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Tiefe Frustration in der Branche

René Döbelt zu den Bauernprotesten

Die machtvollen Demonstrationen der Landwirte in der Fläche und in Berlin haben gezeigt, dass sich eine in der Fläche segmentierte Branche sehr wirkmächtig in das Zentrum des öffentlichen Interesses bringen kann.

Die begleitende Berichterstattung wechselt zwischen Zustimmung - es muss sich etwas ändern - und Unverständnis: Warum demonstrieren Landwirte, wenn sie im vergangenen Jahr Rekordgewinne von 115.000 € erzielten? Dabei beschränken sich die Berichterstattungen sehr oft über Stimmungen und Emotionen. Selten wird über die harten ökonomischen Fakten berichtet.

Das Geschäftsmodell der Landwirtschaft ist die Erzeugung von landwirtschaftlichen Commodities.

Diese sind mit ihrer standardisierten Qualität weltweit austauschbar. Das heißt, im Markt bildet sich ein Einheitspreis für jede Qualität, der sich nur um die Frachtkosten für den jeweiligen Erzeuger unterscheidet. 

Höfesterben wird oft beklagt

Die deutsche Landwirtschaft hat sich seit über 30 Jahren in diesem Weltmarkt behauptet und hat alle nationalen Alleingänge bei den Regelverschärfungen durch Rationalisierungsschritte und technologische Innovationen wettgemacht.

Die dabei entstandene Agrarstruktur wird in den Sonntagsreden der Politik unter dem Thema Höfesterben oft beklagt. Selbst im europäischen Binnenmarkt sind die Regeln nicht einheitlich. Belgische Landwirte fahren ihre Landmaschinen legal mit Heizöl. Ihr Vorteil liegt derzeit bei rund 25,00 €/ha, nach Abschaffung der Gasölverbilligung bei 45,00 bis 50,00 €/ha im Getreidebetrieb. Diese Beträge sind leider in manchen Jahren gesamte Gewinn eines Ackerbaubetriebes.

Tierhalter, Ökobetriebe und Sonderkulturbetriebe benötigen noch wesentlich mehr Diesel je Hektar. Dort ist der politische Wettbewerbsnachteil in diesem Punkt noch höher. 

Ferkelerzeuger geben auf

Politische Regeln haben dazu geführt, dass 37 Prozent der Ferkelerzeuger in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren aufgegeben haben. Die Ferkel kommen derzeit aus Dänemark und den Niederlanden. Dabei ist der Stall oft der größte Vermögensgegenstand, den ein Landwirtschaftsbetrieb neben dem Ackerland hat. Entwertet durch politische Regelsetzungen.

Die Niederlande hat wie Deutschland eine politische Agenda, die Tierproduktion zu reduzieren. In den Niederlanden werden Tierbetriebe durch den Staat aus dem Markt gekauft. Der Landwirt kann sich ohne Vermögensverlust entscheiden, die Erzeugung einzustellen. In Deutschland werden die Regeln so verschärft, dass die Landwirte durch die entstehenden Kosten dieser Auflagen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und aufhören müssen.

Hohe Importe

Die „hohen“ Gewinne des Jahres 2022 entstanden durch Angstpreise auf den internationalen Märkten, verursacht durch den Ukraine Krieg. Wer heute seinen durch Wetter und politische Einschränkungen (rote Gebiete) gewachsenen Futterweizen in marktfernen Gebieten zu Preisen von 16 bis 17 €/dt verkaufen muss, landet mit seinen deutschen Erzeugungskosten hart auf dem Boden des Weltmarktes.

Das alles führt zu einer tiefen Frustration in der Branche, besonders wenn man realisiert, dass gleichzeitig immer mehr landwirtschaftliche Produkte nach Deutschland importiert werden, die nach wesentlich weniger strengen Umwelt-, Tierwohl- und Sozialstandards erzeugt wurden. (Importüberschuss im Jahr 2022: 23,8 Mrd. €)

Dieser Zynismus ist die eigentliche Ursache für die Bauernproteste. Frei nach dem Motto: „Essen gibt es im Supermarkt und Strom kommt aus der Steckdose“.

Der Bundestag wird in den nächsten Tagen sein Königsrecht wahrnehmen, den Bundeshaushalt zu beschließen. Es bleibt zu hoffen, dass die Abgeordneten besser als die Regierung verstanden haben, dass politisch gemachte Regelsetzungen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche zwei Seiten einer Medaille sind.


René Döbelt,
Ackerbau Nemt, Wurzen-Dehnitz, 
DLG-Vizepräsident