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Mut, Erfindergeist und Unternehmertum

DLG-Präsident Hubertus Paetow zum Jahreswechsel

Nach knapp drei Pandemiejahren freut es mich besonders, dass der Austausch, das Netzwerken und die persönlichen Begegnungen wieder in vollem Umfang möglich sind. So wurde das Jahr 2023 eingerahmt von einer starken DLG-Wintertagung und einer ebenso kraftvollen AGRITECHNICA.
 
Beide Veranstaltungen zeigen, dass Deutschland sich glücklich schätzen kann, über eine Agrarbranche wie die unsere zu verfügen. Wir bewältigen enorme Herausforderungen, indem wir nachweislich immer besser darin werden, Produktivität mit Ressourcen- und Klimaschutz sowie Tierwohl in Einklang zu bringen. Wir leben Fortschritt! Wir Landwirte stehen durch unseren ständigen Austausch mit Forschung, Entwicklung und Beratung in der Pole-Position von Innovation und Leistung. Unser Mut und Erfindergeist bringt Deutschland voran; wie kleinkariert kommen dagegen die meisten Politik-Entwürfe um die Ecke. 

In dieser Situation sind die gerade beschlossenen Kürzungen bei Agrardiesel und KFZ-Steuerbefreiung genau das falsche Signal. Nicht nur, weil die positive Umweltwirkung dieser Kürzungen allenfalls langfristig zu vermuten ist. Sondern auch, weil sie den Betrieben Spielräume für die dringend anstehenden Fortschrittsinvestitionen nehmen, ohne wirkliche Alternativen, wie zum Beispiel  eine Förderung von Biokraftstoffen, anzubieten. Die Proteste sind für die Politik laut und deutlich wahrnehmbar. Dadurch wurden Korrekturmöglichkeiten auf dem parlamentarischen Weg eröffnet.  

Blick in die Praxis

Der Blick auf die landwirtschaftliche Praxis zeigt große Unterschiede zwischen den einzelnen Betriebszweigen.

Das nasskalte Frühjahr erschwerte vielerorts die Aussaat. Auch die Ernte wurde von zahlreichen Niederschlägen begleitet, was auch entsprechende Auswirkungen hatte: Bestände fielen ins Lager oder das Korn keimte bereits am Halm, geringe Qualitäten und Ernteverluste waren die Folge. Im Großen und Ganzen erzielte der Ackerbau jedoch gute Ergebnisse.

In der Rinderhaltung herrscht überwiegend eine positive Grundstimmung. Die Milchpreise sind zwischendurch zwar gefallen, und die Abhängigkeit der Betriebe von der sehr unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit der Molkereien sorgte für Unmut, inzwischen sieht es jedoch vor allem auf dem Spot-Markt positiv aus.

In der Schweinhaltung hat die Situation der vergangenen Jahre ihre Spuren hinterlassen. Die Gesamtbestände und auch die Zahl der schweinehaltenden Betriebe haben sich nach den hohen Futterkosten, dem schlechten Absatz und den Gesetzesänderungen deutlich reduziert. Deutsche Ferkel haben mittlerweile Seltenheitswert. Auch die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist dabei keine wirklich Hilfe. Naheliegend wären verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in zukunftsfähige und markttaugliche Stallhaltungskonzepte und ein glaubhaftes Eintreten der Politik für den Export nach China.

Getrieben von den Herausforderungen von Klimawandelanpassung, CO2-Reduktion und dem Erhalt der Biodiversität gewinnt man allerdings den Eindruck, dass die Politik sich vorrangig mit Verboten, Auflagen und Verordnungen zu helfen weiß.

Die Verbindung von Ernährungssicherheit und nachhaltigen, ressourcenschonenden Produktionsverfahren ist eine gewaltige Kraftanstrengung. Der modernen Landtechnik, Tierhaltungstechnik, der Züchtung und der Betriebsmittelindustrie kommt dabei für die Zukunftssicherung des Sektors eine zentrale Rolle zu. Es braucht also vor allem mehr Innovationen, die das Potenzial haben, Produktivität mit Ressourcen- und Klimaschutz global in Einklang zu bringen. Und es braucht Ermutigung für unternehmerische Initiativen.

Die Politik redet viel über den Transformationsbedarf der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft transformiert sich selbst, auch ohne die Politik. Wir nennen es Entwicklung. Von der Politik lässt sich das nicht behaupten. Das agrarpolitische System gibt sich zwar regelmäßig den Anstrich von Reform, in Wirklichkeit ist sein Wandel jedoch in Ritualen erstarrt. Das System ist der gesellschaftlichen Aufgabe eines nachhaltigen Fortschritts ganz offensichtlich nicht gewachsen, wir brauchen eine Runderneuerung. Weniger Regulation, mehr Zielsetzung mit angemessener Zielkontrolle.

DLG-Wintertagung im Februar

Die DLG-Wintertagung beschäftigt sich genau mit diesem Thema. Am 20. und 21. Februar 2024 in Leipzig legen wir den Finger in die Wunde und diskutieren, wie es besser gehen kann. „Ziele statt Zügel: Unternehmer machen lassen“.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest und für 2024 Gesundheit, Zuversicht und Erfolg!

 

Hubertus Paetow,
DLG-Präsident