Haltungstechnik: Vorwärts oder zurück in die Zukunft?
Dr. Eckhard Meyer zur drohenden Abwanderung der Tierhaltung ins Ausland
Die Schweinehaltung in Deutschland erlebt schon seit längerer Zeit den größten Stresstest ihrer Geschichte. Folglich ging es nach vier Jahren Präsenzpause auf der EuroTier 2022 mehr als früher um grundsätzliche Fragen einer gesellschaftlich akzeptierten Schweinehaltung. Trotzdem wurden auch viele interessante Verbesserungen bewährter Haltungstechnik für Schweine im Detail, aber auch neue Ideen vorgestellt. Die Ausrüstungsbranche leidet aber wie die Landwirte selbst unter dem oft ungerechtfertigten Imageverlust. So fanden weniger Firmen und Schweinehalter den Weg nach Hannover. Auffällig war das nach wie vor große Interesse von Besuchern aus Südeuropa oder Asien für die Technik inländischer Ausrüster. Auch den Mitbewerbern in Dänemark und Holland geht es nach eigener Einschätzung nicht besonders gut. Offensichtlich besteht die große Gefahr, dass mit der Technik auch die Tierhaltung den Weg ins Ausland findet, während die oft ideologisch geführte Tierschutzdebatte aus Deutschland nicht exportiert werden kann. Dafür muss die Produktentwicklung hin zu mehr Tierwohl auf überholt geglaubte Systemkomponenten wie Teilspaltenboden und Stroheinstreu zurückgreifen und diese weiterentwickeln, damit die Gründe, die zur Abschaffung dieser Komponenten geführt haben, nicht die Probleme von morgen sind.
Innovative Technik
Zurzeit ist die größte Herausforderung die Darstellung höherer Haltungsstufen für Betriebe „in Größenordnung“, ohne dass die Arbeitswirtschaft und die biologischen Leistungen der Tiere (erheblich) leiden. Schließlich sind die Ställe von heute das Endprodukt einer Entwicklung, bei der die Arbeitsproduktivität, die Gesundheit und die biologischen Leistungen im Vordergrund gestanden haben. Gleichzeitig sollte auch die konventionelle Stallhaltung weiterentwickelt werden, weil der Markt für höherpreisige Produkte offensichtlich begrenzt ist und die Offenställe aus hygienischen Gründen nicht überall hinpassen.
Die geforderten Veränderungen können entgegen dem Mainstream aber eher die großen und spezialisierten Betriebe - meist in Verbindung mit Fremdarbeitskräften - schultern. Das ist nur möglich, wenn die Haltungstechnik den Menschen unterstützt, körperliche Arbeiten weiter erleichtert und Managementunterstützung leistet. Viele innovative Ausrüster sind dabei, diese Technik zu entwickeln und Managementhilfen zu liefern, aber sie brauchen vor allem Umsätze. Gemessen an den Problemen sind immer noch viele, wenn auch nicht mehr alle Landwirte bereit, in diese geforderten Haltungsverfahren zu investieren, wenn der Absatz gesichert ist und die Ställe genehmigungsfähig sind. Hier brauchen Landwirte und Ausrüstungsindustrie dringend Rechtssicherheit und verbindliche Signale. Auf der EuroTier 2022 wurde klar, dass es in beide Richtungen geht: intelligente, weiterentwickelte Technik und wieder einfachere Stallanlagen schließen sich nicht aus. Es geht somit technisch vorwärts und gleichzeitig zurück in die Zukunft.
Dr. Eckhard Meyer,
Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Köllitsch