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Trends in der Pflanzenschutztechnik im Ackerbau

Pflanzenschutz noch exakter gestalten

Fast kein anderes Gebiet in der Landwirtschaft wird so emotional diskutiert wie der chemische Pflanzenschutz. Dabei stellt sich für viele Praktiker aktuell die Frage, ob sich der finanzielle Aufwand für eine neue Spritze überhaupt noch lohnt. Doch man wird sehr schnell feststellen, dass bei steigender Weltbevölkerung und permanentem Schwund an landwirtschaftlicher Nutzfläche eigentlich die einzige logische Schlussfolgerung sein muss, noch intensiver die verbleibende Fläche zu bewirtschaften, um die Ernährung sicherzustellen. Doch wo befinden sich die Hauptstellschrauben in den Anbausystemen, um die Erträge zu sichern, ohne dabei Aspekte wie Umwelt, Nachhaltigkeit außen vorzulassen?

Die Politik gibt hier große Herausforderungen, wie den europäischen Green Deal mit der Farm-to-Fork-Strategie der Praxis vor. Es müssen Einsparungen bei den Pflanzenschutzmitteln erzielt werden, bei gleichbleibender biologischer Wirkung und guten Erträgen. Denn bei aller Einsparphilosophie müssen die Kulturpflanzen gesund erhalten werden, um Erträge zu liefern. Vor diesem Hintergrund gewinnen Hacktechnik, Bandspritzung und künstliche Intelligenz enorm an Bedeutung, um diesen Zielen gerecht zu werden. Aktuell steht die Praxis an der Schwelle, den ohnehin schon sehr exakten Pflanzenschutz noch exakter zu gestalten.

Hohe Genauigkeit in der Ausbringung

Gerade hier bietet die Landtechnikbranche viele neue verbesserte Ideen, um den ohnehin schon hohen Standard in der Ausbringgenauigkeit noch höher zu setzen. Die Kombination von mechanischer Unkrautbekämpfung und Bandspritztechnik in Reihenkulturen bietet ein immenses Potenzial an Einsparung von Pflanzenschutzmitteln sowie neue Chancen im Resistenzmanagement. Auch verbesserte Prognosemodelle, eng gekoppelt an die Ausbringtechnik mit verbesserten Sensoren, Applikationskarten, künstlicher Intelligenz, Programmen und Düsentechniken, können die Landwirtschaft noch besser und nachhaltiger für die Zukunft aufstellen. Des Weiteren bietet die bessere oder erweiterte Auslastung der Feldspritze über Elektronik und Flüssigdüngerausbringung dem Praktiker viele neue Möglichkeiten, die es beim Neukauf zu bedenken gilt.

Auf der Agritechnica 2023 in Hannover konnte der Landwirt sich einen Überblick über die Technik verschaffen, Maschinen sehen und anfassen, um sich der Problematik betriebsoptimiert stellen zu können.

Optimierung der Schlagkraft

Viele Gerätehersteller erweitern ihr Portfolio mit Fronttanksystemen, Fassvolumina und Selbstfahrern. Hier bleiben eigentlich keine Wünsche offen. Doch neben der eigentlichen Größe der Spritze kommt auch der Befülllogistik der Spritze eine große Bedeutung zu. Dies fängt beim digitalen Label der Pflanzenschutzmittel an, geht über geschlossene Befüllsysteme (CTS) weiter und endet schnell bei der optimalen Düsentechnik. Alle Bereiche haben hier eines gemeinsam: eine optimale Ausstattung für die jeweilige Betriebsstruktur. Denn einfach nur schneller fahren, funktioniert in den meisten Fällen nicht. Die Faktoren für einen erfolgreichen Pflanzenschutz sind sehr vielschichtig und schon kleine Änderungen haben eine große Auswirkung. Ein Beispiel ist hier die Kenntnis über die Wetterbedingungen während der Ausbringung der Mittel. So ist die Praxis froh über Traktorkabinen mit Klimaanlage bis hin zum maximalen Schutz durch eine Kat.-4-Kabine.

Doch gerade hier bekommt man von den Bedingungen, wie auffrischendem Wind, als Spritzenfahrer nichts mehr mit. Die Industrie stellt dafür seit geraumer Zeit Lösungen bereit, die einem das Spritzwetter in der Kabine anzeigen und gegebenenfalls dieses auch dokumentieren. Denn zu starker Wind sorgt für eine erhöhte Abdrift und dadurch zu einer schlechteren Wirkung, da man nicht weiß, wo das Pflanzenschutzmittel hingelangt, während gleichzeitig die Umwelt belastet wird. Daher helfen diese Systeme auch nachzuhalten, dass man alle Auflagen eingehalten hat und keine Schäden am Naturhaushalt verursacht wurden.

Einsparung von Pflanzenschutzmitteln

Gerade die politischen Forderungen nach der Einsparung von Pflanzenschutzmitteln hat sehr viel Bewegung in die Forschungsschwerpunkte der Branche gebracht. Denn ohne diese Thematik würden sich sicherlich nicht so viele Leute mit der Bandapplikation in Kombination mit unterschiedlichen Hacksystemen beschäftigen. Gerade bei der Hacke wurde hier ein altbewährtes System durch neue Technik auf ein höheres Niveau gehoben. Neben den unterschiedlichen Hackaggregaten werden durch Kamerasteuerung und Verschieberahmen viele Hacken in die Lage versetzt, noch exakter zu arbeiten. Solche Systeme können in den klassischen Hackfrüchten wie Zuckerrüben, Mais und Kartoffeln für ein beachtliches Einsparpotenzial an Pflanzenschutzmitteln sorgen.

Auch die Bandapplikation ist durch neue Düsen und Feldspritzensysteme für den Anwender bedienerfreundlicher geworden. Hierbei kann der Praktiker von der Kabine aus wählen, ob er eine Flächenbehandlung oder eine Bandspritzung fahren möchte. Allerdings muss die Euphorie ein wenig gebremst werden. Neben der Problematik, dass es die Hacke gern staubig-trocken mag und die Spritze es lieber feucht hat, ist auch die Heterogenität im Feld manchmal ein Problem. Denn auch die Sätechnik muss in solch ein System integriert werden. Dass dabei natürlich der komplette Betrieb mit RTK-Systemen ausgestattet sein muss, versteht sich quasi von selbst. Auch wenn die Bandapplikation mit einer Feldspritze durchgeführt wird, kommt es aktuell im Vorgewendebereich und im hügeligen Gelände zu nahezu unlösbaren Problemen, sodass hier flächig behandelt werden sollte. Auch das Hacken in der Reihe ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Daher ist der Praktiker auf alle Module und technischen Lösungen angewiesen, um das Maximum an Einsparung unter den verschiedensten Bedingungen herauszuholen.

Geht man noch einen Schritt weiter zur Spot-Applikation, ist man endgültig in der Hightech-Sparte angelangt. Mit solchen Pflegesystemen kann man wirklich nur noch die Flächen behandeln, die zwingend Pflanzenschutzmittel benötigen. Aber bis hier eine Serienreife erlangt wird, ist sicherlich noch ein wenig Zeit nötig. Obwohl aktuell auch Systeme wie spezielle Spot Sprayer mit geringen Arbeitsbreiten und künstlicher Intelligenz unterwegs sind, die schon einen sehr guten Job machen. Die Smart Sprayer zeigen ebenfalls, was heute schon in der Landtechnik möglich ist.

Auch Alternativen zum chemischen Produkt oder der Hacke finden langsam Beachtung in der Landtechnik. So zeigen sich in diesem Jahr auch Bandbehandlungssysteme, die mittels Lasertechnik den Unkräutern zu Leibe rücken. Hierbei hat man den Vorteil, noch näher an die Kulturpflanze heranzukommen, da berührungslos gearbeitet wird. In solchen Systemen steckt sicherlich sehr viel Potenzial für die Zukunft der Unkrautbekämpfung.

Intelligente Pflanzenschutztechnik

Über alle Spritzsysteme hinweg ist ein Trend unübersehbar: Die Auslastung der Spritze kann und muss noch gesteigert werden. Hierbei stellen sicherlich die elektronischen Hilfsmittel einen entscheidenden Faktor dar. Dies fängt schon bei entsprechenden Diagnose- und Prognosemodellen an. Denn als Erstes muss man natürlich wissen, wie die Situation im Feld ist. In der jüngeren Vergangenheit war der Wunsch nach Lösungen in Echtzeit, alles während einer Überfahrt zu lösen, die Vorgabe. Doch auch hier gibt es Ansätze, Applikationskarten im Vorfeld durch Multikopter oder Drohnen zu erstellen. Der große Vorteil liegt darin begründet, dass bei solchen Systemen die exakte Behandlungsfläche berechnet werden kann.

Dann wird im Nachgang auch nur so viel Spritzbrühe bereitgestellt, wie unbedingt nötig ist und somit entstehen auch keine Restmengen, die dem Praktiker sonst oft Schwierigkeiten in der Entsorgung bereiten würden. Zudem können natürlich auch aufwendigere und exaktere Sensoren in der Erkennung eingesetzt werden, da hier eben nur ein Sensor benötigt wird. Möchte man auf der Spritze mit dem Gestänge den gesamten Arbeitsbereich abdecken, bräuchte es viel mehr Sensoren, die selbstverständlich den Preis der Maschine enorm in die Höhe treiben würden. So können sich unterschiedliche Techniken optimal ergänzen, um einen noch exakteren Pflanzenschutz zu erzielen.

Aber bei aller elektronischen Unterstützung und Vielzahl an einzelnen Modulen werden Bedienerfreundlichkeit und Gesamtlösungen immer häufiger aus der Praxis nachgefragt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass herstellerübergreifende offene Lösungen benötigt werden, die ein intuitives Entscheidungsunterstützungssystem zur zielorientierten, termingerechten und präzisen Applikation von Pflanzenschutzmitteln umsetzen. Besonders die Unterstützung im Bereich der legalen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis hin zur digitalen Dokumentation weisen hier den größten Praktikernutzen auf.

Autonome Systeme

Im Bereich der autonomen Systeme oder vereinfacht gesagt der Roboter ist eine sehr hohe Aktivität zu verzeichnen. So beschäftigen sich neben den renommierten Firmen viele Start-ups mit diesem Thema. Im Bereich der Hacktechnik sind schon einige Systeme auf dem Markt, wohingegen es wenige Spritzroboter im Feld gibt. Denn hier scheint der Überwachungsaufwand während der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln, neben vielen rechtlichen Hemmnissen, eine noch sehr große Hürde zu sein, um in der Praxis anzukommen. Hier konnte der der aufmerksame Besucher auf der Agritechnica 2023 viele Lösungsansätze finden und bestaunen.

Frage nach der besten Düse

Unter den heutigen Bedingungen wird man feststellen, dass im Bereich der abdriftreduzierten Düsen so gut wie alle Hersteller Düsentypen anbieten, die sowohl im Bereich der kompakten Injektordüsen wie auch der langen Injektordüsen anzusiedeln sind. Hierbei kann der Praktiker nun aus einem breiten Angebot JKI-anerkannter, abdriftreduzierter Düsen auswählen, um für seinen Betrieb die ideale Düse auszuwählen. Aufpassen sollte man jedoch weiterhin, dass man nicht nur in Sachen Abdriftreduzierung optimiert und die biologische Wirkung dabei vergisst. Dies ist vor allem auch zu beachten, wenn man an die immer stärker reduzierten Wassermengen oder die steigenden Fahrgeschwindigkeiten denkt. Hauptziel sollte doch sein, die Anwendungsqualität durch eine ausreichende Benetzung und bei Bedarf mit einer ausreichenden Bestandsdurchdringung abzusichern. Des Weiteren bieten Systeme wie Dropleg im Raps die Möglichkeit, einen bienenschonenden Pflanzenschutz zu betreiben.

Aufwandmengen variieren

Auch im Bereich der pulsweitenmodulierten Düse zeigt es sich, dass manchmal auch die Technik noch ein wenig reifen muss. Spricht man über dieses Thema doch schon seit mehreren Jahrzehnten. Doch nun tauchen Systeme auf, die mit Frequenzen von 20 bis 100 Hertz zuverlässig arbeiten und diverse Möglichkeiten wahr werden lassen. Mit Kurvenkompensationen und Spot Spraying können Aufwandmengen innerhalb des Gestänges variiert werden. Diese Systeme zeigen ein enorm großes Potenzial auf, um den stetig steigenden Anforderungen und Auflagen in der Praxis gerecht zu werden.

Doch am Ende entscheidet der Erfolg bei der Bekämpfung von Krankheiten, Insekten und konkurrierenden Unkräutern über die Akzeptanz in der Praxis. Denn bei allen Diskussionen über Einsparung darf man eines nicht vergessen: Der Landwirt ist bestrebt, immer nur so viel Pflanzenschutzmittel auszubringen, wie es unbedingt notwendig ist, um gesunde Lebensmittel zu erzeugen, und das schon seit vielen Jahren.


Harald Kramer, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Pflanzenschutzdienst