätigkeit und geringere Lagerbestände als üblich. Es wird mehr verbraucht als produziert. Die Produktionsrückgänge in der EU, China und Kanada werden nur teilweise durch Steigerungen in der Ukraine und Kasachstan ausgeglichen. Das bedeutet, dass die Lagerbestände wichtiger Exporteure zurückgehen. Mit dem Auslaufen der Schwarzmeer-Getreideinitiative verbleiben die Exporte der Ukraine unverändert bei nur 10,5 Millionen Tonnen.
Die globale Handelsbilanz für Getreide ist nahezu ausgeglichen, wenngleich die Bestände im Vergleich zu den Vorjahren immer noch eher niedrig sind. Die Salden ohne China zeigen eine leichte Entspannung, die Lagerbestände bleiben jedoch auf niedrigem Niveau. Derzeit sind kaum Signale für eine Preissenkung zu erkennen.
Der Weizenpreis an der Matif ging erneut zurück, nachdem die Preise aufgrund von Spekulationen und Unsicherheit zu Beginn der Invasion Russlands in die Ukraine sehr hoch waren. Für die weitere Preisentwicklung besteht eine große Unsicherheit – die Vermarktung ist für die Erzeuger daher ein schwer zu kalkulierendes Geschäft.
Die Milchpreise gingen 2023 ausgehend von einem sehr hohen Niveau zurück, der GDT-Milchpreisindex im August ist auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren. Die Erzeugerpreise werden dieser Entwicklung folgen, was zuletzt auch einen Einfluss auf den Markt für Grünfuttertechnik haben wird.
Aktuelle Investitionsabsichten der Betriebe in Europa
Im August 2023 hat die DLG über 2.300 europäische Landwirtinnen und Landwirte im Rahmen einer „Short Study Agrifuture Insights“ zum Geschäftsklima und ihren Investitionsabsichten befragt. Die Ackerbaubetriebe haben ihre betriebliche Situation zumeist als wirtschaftlich gut eingeschätzt, das zukünftige Geschäftsumfeld jedoch eher durchschnittlich. In der Schweinehaltung wird die aktuelle Geschäftslage zwar aufgrund hoher Preise positiv betrachtet, für die betriebliche Weiterentwicklung fehlen jedoch stabile Rahmenbedingungen. Insgesamt fehlen damit positive Impulse für ein wirklich gutes Geschäftsklima.
In der Milchviehhaltung sind viele Betriebe nach einer Erweiterungsinvestition mit einem hohen Schuldendienst und höheren Zinsen belastet. Dies führte 2023 bei niedrigeren Erzeugerpreisen zu weniger Liquidität im Vergleich zum Vorjahr.
Insbesondere Ackerbauern und Schweinehalter sehen die größte Herausforderungen für ihr Geschäftsfeld in der zunehmenden Regulierung und der Agrarpolitik. Für Ackerbauern wird der Klimawandel als ähnlich große Herausforderung gesehen, auch sind die Kostensteigerungen für Betriebsmittel und Ackerflächen für sie eine Herausforderung. In der Tierhaltung zeigt sich, dass die zukünftige Zinsentwicklung Auswirkungen auf die Anschlussfinanzierungen und auf kurzfristige Finanzierungslinien hat.
Wo stehen Investitionen an?
Fast jeder zweite Befragte gab an, in den kommenden zwei Jahren in einen neuen Traktor investieren zu wollen. In der „angehängten“ Landtechnik liegt das Interesse der Befragten insbesondere an Technologien wie Precision Farming, Automatisierung etc.
Welche Innovationen sind im Ackerbau gefragt?
Das Thema Energieeffizienz steht im Fokus aller befragten Gruppen, da die Energiekosten für alle Kalkulationen einen enormen Einfluss haben. Das überdurchschnittliche Interesse für Innovationen im Bereich Gülleausbringungstechnik zeigt, dass auch das Thema Umweltschutz mehr technologische Innovationen erfordert. Smart und Precision Farming-Technologien erhalten aufgrund steigender Kosten für Betriebsmittel eine große Beachtung. Hier sind Innovationen gefragt, die den Betriebsmittelverbrauch optimieren. Auch aufgrund der zunehmenden Regulierung wollen die Befragten immer mehr den Fokus auf einen effizienten und zielgerichteten Einsatz von Inputs und Ressourcen legen. Der mechanische Pflanzenschutz wird zunehmend Teil der landwirtschaftlichen Anbaustrategien und ersetzt oder ergänzt den chemischen Pflanzenschutz.
Das Dauerthema Interoperabilität und Kompatibilität zwischen vernetzten Landmaschinen wird von den Befragten aus Beratung, Forschung und Industrie weit wichtiger eingeschätzt als von praktischen Ackerbauern. Diese scheinen nach den Rückmeldungen in der Befragung an dem Thema langsam zu ermüden, da es sehr lange dauert, bis die Erkenntnisse der Forschung in der Praxis zufriedenstellend umgesetzt werden. Auch heute funktionieren viele Lösungen nur teilweise, es gibt immer noch Probleme bei der Datenzusammenführung und ‑verarbeitung. Dennoch werden „Big Data“ und Künstliche Intelligenz als zukünftige Innovationen auch für die Landwirtschaft gesehen.
Generell erhoffen sich die Befragten mehr innovative technische Lösungen in Bereichen, die mehr und mehr reguliert werden, insbesondere im Pflanzenschutz. Aber auch von der Pflanzenzüchtung erwarten die Befragten mehr innovative Lösungen für die Anpassung an das Klima und an Pflanzenkrankheiten (Resistenzen). Die Entwicklung neuer Technologien im Bereich Düngung wird im Vergleich zu diesen Themen von den Befragten etwas weniger priorisiert.
Der Bedarf an Innovationen im Bereich sensorbasierter Systeme und Verbesserung des Datenmanagements wird von Landwirten weniger wichtig eingeschätzt als von Befragten aus Beratung, Wissenschaft oder Industrie. Laut Rückläufen wäre hier mehr Schulung der Anwender notwendig und die Funktionalität sei oft noch verbesserungswürdig. Das Interesse an neuen Lösungen für mechanischen Pflanzenschutz wird derzeit vorrangig von der Politik forciert, die Praxis sieht daher auch einen Bedarf an mehr Entwicklungen in diesem Bereich.
Bewertung grüner Maßnahmen im Ackerbau
Im Ackerbau werden viele „grüne Maßnahmen“ heute schon umgesetzt, um Ressourcen effizient zu nutzen und um sich an den Klimawandel anzupassen. Über zwei Drittel der Befragten haben ihre Fruchtfolge erweitert, fast 20 Prozent planen es. Mehr als die Hälfte setzen heute schon Maßnahmen zum Dieselsparen ein, weitere 40 Prozent planen dies. Eine teilflächenspezifische Ausbringung von Betriebsmitteln ist bei 38 Prozent der befragten Betriebe heute schon Praxis, weitere 40 Prozent planen es. Und bei einem Drittel ist das Thema Wassermanagement heute schon im Alltag ein wichtiges Thema, für 40 Prozent ein zukünftiges.
Effizienter Betriebsmitteleinsatz
Landwirtschaftliche Betriebe in Europa stellen sich heute schon den Auswirkungen des Klimawandels oder bereiten sich darauf vor. Über 90 Prozent planen, in den kommenden zwei Jahren in neue Technik zu investieren. Ebenso versuchen sie, ihre Strategien zur Bewirtschaftung an die steigenden Kosten für die Betriebsmittel anzupassen, diese effizient einzusetzen und weiterhin eine produktive Landwirtschaft zu ermöglichen.
Die Agritechnica 2023 wird mit ihrem Leitthema „Green Productivity“ diesen Themenkreis in ihrem Fachprogramm umfassend aufnehmen und mit vielen Diskussionsveranstaltungen, Spotlights, Expert Stages und vielem anderem mehr Know-how für die Praxis in die Praxis vermitteln und damit passgenaue Entscheidungen für zukunftsfähige Investitionen ermöglichen.
Wir freuen uns, wenn Sie mit dabei sind!
Dr. Lothar Hövelmann,
DLG-Hauptgeschäftsführer, Frankfurt am Main