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Reichweite von Öko-Produkten ausbauen

Biomarkt in Bewegung: Perspektiven für die Bio-Wertschöpfungskette 

Eine auskömmliche Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte rückt immer mehr in das Bewusstsein von Landwirten. Hier ist die Ökobranche mit bisher langfristigen Abnahmeverträgen Vorreiter gewesen. Doch immer mehr gibt der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bei den Ökos den Takt und damit kürzere Laufzeiten vor. Am Tag der Wertschöpfungsketten auf den DLG-Feldtagen in Erwitte ging es in der Podiumsdiskussion: „Biomarkt in Bewegung: Perspektiven für die Bio-Wertschöpfungskette“ um die Frage, inwieweit die Ökobranche und der LEH weiterhin fair miteinander arbeiten. 
 

Neue Chancen

Aktuell würden rund zwei Drittel der Bio-Produkte über den LEH abgesetzt, eröffnete Dr. Achim Schaffner, Experte für Ökolandbau im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft, die Podiumsdiskussion auf den DLG-Feldtagen. Die Verschiebung der Absatzwege bleibe nicht folgenlos für den Ökomarkt.

Simon Bolten vom Biohof Bolten nahm als Landwirt für Bioland die Position des Erzeugers ein. Er sieht die neuen Absatzwege über LEH und Discounter für seine Erzeugnisse positiv. „Die Reichweite des Fachhandels reiche nicht aus, um den Verbraucher in der Geschwindigkeit zu erreichen, wie wir es uns wünschen“, so Bolten. Die neuen Vertriebswege seien allerdings kein Gamechanger, sondern eine Ergänzung. Bei Ökoprodukten gehe kein Weg an den Handelsmarken vorbei. Der LEH bietet die Chance, breite Bevölkerungsschichten mit Bioprodukten zu erschwinglichen Preisen zu erreichen, wodurch deren Marktanteil deutlich steigen kann. Davon ist Volker Krause, Geschäftsführer der Bohlsener Mühle, überzeugt. Ein Risiko bestünde in einer fortgesetzt abnehmenden Diversität in der Handelsstruktur und sinkenden Vielfalt des Sortiments. 

 

Regionen stärken und Innovatoren fördern

In Deutschland fehle es nach Ansicht von Krause an Flexibilität, um eine höhere Wertschöpfung von Öko-Produkten voranzutreiben. Gerade kleinere mittelständische Unternehmen stünden vor großen Investitionshürden. Dabei sei das Interesse der Kunden gerade an neuen Produkten und Trends vorhanden, so Gunter Weiss, Qualitätsmanager bei Alnatura. Die firmeneigenen Supermärkte scheiterten regelmäßig am Einkauf von Bio-Backwaren oder regionalen Fleischprodukten. Eine Lösung könnten laut Dr. Karl Kempkens, Referatsleiter Ökolandbau beim Bundesagrarministerium (BMEL), bundesweit einheitliche Schlachtgebühren über alle Strukturen hinweg sein, wie es in Bayern bereits der Fall sei. Allgemein biete die Lebensmittelbrache die Chance, Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen zu schaffen und die Wertschöpfungskette mit einer Nachhaltigkeitsbotschaft zu versehen. Aber es brauche Impulse, so Kempkens. Er verweist auf die Biostrategie, mit der ein Netzwerk für die Bio-Verarbeitung aufgebaut werden soll und den Bekanntheitsgrad von Öko bei den Endverbrauchern zu erhöhen. Die Rentenbank wolle einen Risikokapitalfonds für Öko-Projekte auflegen, weiß Krause. Die Banken erkennen das Zukunftspotenzial der Ökobranche einschließlich eines vorteilhaften Nachhaltigkeitsratings bei der Kreditvergabe. 
 

Der Preissensibilität begegnen

Aus Sicht des Handels und der Verarbeiter sehen Weiss und Krause beim Ökotrend Schattenseiten. So habe die Preissensibilität der Kunden inflationsbedingt zugenommen. Ferner können Öko-Landwirte eine bodenschonende Bewirtschaftung und damit geringere Umweltschäden nicht in bare Münze umwandeln. Als Lösung schlägt er vor, jeden Hektar ökologisch bewirtschafteter Fläche für seine Umweltleistungen zu entlohnen. Das würde das Preisniveau für Bioprodukte senken und den Einstieg für Landwirte und Verarbeiter erleichtern. Die Preise würden zwar nicht vollständig ausgeglichen, aber der höhere Wert der Bioprodukte bliebe sichtbar. „Ohne staatliche Investitionen, wird der Aufbau einer nachhaltigen Bio-Wertschöpfungskette nicht gelingen“, so Krause. Er befürchtet eine Umkehr von Machtverhältnissen, wenn Öko-Bauern und die Verarbeiter die Kontrolle über die Preisgestaltung verlieren. Im Handel herrsche häufig ein Preisdruck, der nicht immer mit dem Wert von Bioprodukten vereinbar sei. Eine solche Entwicklung würde es auch kleinen Unternehmen und Start-ups erschweren, in die Branche einzusteigen, so Krause. 

Nachbesserungen müsse es auch für die Öko-Regelung 3, „Beibehaltung von Agroforst auf Ackerland und Dauergrünland“ geben. 

Eindeutige Kennzeichnung

Den wichtigsten Erfolgsfaktor der Öko-Branche, ihre Authentizität, sieht Weiss durch die zunehmende Bio-Bewegung im Lebensmittelhandel bedroht. "Viele Unternehmen schmücken sich heute mit Begriffen wie regenerativ, klimaneutral oder umweltfreundlich." Da diese nicht gesetzlich geschützt seien, forderte Weiss klare gesetzliche Rahmenbedingungen, um die Verunsicherung beim Kunden zu beseitigen. „Wir werden nur erfolgreich sein, wenn der Kunde weiß, was er bekommt“, betonte Weiss eindringlich. Bisher biete nur der der Naturkosthandel authentische Produkte in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bio-Qualität an. 

Auch Krause spricht sich für mehr Transparenz im Handel aus. Auf den Produkten müsse stehen, was drin ist. Bei Handelsmarken sei das nicht immer der Fall. Kempkens betonte, dass das BMEL bereits mehrere Millionen in genau diese Aufklärung investiert habe. 
 

Verbandsware im LEH-Sortiment

Die Aufnahme von Verbandsware wie Demeter und Bioland in das LEH-Sortiment, sieht Bolten als große Chance. Wichtig sei, dass die Verbände zusammenarbeiten und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Bolten betont die Notwendigkeit einer verbesserten Abstimmung zwischen den Bioanbauverbänden, um zu verhindern, dass Betriebe sich mehrfach zertifizieren müssen. Dies würde den Ökobauern erheblich helfen. Auch Weiss weiß um die Vorteile von Bioanbauverbänden, in denen sich Verarbeiter und Händler austauschen können und auch neuen Akteuren den Einstieg in die Branche erleichtern. Bolten riet Umstellungsinteressierten, frühzeitig mit Verarbeitern zu sprechen, um den Absatz zu sichern, denn das Konzept "Irgendwo werde ich es schon los" funktioniere in der Ökobranche nicht. Er ermutigte Umstellungsbetriebe, eigene Verarbeitungsstrukturen aufzubauen. „Wir können aus Sicht der Landwirte gar nicht genug Verarbeiter haben“, lautet Boltens Fazit. 
 


Katharina Kovacs,
agrarticker.de,
k.kovacs@dlg.org