Prämienverzicht bleibt einzelbetriebliche Abwägung
Fachrechtliche Vorschriften gelten weiterhin – Für und wider den Agrarantrag
Eine überbordende Bürokratie und vergleichsweise geringe Prämien für einen hohen Aufwand an Umweltleistungen lassen Landwirte mitunter darüber nachdenken, keinen Agrarantrag mehr bei der EU-Kommission in Brüssel zu stellen. Ferner hat sich das Marktgefüge für die Landwirtschaft seit Kriegsbeginn in der Ukraine vor eineinhalb Jahren deutlich verändert. Die Kosten für Düngemittel und andere Betriebsmittel sowie Energie sind enorm gestiegen. Deshalb ist eine betriebswirtschaftliche Abwägung, ob sich der Aufwand noch lohnt, einen Agrarantrag zu stellen, nicht weiter verwunderlich. Dazu hat Hans-Georg Paulus, Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes (HBV), einen Vortrag beim Frankfurter Landwirtschaftlichen Verein gehalten. Einfache und pauschale Grundsätze, die Betriebe dazu bewegen, auf das Stellen eines Agrarantrags zu verzichten, gibt es nicht, machte Paulus deutlich. Betriebsleiter, die darüber nachdenken, Zahlungen aus Brüssel nicht mehr zu beantragen, sollten vorher immer betriebsindividuelle betriebswirtschaftliche Überlegungen anstellen. So behalten das Fachrecht und die damit verbundenen Regeln für die landwirtschaftliche Praxis auch ohne Agrarantrag ihre Gültigkeit.
Grüne Architektur
Nach Cross Compliance samt Greening in der vergangenen Förderperiode müssen sich die Landwirte ab 2023 nicht nur begrifflich umorientieren. Mit der neuen Grünen Architektur aus Konditionalität und Eco-Schemes sind künftig noch mehr konkrete Verpflichtungen mit dem Erhalt von Direktzahlungen - die Konditionalitätsauflagen (GLÖZ) - verknüpft. Neu sind die bundesweit einheitlich angebotenen, freiwillig umzusetzenden Eco-Schemes, die allerdings etwa ein Viertel der Direktzahlungsmittel binden. Nach wie vor angeboten werden Agrarumweltmaßnahmen der Länder, die im Zuge der neuen Modalitäten der 1. Säule der GAP weitreichende Änderungen erfahren mussten, erläuterte Paulus (siehe Übersicht 1).
Der Eco-Schemes-Katalog besteht aus zehn Einzelmaßnahmen mit Angebotsdefizit für Futterbaubetriebe. „Gerade diese Produktionsrichtung wird sich auf geringere Prämien aus Brüssel gefasst machen müssen. Da geht viel Geld verloren“, sagte Paulus. Gewinner seien Schafhalter im Vogelsberg. Intensive Nutztierhalter mit viel gebundenem Kapital seien auf der Verliererseite anzutreffen.
Die Basisprämie sinkt von bisher 168 €/ ha auf rund 150 €/ha in der neuen Förderperiode bis 2027. Verschärfte Konditionalitätsauflagen „entwerten“ die Direktzahlungen zusätzlich. Hier rechnet Paulus mit einer Lücke von mehr als 100 €/ha für Betriebe, die keine Eco-Schemes umsetzen wollen oder können. Die durchschnittliche Basis- und Umverteilungsprämie dürfte nach den hessischen Buchführungsergebnissen 2023 auf 22.500 € sinken gegenüber 32.500 € im Vorjahr (siehe Übersicht 2). Betriebe mit Nachfolger können die Junglandwirteprämie für maximal fünf Jahre beantragen.
Zur Person
Hans-Georg Paulus (60) ist in Hohenahr-Altenkirchen im Lahn-Dill-Kreis aufgewachsen, wo seine Eltern eine kleine Landwirtschaft und ein Baugeschäft betrieben. Nach seiner Ausbildung zum Gärtner studierte er Gartenbau an der Fachhochschule in Geisenheim. Paulus war lange Jahre Geschäftsführer des Hessischen Gartenbauverbandes, nach der Fusion dann Hauptgeschäftsführer des Gartenbauverbandes Baden-Württemberg-Hessen. Seit April 2021 ist er Generalsekretär des Hessischen Bauernverbandes. Daphne Huber, Foto: HBV
Prämien sinken
Finanzielle Ausfälle gegenüber der alten Förderperiode lassen sich – geben es Produktionsrichtung und Betriebsform her – mit Agrarumweltleistungen aus der 1. und 2. Säule weitestgehend ausgleichen, im glücklichsten Fall gar übertreffen. Das Gros der hessischen Betriebe wird jedoch künftig mit deutlich geringeren Prämien kalkulieren müssen. Fällt der Antrag gänzlich weg, erhalten Landwirte keine Direktzahlungen aus der 1. Säule und auch keine Gelder der 2. Säule der GAP. Einen pauschalen Rat, den Antrag nicht mehr zu stellen, kann und will Paulus nicht geben. Dies sei eine betriebsindividuelle Entscheidung. Ferner arbeite der Bauernverband intensiv daran, dass die GAP samt der Eco-Schemes ein Erfolg werde. Im weiteren Zusammenhang machte er auf die Verteilung des Anspruchs auf Direktzahlungen je nach Inanspruchnahme aufmerksam: „Nicht beantragte Fördermittel kommen anderen Landwirten zugute, die weiter einen Antrag stellen.“ Am Ende führe dies zu einer erhöhten Basisprämie für die Berufskollegen, sollte eine größere Anzahl aus dem Antragssystem ausscheiden
Keine Entlastung im Fachrecht
Auf keinen Fall dürften sich ausstiegswillige Landwirte dem Glauben hingeben, ein Verzicht auf einen Agrarantrag befreie auch von jeglichen Auflagen. Dem ist mitnichten so. Die Vogelschutzrichtlinie, die Regeln zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in FFH-Gebieten, die Dünge- und Nutztierhaltungsverordnung, Futterhygiene, Wasserrecht, Naturschutzrecht, Baurecht und vieles andere mehr seien in Deutschland weiterhin zu beachten. „Im Fachrecht gibt es keine Entlastungen“, warnte der HBV-Generalsekretär. Im Gegenteil: Fachrechtliche Verschärfungen sind zunehmend zu beobachten.
Eine Nachhaltigkeitszertifizierung sei auch ohne Bezug zum GAP-Antrag möglich. Bei der Qualitätssicherung für Obst und Gemüse und dem QS-Zertifizierungs- und Prüfsystem orientiert man sich zwar an den GAP-Auflagen, geht aber in den Qualitätskriterien über die mit der GAP-Förderung verbundenen Vorgaben hinaus.
Bei Zertifizierungssystemen wie REDcert oder SURE für nachhaltige Biomasse, Biokraftstoffe und nachhaltige Agrarrohstoffe für die Lebens- und Futtermittelwirtschaft wird jedoch teilweise unmittelbar Bezug auf Anforderungen genommen, die im Zuge der GAP-Direktzahlungen einzuhalten sind. Folglich wäre die Zertifizierungsgrundlage über die bekannte Selbsterklärung nicht mehr gegeben, wenn diese nicht wie bisher über die GAP-Förderung abgedeckt werden kann. Hier droht für Betriebe, die aus der GAP-Förderung aussteigen, ein zusätzlicher Dokumentationsaufwand für die Biomassezertifizierung, warnte Paulus.
Höhere Kreditkosten
Knifflig ist es mit der Grünen Taxonomie zur Nachhaltigkeit. Künftig müssen Banken etwa Kredite anhand bestimmter Nachhaltigkeitskriterien vergeben. Ein entsprechender Fokus wird folglich unweigerlich auch darauf liegen, dass Kunden per Definition nachhaltig wirtschaften. Verzahnungen mit dem GAP-Antragssystem sind hier denkbar. Generell bleibt hier die politische Diskussion abzuwarten.
Ein Ausstieg aus dem Agrarantrag habe auch Konsequenzen für Vertragspartner wie Berufsgenosssenschaften, Krankenkassen, berufsständige Vertretungen und die aufnehmende Hand, die ihre Daten aus dem Antrag generieren. So gilt bei einigen Erzeugerorganisationen auch schon die Einhaltung der Konditionalität als „Nachhaltigkeitsindikator“. Durch die Einhaltung der Konditionalität (bisher Cross-Compliance) gelten die Anforderungen zu Düngung, Pflanzenschutz und Umweltauswirkungen als eingehalten.
Bei Nichtantragstellung ab 2023 werde die Ware, in diesem Beispiel Raps, als nicht nachhaltig vermarktet und es droht möglicherweise ein Preisabschlag, führte Paulus aus.
Auf bestehende Landpachtverträge hat der einzelbetriebliche Verzicht auf GAP-Förderung in der Regel keine unmittelbaren Auswirkungen. Sofern Pachtgegenstand bei laufenden Verträgen auch GAP-Zahlungsansprüche sind, entfallen diese im Zuge der nationalen Umsetzung der GAP.
Anders sieht es bei den InVeKoS-Daten für die Agrarstatistik aus. Hier könnte es bei einem Ausstieg aus dem Agrarantrag zu einem größeren Aufwand kommen, um die Daten in die Erhebungsbögen einzutragen. Auch Krisenhilfen, die vom Staat gezahlt werden könnten, seien ohne Agrarantrag womöglich schwieriger zu beantragen (siehe Übersicht 3).
Höhere Anforderungen
Insgesamt nehme die Wirtschaftlichkeit mit der neuen GAP 2023 ab. Gleichzeitig steigen die Anforderungen. So leitet Paulus zur Diskussion seines Vortrages über: Die Basisprämie sinke in Wahrheit von 255 auf 150 €/ha, da das Greening bisher nahezu ohne Kosten erreichbar war und Öko-Regelungen das keinesfalls kompensieren.
Statt eines voreiligen Ausstiegs schlägt Paulus folgende einzelbetriebliche Alternativen vor:
- Liquiditätspläne
- Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Programmoptimierung
- Pachtkalkulationen und Abwägung alternativer Landnutzungsoptionen
- Zukunftsthema Nachhaltigkeitszertifizierung
Ende des Jahres kommen die Eco-Schemes in der ersten GAP-Evaluierung auf den Prüfstand. Höhere Prämien sind in Aussicht. Parallel dazu laufen die Verhandlungen zur GAP-Förderperiode ab 2027. Dann könnte es zu einem deutlich überarbeiteten Ansatz bei der Flächenprämie oder gar zu deren Wegfall kommen und Umweltleistungen treten dabei noch weiter in den Vordergrund. Einige der Anwesenden im Publikum äußerten ihren Unmut über die Agrarförderung: „Wir haben uns verkauft und wollen das System nicht mehr unterstützen“, sagte ein Landwirt. „Wenn der Prüfer kommt, müssen wir die Tore aufmachen.“ Lieber wolle er auf 15.000 € verzichten und das Fachrecht einhalten. „Wir müssen mit weniger Geld auskommen und bekommen künftig die Honorierung bezahlt“, gab ein anderer Landwirt zu bedenken. „Suchen Sie sich Verbündete“, rief er in den Saal. Er riet zu einer offensiven Kommunikation, für welche Leistungen Landwirte Direktzahlungen erhalten. Aufklärung ist wichtig. „Nehmt doch die Veganer mit und erklärt ihnen, dass die Produkte aus der Landwirtschaft kommen und auch der Dünger von den Tieren ist.“
Eine positive Darstellung der Landwirtschaft sei angesagt. Ein Teilnehmer konnte gewisse Lockerungen feststellen. Nachdem die mulchende Bodenbearbeitung als Bodenbedeckung anerkannt werde, habe er seine Entscheidung, keinen Agrarantrag mehr zu stellen, wieder rückgängig gemacht. Bei Verstoß droht Abzug der Prämie. Diskussionen gab es auch über die GLÖZ 7 (Fruchtwechsel) und GLÖZ 8 (Brache), die ab 2024 wieder gelten. „Wer in einem Jahr aussteige, müsse bereits im selben Jahr wieder für das kommende Jahr einsteigen, da die GLÖZ für mehrere Jahre angelegt seien“, so ein Teilnehmer.
Entscheidend seien die Kürzungen und Sanktionen, wusste ein Landwirt. Paulus berichtete über die Folgen von Dokumentationsverstößen zum Dünge- und Pflanzenschutzrecht. Wer die Vorschriften nicht einhalte, dem drohe ein Abzug von bis zu 10 Prozent der Prämie.
Text: Daphne Huber
Unattraktive Förderhöhen
Im Zuge der geplanten Änderungen des deutschen GAP-Strategieplans 2023-2027 weist der Bauernverband darauf hin, dass die bislang vorgesehenen Änderungen nicht ausreichen werden, um dessen Ziele zu erreichen und Akzeptanz bei den Landwirten zu schaffen. Das betrifft vor allem die Ökoregelungen und die Konditionalität. Vor allem die Ökoregelungen bleiben dieses Jahr in deutlichem Umfang ungenutzt, und zwar um geschätzt ca. 400 Mio. Euro. Hauptgrund sind die unattraktiven Förderhöhen. Die vorgesehenen Maßnahmenanpassungen und Prämienerhöhungen sind jedoch insgesamt viel zu zaghaft, um in 2024 eine deutlich verbesserte Teilnahme der Landwirte und damit eine volle Ausschöpfung des Budgets für die Ökoregelungen zu erreichen. Auch das für 2024 anvisierte Förderangebot ist aus Sicht des DBV vor allem für Betriebe mit Dauergrünland einschließlich Tierhaltung und für Gemüse-, Obst- und Weinbau unzureichend. Bei der von der Bundesregierung geplanten Überprüfung der GAP-Förderung für 2025ff. sollte die gesamte Konzeption der Ökoregelungen kritisch geprüft und hinreichend korrigiert werden.